"¿Messi? ¿Cristiano? ¡No, Ebert!"

SID
Patrick Ebert scheint mit höheren Mächten im Bunde zu sein
© Imago

Spanien feiert Ex-Herthaner Patrick Ebert als neuen Fußballgott. In Italien geht es um ein Handspiel und die Frage: Sagen religiöse Menschen wirklich immer die Wahrheit? England fühlt mit Jonathan Walters, dem Pechvogel des Jahres. Die Blitzlichter aus Europa, zusammengetragen von unseren Korrespondenten vor Ort.

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Serie A

Von Oliver Birkner

Spiel des Spieltags: Bisweilen muss der aufregendste Kick freilich nicht immer in der Serie A steigen. Am Wochenende wurde man beim Herumzappen von einer Delikatesse verführt, die fernab der höchsten Spielklasse stattfand.

Dermaßen nervenaufreibend präsentierte sich das Geschehen, dass der italienische Kommentator gefährlich mit einem Kreislauf-Kollaps flirtete, und dem Zuschauer das Gefühl eines nägelkauenden Champions-League-Finales vermittelte: "Seht euch Spredeman an, was für samtene Bewegungen, was für filigrane Tricks! Er muss jetzt die Lücke finden, er muss jetzt treffen, um seinem Team Sauerstoff zu geben! Denn in diesem Moment benötigt seine Elf einen Sieg wie die Luft zum Atmen! Gib deinem Team Sauerstoff!! Jetzt ... nein ... mamma mia, war das knapp, mamma mia, so verteufelt knapp! Aber jetzt, siiii, gol, da ist sie, die Führung, mamma mia, war das wichtig!"

Mag nun ein gewiefter Manager seine Fühler nach dem in der Tat formidablen Spredeman ausstrecken wollen, dem sei gesagt: Es handelte sich dabei um die Aufzeichnung einer Partie der WM im Kickern. Doch italienischen Reporter genügt es zur Ekstase oft, dass der Ball rollt - ob groß oder klein.

Mann des Spieltags: Wo fängt die fußballerische Hand an, wo hört sie auf, und haben einige Profis überhaupt Hände? Diese Fragen stellten sich unwillkürlich am Sonntag in Rom. Lazio mühte sich durchschnittlich gegen Atalanta, als Einwechselspieler Sergio Floccari einen Abpraller von der Latte reflexartig und listig mit der Hand stoppte und zur Führung traf. Unfreiwillig ironisch befand Ersatzstürmer Floccari hinterher, er habe seinem Team gerne ausgeholfen (wörtlich auf Italienisch: eine Hand reichen), und sagte: "Ich glaube nicht, dass ich die Kugel mit der Hand berührt habe. Wenn überhaupt, hat der Ball sie ganz minimal gestreift." Aha. Im Zeitalter der 385 TV-Kameras im Stadion sollten einige Aussagen wohl überlegt sein. Laut Präsident Claudio Lotito muss man Floccari jedoch glauben, denn: "Sergio ist ein sehr religiöser Mensch und führt ein Leben wie ein Mönch. Deshalb lügt er nie." Wieder was dazu gelernt.

Und sonst? He is back! Bei den kommenden Parlaments-Wahlen wird Manipulations-Pate Luciano Moggi zusammen mit Stefania Craxi für die mitte-rechts Partei "Italienische Reformierer" im Piemont antreten. Stefania, Tochter des ehemaligen Premiers Bettino, der im Zuge des politischen Bestechungs-Skandals "Saubere Hände" 1994 vor der Justiz ins Exil nach Tunesien flüchtete, gab zu Protokoll: "All die nervenden Heuchler sollten langsam mal den Mund halten. Moggi war unumstritten der größte Manager des Calcio aller Zeiten." Manch einer mag dem Ex-Juventino weniger charmante Attribute zollen. Sollte das Duo gewinnen, wird sich Moggi um Sport und Stadionneubau kümmern. Er ist nach dem Calciopoli-Skandal 2006 zwar auf Ewigkeiten aus dem Verband ausgeschlossen, aber Schnickschnack: Beim Modellieren neuer Arenen würde der einstige Bahnhofsvorsteher eines Örtchens der Toskana sicher prächtig Fäden ziehen. Auf in eine neue Ära mit Craxi und Lucky Luciano!

Premier League

Von Raphael Honigstein

Spiel des Spieltags: Vor dem Duell "Rot gegen Rot" im Old Trafford hatte Alex Ferguson erzählt, dass er Liverpools Tabellenposition schon längere Zeit nicht mehr genau verfolge. Der Klub von der Mersey sei dafür zu weit weg von der Spitze.

Beim 2:1-Sieg des Rekordmeisters war es dann doch etwas enger, zumindest nach dem Anschlusstreffer von Daniel Sturridge in der zweiten Hälfte. "Wir sind 24 Punkte hinter United, aber nicht 24 Punkte schlechter, was unsere Qualität angeht", sagte Liverpool-Trainer Brendan Rodgers optimistisch, während Ferguson vor allem mit der Leistung vor der Pause ("das Beste, was wir bisher gespielt haben") zufrieden war. In anderer Hinsicht sind die Erzfeinde aus dem Nordwesten übrigens ganz beieinander: Wie die "Daily Mail" enthüllte, setzten sich Liverpool, United, Tottenham und Arsenal im Dezember für eine Einführung der Financial Fairplay Regeln in der Liga ein. Die Aktion richtet sich in erster Linie gegen die von einem Oligarch respektive Scheich gesponserten Klubs von Chelsea und ManCity. Vielleicht hatte man bei United ja nur eine Anweisung der Behörden falsch verstanden. Die Red Devils wurden im vergangenen Jahr aufgefordert, "die Mäuse-Aktivität zu überwachen und darauf zu reagieren". Damit waren allerdings nicht die Millioneneinkäufe der Rivalen gemeint, sondern kleine Vierbeiner, die im Old Trafford ihr Unwesen treiben.

