"Was haben wir für einen verkackten Torwart!"

Von SPOX
Napolis Inler zieht ab. Gleich fällt Milan-Keeper Abbiati plump nach rechts und der Ball schlägt mittig ein
© Getty

Milan-Manager Adriano Galliani übt konstruktive Kritik der anderen Art an Christian Abbiati. Big Fucking Merte verrät SPOX das Geheimnis seines ersten Premier-League-Treffers, und in Spanien macht sich Betis im Derby lächerlich.

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Serie A

Von Oliver Birkner

Spiel des Spieltags: Evviva! Nun sind wir endlich mal wieder bei Calciopoli angelangt, dem Manipulationsskandal von 2006. War ja auch schon ein Weilchen her, dass niemand davon sprach - so ungefähr zwei Wochen. Inter wurde gestern also beim 2:2 gegen Cagliari in der Nachspielzeit ein Elfmeter versagt. Der war nicht "groß wie ein Haus", wie man in Italien glasklare Elfer umschreibt, eher vertretbar geräumig wie eine ordentliche Zwei-Zimmer-Wohnung.

Dennoch drehte Coach Andrea Stramaccioni an der Seitenlinie heftiger am Rad als einst Jose Mourinho und wurde - Achtung - von Antonio Cassano (!) zurückgehalten. Präsident Massimo Moratti wütete nachher: "Unsere dritte Benachteiligung in Folge. Die Tabelle wird von den unerträglichen Fehlern der Referees geordnet - eine Situation, die ich in der Vergangenheit schon einmal erlebt habe. Ich hoffe, sie wiederholt sich nicht."

Zum einen verlor Inter sicher nicht ob jener Episode zwei Punkte (Keeper Handanovic war bester Inter-Spieler). Zum anderen war Morattis Rage nachvollziehbar, es ist jedoch ermüdend bei jedem schrägen Pfiff Calciopoli aus dem Archiv zu kramen und polternd die Messer zu wetzen.

Paradoxerweise kam jüngst aus keinem Lager jenseits der Turin-Mailänder-Demarkationslinie ein Hauch von Selbstkritik am eigenen Werkeln - auch die hätte bisweilen groß wie ein Haus ausfallen können.

Mann des Spieltags: Vielleicht muss man die hysterischen Polemiken aber einfach als Normalität akzeptieren, wenn Funktionäre auf der Tribüne zum Fanpöbel hinabirren. So geschehen in Neapel, als Milans Manager Adriano Galliani beim schweren Fehler seines Keepers Christian Abbiati ätzte: "Was für ein Scheiß-Torwart! Was haben wir für einen verkackten Torwart!" Sei ja nur Spaß gewesen, sagte Galliani Tags drauf, und verriet, beide hätten köstlich darüber gelacht. Vor allem genoss Abbiati zweifelsohne, endlich mal konstruktive Kritik aus den eigenen Reihen zu erhalten. Wirklich ein schnuckeliges Pärchen, der Scheiß-Torwart und sein Onkel Fester.

Und sonst? Für Aufruhr sorgte am Samstag die Serie D. In Cosenza feierte Torschütze Salvatore Arcidiacano einen Treffer mit dem T-Shirt-Aufdruck "Speziale unschuldig". Antonio Speziale war im Fall eines ermordeten Polizisten während des sizilianischen Derbys Catania - Palermo 2007 vergangenen Mittwoch wegen Totschlags zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der Klub suspendierte den Spieler mit sofortiger Wirkung, die Polizeigewerkschaft forderte vom Verband gar eine lebenslange Sperre. "Das war doch keine Geste gegen die Polizei, nur Solidarität für einen Jungen, mit dem ich in Catania aufgewachsen bin", sagte der Profi überrascht. Stimmt, lieber Signor Arcidiacono, diese aufbrausende Reaktion der Öffentlichkeit hat man wirklich unmöglich vorhersehen können.

