"Che" Wenger: Freiheit statt Sozialismus

Von SPOX
Sozialistische Gehaltsstrukturen gibt es beim FC Arsenal - glaubt man Coach Arsene Wenger
© Getty

Englands Reporter trauern einer Schlagzeile hinterher, die der FC Arsenal vermieste. Italiens Wett-Hasardeure dürfen sich dank eines Verschmähten über einen durchgeknallten Tipp freuen. In Spanien würde ein Dreierpacker seine Buden gerne gegen ein Zu-Null-Spiel tauschen. Die Blitzlichter aus Europa, zusammengetragen von unseren Korrespondenten vor Ort.

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Premier League

Von Raphael Honigstein

Spiel des FA-Cup-Spieltags: "Freiheit statt Sozialismus", lautete der Wahlslogan von CSU-Kanzlerkandidat Franz-Josef Strauß 1980, die älteren Leser werden sich erinnern. Strauß ging damals baden, die Freiheit aber setzte sich letztlich nach einem zähen Kampf im Finale des Osteuropa-Pokals am Ende des Jahrzehnts doch deutlich durch. Nur zu gerne hätten die englischen Reporter nach der Partie von Swansea gegen Arsenal im Liberty-Stadion ("Freiheitsstadion") eine ähnliche Schlagzeile fabriziert.

Im Vorfeld hatte Arsene Wenger die Gehaltsstruktur bei den Gunners nämlich als "sozialistisch" bezeichnet, weil es zwischen den Topverdienern wie zum Beispiel Lukas Podolski (geschätzte 6,5 Millionen Euro im Jahr) und den Reservisten keine großen Unterschiede gebe. Am Ende eines zumindest in der zweiten Hälfte unterhaltsamen Spiels hielten sich Freiheit und Sozialismus jedoch die Waage. Podolski (Drehschuss) und Kieran Gibbs (fulminanter Volley unter die Latte) trafen für die Gäste, bei den Schwänen schlugen der unvermeidliche Michu und Danny Graham zu. Das Rückspiel passt "Che" Wenger überhaupt nicht in den Kram - falls Arsenal gewinnt, müssen sie binnen 13 Tagen fünf Spiele bestreiten.

Mann des FA-Cup-Spieltags: Die Wahl konnte hier nur auf Paul Cox fallen. Paul wer? Cox, 42, ist der Trainer von Mansfield Town, und für ihn kam an diesem Wochenende so ziemlich alles zusammen. Am Freitag heiratete er auf dem Klubgelände seine Natasha, am Sonntag feierte er Geburtstag und durfte mit seinen Halbprofis zusätzlich vor heimischer Kulisse im passend benannten Field-Mill-Stadion (Feldmühle) gegen den FC Liverpool antreten. Weihnachten und Ostern folgten dann zwar nicht mehr - die Reds siegten 2:1 - doch Cox war auch nach dem Schlusspfiff einer der Gewinner, als es um die Bewertung der Schlüsselszene ging. Luis Suarez, der sonst ja gar nicht der Typ für solche Sachen ist, hatte vor dem zweiten Treffer den Ball deutlich mit der Hand mitgenommen, der Schiedsrichter hatte es nicht gesehen. "Es nervt, aber ich kann mich hier nicht hinstellen und etwas vorgaukeln", sagte Cox, "wenn es einer unserer Spieler gewesen wäre, hätten wir das Tor genommen."

Und sonst? "Arsenal ist ein Klub, der mich träumen lässt", sagte Demba Ba vor zwei Wochen. Die Chelsea-Fans werden sich nach dem Wechsel des Senegalesen von Newcastle aber kaum daran stören, wenn er so üppig weiter trifft. Bei seinem Debüt, dem 5:1-Auswärtssieg in Southampton, gelangen ihm gleich zwei Treffer. "War das ein Traumeinstand?", fragte der Fernsehreporter. "Ich habe heute Nacht etwas ganz Merkwürdiges geträumt, was sage ich aber nicht" entgegnete der Ex-Hoffenheimer nebulös. Kollege Frank Lampard kam derweil auf seinen 193. Treffer im Trikot der Blauen, damit hat er mit Legende Kerry Dixon gleichgezogen. Noch zehn Treffer und "Super Frank" wäre der alleinige Rekordhalter vor Bobby Tambling. Der 34-Jährige muss sich freilich sputen. Am Sonntagabend bestätigte sein Berater, dass für Lamps am Saisonende definitiv die Lichter an der Stamford Bridge ausgehen. "Es wird definitiv keinen neuen Vertrag für ihn geben", sagte Steve Kutner. Der Mittelfeldspieler möchte gerne noch zwei Jahre dranhängen. Dass er demnächst Arsenal als einen Klub bezeichnet, der ihn träumen lässt, gilt allerdings als unwahrscheinlich.