Mann des Spieltags: Hier kann die Wahl nur auf einen fallen: Jonathan Walters machte beim 0:4 von Stoke City gegen Chelsea eine Partie, die aus den falschen Gründen unvergesslich bleiben wird. Zwei Eigentore und ein verschossener Elfmeter dürften, was Missgeschicke angeht, in dieser Saison von niemandem zu toppen sein, nicht mal von Fernando Torres. "Walters wird sich davon erholen, wir kümmern uns um unsere Spieler", sagte Tony Pulis, der mal wieder ganz schlecht gelaunte Stoke-Boss. Man darf gespannt sein, wie.

Und sonst? 912 Manchester-City-Fans hatten keine Lust, für das Ticket im Emirates-Stadion 62 Pfund zu zahlen, City gab die Plätze zurück. Linienrichter John Brooks erinnerte sich nach dem Schlusspfiff an diese Geschichte und forderte die City-Spieler auf, sich bei den trotz der horrenden Preise mitgereisten Fans zu bedanken. "Die haben 62 Pfund gezahlt, geht rüber zu ihnen", sagte Brooks zu Joe Hart und Joleon Lescott. Dank des 2:0-Siegs gegen früh dezimierte und über weite Strecken erschreckend schwache Gunners waren die Anhänger des Meisters wenigstens auf ihre Kosten gekommen. Nur eine Spur billiger - 58 Pfund - ist das neue, bestimmt wunderbare "Mr Lenoir"-Parfüm, das Sportskamerad Djibril Cisse soeben auf den Markt gebracht hat. Als eine "Mischung aus Hölzern, Gewürzen und Bernstein" wird das Fläschchen angeboten. Man braucht keine Supernase um folgende Prognose abzugeben: das Ding wird genau so ein Renner wie Cisse (vier Tore, 20 Spiele) es bei QPR ist.

Primera Division

Von Paula Villamarin Temperan

Spiel des Spieltags: Es sollte endlich einmal ein richtiger Prüfstein für den FC Barcelona werden. Am Ende wurde es erneut ein Spaziergang: Durch den 3:1-Sieg in Malaga krönte Barca die beste Hinrunde der Vereinsgeschichte. Im 19. Ligaspiel siegten die Katalanen zum 18. Mal, bei einem Unentschieden.

Der gestrige Sieg war auch nicht gegen irgendjemanden, sondern gegen Champions-League-Achtelfinalist Malaga, das nebenbei die beste Defensive der spanischen Liga stellt und trotzdem ohne jede Chance war. Barca berauschte sich vor allem in Halbzeit zwei wieder einmal an seinem tiqui-taca, Malaga konnte nur staunend zusehen und hinterlaufen. Verteidiger Martin Demichelis gab nach der Partie sogar zu: "Um ehrlich zu sein, brachte mich Barcelona in der zweiten Hälfte fast dazu, ihnen zu applaudieren." Gottseidank hat der Ex-Münchner das nicht gemacht. Er stand schließlich selbst auf dem Feld.

Mann des Spieltags: Hertha-Fans werden jetzt aufhorchen: Der Mann des Spieltags war kein Geringerer als Patrick Ebert. Ja, DER Patrick Ebert. In Berlin verunglimpft und vom Hof gejagt, bei Valladolid blüht er auf wie noch nie. Gegen Mallorca legte Ebert einen solchen Gala-Auftritt hin, dass er es sogar auf die Titelseite der Marca schaffte. "¿Messi? ¿Cristiano? ¡No, Ebert!" hieß es unter anderem in dem Madrider Blatt. Die Vergleiche sind zugegebenermaßen etwas weit hergeholt - allerdings waren seine Tore gegen Mallorca schon erstaunlich: Das 1:0 drosch Ebert in schönster Ronaldo-Manier aus der Distanz in den Winkel, später legte er noch ein Messi-esques Solo zum 3:1-Siegtreffer hin, bei dem er Verteidiger und Torwart locker vernaschte. Das zwischenzeitliche 2:1 bereitete Ebert nebenbei per schönem 20-Meter-Pass vor. Fünf Tore und sechs Vorlagen glückten Ebert bereits - in lediglich 14 Spielen. Keine schlechte Bilanz für einen Aussortierten.

Und sonst? Hut ab vor Rayo Vallecano. Der kleine Stadtteilklub aus Madrid feierte beim 2:1 bei Athletic Bilbao den vierten Sieg in Folge. Dadurch kletterte Rayo auf einen sagenhaften fünften Rang, nur drei Punkte hinter dem die Teilnahme an der Champions-League-Qualifikation garantierenden vierten Platz. Diesen hat momentan Real Betis inne, was ebenso erwähnenswert ist. Rayo hat sich die tolle Platzierung besonders durch unerwartete Auswärtssiege verdient: So konnte man bereits bei Betis, Valencia und dem FC Malaga drei Punkte entführen. Niemand hätte für möglich gehalten, dass Rayo mit dem niedrigsten Etat der Liga - mageren sieben Millionen Euro - nach der Hinrunde auf einem internationalen Platz steht. Die "AS" widmete Vallecano jüngst sogar eine Geschichte in ihrer Zeitung, wo man Rayo als "das Barca des kleinen Mannes" bezeichnete. Mehr Lob geht wohl nicht.

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