Premier League

Von Raphael Honigstein

Spiel des Spieltags: Das Premier-League-Wochenende war so verrückt, dass nur ein Resultat irgendwie vorhersehbar war: Arsenal gewann das Nord-Londoner Derby 5:2, genau wie im Februar. Gut, es hätte auch anders kommen können. Die Spurs waren bis zu Emmanuel Adebayors hirnloser Schienbeinattacke auf Santi Cazorla die klar bessere Mannschaft.

"Es war nicht rosa, es war nicht gelb, es war rot", sagte Arsene Wenger über den Platzverweis. Andre Villas-Boas sah das ähnlich, verstieg sich jedoch zu der Behauptung, dass sein Team das Match "90 Minuten lang kontrolliert" hätte.

Nicht auszudenken, wie es aus Sicht von Tottenham gelaufen wäre, wenn sie das Spiel nicht so toll kontrolliert hätten. Besonders glücklich war logischerweise der mit "Big Fucking German, we have a big fucking German"-Sprechchören gefeierte Per Mertesacker. Der Nationalspieler erzielte mit einem wuchtigen Kopfball das zwischenzeitliche 1:1, es war sein erstes Tor überhaupt auf der Insel.

Nach einer Ecke war er "einfach stehen geblieben", erzählte er SPOX hinterher, "ich habe mich selber überrascht." Es war nicht die einzige eigenmächtige Entscheidung, die sich für ihn auszahlte. Der Ex-Bremer hatte auch auf die vom britischen Ernährungsberater vor Mittagsspielen empfohlenen Frühstücksnudeln verzichtet. "Damit habe ich schlechte Erfahrungen gemacht", lachte er. Call him BFG, the Anti-Pasta Man.

Mann des Spieltags: Es wird langsam langweilig, aber an Luis Suarez führen in diesem Herbst einfach keine Blitzlichter vorbei. Der Uruguayer erzielte beim 3:0 gegen Wigan zwei Tore und bereitete den Treffer von Jose Enrique vor. Dreizehn Saisontore hat der sympathische Südamerikaner nun schon auf dem Konto. Kein Wunder, dass sich viele andere Klubs für seine Dienste interessieren. Angeblich weilte vor zehn Tagen eine Delegation von Juventus in London, um sich mit den Leuten von Suarez zu unterhalten, zudem berichteten mehrere Zeitungen von einem 50-Millionen-Pfund-Angebot von Manchester City. Alle Beteiligten verwiesen diese Geschichte glaubhaft ins Reich der Fabeln, aber wie waren die Kollegen darauf gekommen? Ausgedacht hatten sie sich die Story jedenfalls nicht. Aus gut unterrichteten Kreisen wurde das Gerücht gezielt lanciert. Interessant ist, wer dahinter steckt. Es könnte sein, dass Liverpools-Trainer Brendan Rodgers selbst verantwortlich war, weil er so - auf Umwegen - dem Klub signalisieren wollte, dass Suarez nur mit Neukäufen im Winter zu halten ist. Der Plan scheint aufzugehen. "Suarez ist ein wunderbarer Spieler, der sicher nicht verkauft wird", sagte Liverpools Vorsitzender Tom Werner, "wir wollen uns im Winter verbessern." Geht doch.

Und sonst? Roberto di Matteos Umbauprojekt kommt nun allmählich doch etwas ins Stocken. Das 1:2 bei West Brom war schon das sechste Spiel ohne Sieg in den vergangenen sieben Matches. Ein Ohrenzeuge will gehört haben, dass der sonst so coole Italiener in der Kabine die Contenance verlor. "Ihr seid Champions-League-Sieger und könnt diese Truppe nicht besiegen?", soll Di Matteo gebrüllt haben. Alex Ferguson lobte dagegen auffallend fair den Gegner nach dem 0:1 in Norwich. "Sie haben hart gearbeitet und den Sieg verdient", sagte der Schotte. Und es gab noch Erfreuliches aus deutscher Sicht zu vermelden: Thomas "der Hammer" Hitzlsperger machte beim 1:2 von Everton in Reading sein erstes Spiel von Anfang an seit August 2011. Er war gut und hätte mit einem klassischen 30-Meter-Hammer fast ein Tor erzielt.