Serie A

Von Oliver Birkner

Spiel des Spieltags: Einige wenige Wett-Hasardeure führten am Sonntagnachmittag Freudentänze auf, als ihr durchgeknallter Tipp vom Sampdoria-Sieg bei Juventus feststand - Genua drehte die Partie sogar in Unterzahl. "Wir sind eben keine Marsmenschen", zischte Juve-Trainer Antonio Conte. Keeper Gigi Buffon leider auch nicht, denn ihm unterlief ein ungewohnt schwerer Patzer beim 1:1. "Immer verlieren wir, wenn ich einen Fehler mache", haderte Buffon - zum Glück passiert das lediglich ein Mal pro Jahr. Die zwei Samp-Tore gelangen übrigens Mauro Icardi, der eigentlich gar nicht in Italien sein sollte. Der 19-jährige Argentinier wollte zu Südamerikas U-20-Turnier, was Coach Delio Rossi per Diktat verhinderte. Der wütende Icardi sinnierte über einen Wechsel, scheint jetzt aber wieder rundum glücklich: "Zwei Tore gegen meinen Jugendhelden Buffon - der Hammer!"Sicher gab es auch wieder eine SMS von Leo Messi, der ebenfalls aus Rosario stammt und Icardi unter seine Fittiche nahm, als der in der Barca-Jugend kickte. 2011 kam der Stürmer für 400.000 Euro nach Genua und verdient derzeit 60.000 Euro pro Saison. Das will man in dieser Woche aufbessern. Zum Abschluss verriet Icardi noch, dass er das Turnier in der Heimat jetzt leider verpasst, dafür aber sicher bei der WM 2014 mit Kumpel Messi dabei sein werde. Erfrischend junger Optimismus.

Mann des Spieltags: Lob von allen Seiten hatte Kevin-Prince Boateng für seine Aktion erhalten, das Feld wegen rassistischer Affengeräusche von den Rängen zu verlassen. Es war in der Tat ein gewichtiges Signal, da das übelschmeckenden Affengebrülle gegen dunkelhäutige Profis leider zum Liga-Alltag gehört - ganz zu schweigen vom latenten Inlandsrassismus gegen den Süden, der kaum noch Aufsehen erfährt. Die Frage bleibt, ob der Empörungszug, auf den viele flugs populistisch aufsprangen, nicht bald wieder in weiter Ferne verschwindet. Zumindest erhielt Boateng vom San Siro inflationären Applaus, als sich das Team in Shirts mit dem Slogan "AC Milan gegen Rassismus" aufwärmte. Später gab es Ovationen für seine Vorlage zur Führung gegen Siena, Boateng indes reagierte darauf emotionslos. Ähnlich kühl intonierten sich auch manche Stimmen zum Vorfall. Juve-Coach Conte solidarisierte sich zwar, sagte allerdings auch: "Wenn die Teams bei dem ersten uh-uh-uh-uh demnächst den Platz verlassen, werden wir wenige Partien zu Ende bringen." Der notorisch nüchterne Zdenek Zeman vom AS Rom gab an, Spieler von anderen Vereinen wären sofort vom Platz geflogen, wenn sie den Ball mit 200 km/h in die Fans geballert hätten. Und Sepp Blatter durfte am Ende natürlich auch nicht fehlen: "In der Rassismus-Frage sind Null-Toleranz und harte Sanktionen die einzige Lösung. Ich halte es hingegen für keine Lösung, dass ein Spieler oder eine Mannschaft das Feld verlassen, denn sonst verliert sie am grünen Tisch." Milans Giampaolo Pazzini erwiderte: "Wen interessiert schon, was Blatter sagt!" Einer von Pazzinis gelungensten Momenten in dieser Saison.

Und sonst? Dass Lazio an der Verpflichtung von Frank Lampard interessiert sein soll, entkräftete Präsident Claudio Lotito auf seine gewohnt eigene Weise: "Was für ein Lampard? Lampen mache ich nur nachts an, wenn man nichts mehr sieht." Bisweilen dämmert's im Hause Lotito auch schon früher.

Primera Division

Von Paula Villamarin Temperan

Spiel des Spieltags: Sieben Tore, zwei Rote Karten - das Spiel Real Madrid gegen Real Sociedad San Sebastian ist in Spanien in aller Munde, dabei spielt das 4:3 in der Berichterstattung nur eine untergeordnete Rolle. Im Mittelpunkt steht mal wieder das ewige Torhüter-Drama. Jose Mourinho ließ vor Beginn der Partie wieder die Muskeln spielen: Iker Casillas, frisch gebackener Welttorhüter 2012, saß zum zweiten Mal in Folge nur auf der Bank. Bei der Teampräsentation pfiffen die Madridistas seinen Ersatzmann Antonio Adan aus, klatschten bei der Nennung von Casillas und pfiffen dann erneut, als Mourinhos Name vom Stadionsprecher vorgelesen wurde. Nach sechs Minuten fügte das Schicksal eine weitere ironische Pointe zu der Mourinho-Adan-Casillas-Posse hinzu: Adan spielte einen schlimmen Fehlpass in die Beine von Sociedads Carlos Vela, versuchte seinen Fehler auszubügeln, senste den Mexikaner dann aber um - Rot und Elfmeter.

Casillas durfte unverhofft doch ran und es dauerte fast vier Minuten, bis Iker seine Handschuhe überstreifte und den Platz im Tor einnahm - samt genaueren Instruktionen von Mourinho. Casillas lauschte den Worten des Coaches stoisch, ohne ihn dabei auch nur einmal anzusehen. Den fälligen Elfer von Xabi Prieto konnte er aber dennoch nicht parieren. Keine fünf Minuten später spielte der sichtlich verunsicherte Stammtorwart einen Fehlpass in die Beine von Prieto, der aber die Riesenchance liegen ließ und nur das Außennetz traf. Erwähnenswert auch, dass Ersatzkapitän Cristiano Ronaldo wie selbstverständlich die Binde behielt. Erst nach 62 Minuten kam der Portugiese auf die Idee, sie dem rechtmäßigen Besitzer Casillas zurückzugeben - dieser wollte die Kapitänsbinde dann aber nicht mehr haben und schickte CR7 hinfort. Der nächste Akt im Madrider Torhüterstadl folgt bereits am Mittwoch: Dann kommt Celta Vigo zum Pokal-Rückspiel ins Bernabeu. Mourinho kündigte auf der Pressekonferenz vor dem Spiel an, dass der Torwart, der gegen Sociedad zwischen den Pfosten steht, am Mittwoch pausieren wird. Man darf gespannt sein wer es wird - es sei denn Adans Sperre wird auch auf den Pokalwettbewerb ausgeweitet.

Mann des Spieltags: Real Sociedads Xabi Prieto, der bei der unglücklichen Niederlage im Bernabeu drei Mal einnetzte. Glich erst per Elfmeter, dann per Abstauber zwei Mal die Führung Madrids aus. Kurz vor Schluss tauchte Prieto erneut vor Casillas auf und behielt beim Eins-gegen-eins cool die Nerven. Seit dem Jahr 2007 ist keinem Spieler mehr ein Dreierpack gegen Madrid gelungen, damals schlug Walter Pandiani für Espanyol zu. Prieto war der Hattrick aber gänzlich egal: "Wir haben gut begonnen und an ein positives Ergebnis geglaubt. Mit Elf gegen Zehn haben wir das Spiel dominiert, aber nach der Pause waren wir hinten zu offen. Ich würde gerne meine drei Tore gegen ein Zu-Null-Spiel tauschen."

Und sonst? In Barcelona stand das Derby auf dem Programm. Durchaus überraschend mit dabei war Barca-Coach Tito Vilanova, der erstmals nach seiner Ohrspeicheldrüsenkrebs-OP wieder auf der Trainerbank Platz nahm. Im Spiel machte der FC Barcelona kurzen Prozess mit dem Stadtrivalen - nach 28 Minuten stand es schon 4:0. Bemerkenswert war vor allem Pedros zweites Tor: Der famose Sergio Busquets schickte mit einem Traumpass Barcas Flügelstürmer auf die Reise, der schön per Lupfer abschloss. Doppelpacker Pedro widmete den Sieg anschließend seinem Trainer: "Wir wollten den Sieg Tito widmen und wir konnten es tun. Er hat ein paar komplizierte Tage hinter sich. Aber das wichtigste ist, dass es ihm gut geht. Wir sind glücklich, ihn zurück zu haben."

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