Primera Division

Von Paula Villamarin Temperan

Spiel des Spieltags: Und da heißt es immer, Geschichte wiederholt sich nicht. 1943 schoss der FC Sevilla in einem Derby zuletzt fünf Tore gegen Betis, 0:3 stand es damals zur Halbzeit, die Treffer wurden jeweils von zwei Doppelpackern erzielt.

Am Sonntag holte sich Betis beim Lokalrivalen wieder eine "Manita" ab. Reyes und Fazio erzielten in der ersten Hälfte jeweils zwei Tore. Zum ersten Mal klingelte es schon nach 12 Sekunden, nachdem Torhüter Adrian einen Rückpass nicht wegschlagen konnte, sondern Reyes den Ball in die Füße spielte. Nach fünf Minuten köpfte Fazio das 2:0, nach sechs Minuten hatte Negredo die Chance aufs 3:0. So ging das fast die komplette Halbzeit lang. Sevilla fegte wie ein Orkan über Betis hinweg und hätte nach 45 Minuten schon mit sieben oder acht Toren führen können. Trainer Michel jubilierte hinterher ob der fantastischen ersten Halbzeit. "Ich habe das absolut perfekte Spiel gesehen." Sein Gegenüber trug die Niederlage mit Fassung. "Unser Plan ist schon nach fünf oder sechs Sekunden auseinandergefallen. Sevilla hat Herz, Leidenschaft und Kampf gezeigt", sagte Betis-Trainer Pepe Mel. "Ich übernehme die volle Verantwortung."

Mann des Spieltags: Es war insgesamt ein ziemlich gebrauchter Tag für Betis, dem Ruben Perez mit zwei ziemlich bizarren Einlagen die Krone aufsetzte. Zuerst stoppte er Sevillas Jesus Navas im Stile eines Ringers, in dem er seinen Gegenspieler mit beiden Händen an der Hüfte packte und ihn um die eigenen Achse schleuderte. Das Leichtgewicht Navas brachte er aber trotzdem nicht zu Fall. Sechs Minuten später warf sich Perez dann auf den Boden und zuckte derart theatralisch, dass man glauben konnte, Navas habe ihm ein Loch in den Bauch geschossen. Dabei stoppte Perez Navas' Schuss eindeutig mit dem Arm. Vom Schiri gab's für beide Aktionen Gelb und damit einen Platzverweis.

Und sonst? Roberto Soldado rettete dem FC Valencia mit einem Elfmetertor in letzter Minute den Sieg über Espanyol. Die Entscheidung auf Handelfmeter von Schiedsrichter Del Cerro Grande war unzweifelhaft falsch. Besonders bitter für Espanyol, dass Del Cerro Grande im Anschluss Moreno und Sergio Garcia wegen Schiedsrichterbeleidigung ("Du Lump", "Du bist verrückt", so steht's in Del Cerro Grandes Bericht) mit Rot vom Platz schickte. Dabei hätte der Angriff, der zum Elfmeter führte, wegen eines Fouls von Banega schon vorher abgepfiffen werden müssen. Kein Wunder, dass sich Espanyol verarscht fühlte. "Es ist bei einer Mannschaft wie Espanyol einfach, zwei Spieler vom Platz zu stellen und einen Elfmeter zu pfeifen, weil das am Montag schon wieder vergessen ist", schäumte Trainer Mauricio Pochettino.

Was vergessen? Ach ja: Barca und Real haben ihre Heimspiele gewonnen, 8:2 in der Addition. Messi hat getroffen, Özil und Khedira auch.

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