In Florenz wird wieder geschraubt

Von SPOX
Luca Toni wurde nach seinem ersten Treffer für die Fiorentina seit 2007 ganz anders
© Getty

Während ManCity-Coach Roberto Mancini Stoke-Lulatsch Peter Crouch liebend gern in die NBA verschiffen würde, wandelt ein waghalsiger Serie-A-Keeper auf Rene Higuitas Spuren. Luca Toni sorgt derweil für einen fiorentinischen Gänsehaut-Moment und in Spanien gibt's Fußball-Wahnsinn und einen Double-Knockout.

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Serie A

von Oliver Birkner

Spiel des Spieltags: Es war ja schier unmöglich, gegen so eine kolossale Übermacht zwischen den Pfosten zu gewinnen. Zunächst scheiterte Genoa im Duell mit Juventus mehrere Male am Dämon Gigi Buffon, nach der 1:3-Niederlage seufzte Trainer Gigi De Canio dann: "Heute haben uns die Paraden von Zoff ausgebremst." Supergigi und Dino Nazionale im infernalen Verbund - verwunderlich, dass Genoa überhaupt traf. Überhaupt gestaltete sich die Partie atemberaubend, sinnbildlich dafür standen neun Minuten der zweiten Hälfte: Pfostenschuss Giovinco (52.), Lattenkopfball Borriello (57.), Glanzparade von Buffon (oder Zoff, war in der Hektik nicht ganz auszumachen, 61.), Juve-Ausgleich durch Giaccherini (61.). Letztlich blieb ein lang unterlegenes Juventus durch den Sieg auch im 42. Ligaspiel hintereinander ungeschlagen. Der bizarrste Zuschauer dieses Spektakels war übrigens aus Pappe: Genoa-Präsident Enrico Preziosi hatte am vergangenen 17. Mai auch in letzter Instanz vor Gericht verloren und wegen Sportbetrug ein Stadionverbot über sechs Monate erhalten. Das Vergehen datiert aus dem Jahr 2005, als er beim Shoppen mit einem Geldköfferchen drei Punkte gegen Venedig erstanden hatte. Das kostete Genua damals den Zwangsabstieg in Liga drei und ihn jetzt für die kommenden Monate das Stadionvergnügen. Aus Protest gegen das wahrhaft unerhörte Urteil ließ er seinen Platz jedoch mit einer charmant lächelnden Preziosi-Pappfigur besetzen. Das Gericht zeigte sich wenig amused und könnte die Strafe demnächst verlängern.

Mann des Spieltags: In Florenz dreht man wieder am Ohr, und wenn man jemandem einen solchen Sonntag wünschte, dann wohl Luca Toni. Zunächst bei Juventus ausgemustert, dann monatelang bei Al Nasr versauert, im Juni verloren er und seine Frau bei der Geburt ihr Kind. Vor kurzem erhielt Toni einen Einjahres-Vertrag in Florenz, wo man seine fantastischen zwei Jahre und 49 Tore in 71 Auftritten nie wirklich vergessen hatte. Gegen Catania wurde er eingewechselt und benötigte nach Vorarbeit von Stevan Jovetic keine zwei Minuten zu Tor Nummer 50 - zuletzt hatte er für die Viola im April 2007 getroffen. Von den Rängen wurde Toni minutenlang mit Ovationen gefeiert. "Die Zuneigung der Menschen hier ist unglaublich. Seit Jahren meinen viele, ich sei fertig, doch hier glaubt man noch an mich", strahlte Toni.

Und sonst? Nach dem kolumbianischen Skorpion Rene Higuita gibt es nun auch die italienische Version in Person von Michael Agazzi. Der Cagliari-Keeper parierte bei Palermo einen Freistoß in unglaublicher Hacken-Manierund war für den Punkt seines Teams mitverantwortlich. Als Konsequenz entließ Maurizio Zamparini Palermo-Coach Giuseppe Sannino - Traineropfer Nummer 41 in Zamaparinis 26 Präsidenten-Jahren. Am Samstagabend hatte er noch kommentiert. "Ob Sannini gehen muss? Da betrinke ich mich lieber, als auf diese Frage zu antworten." Mal schauen, wie lange Nachfolger Gian Piero Gasperini bleiben darf - bis dahin Prost!

Premier League

von Raphael Honigstein

Spiel des Spieltags: Die Gunners böllern weiter: das 6:1 gegen die überforderten Aufsteiger von Southampton lässt beim Arsenal-Anhang ungewohnte Hoffnungen auf eine Saison mit (!) Titel reifen. Gervinho, der Mann mit der kaputten Netz-Gardine auf dem Kopf, war mit zwei Treffern der erfolgreichste Stürmer. Die Versetzung in die Zentrale bekam dem Anarchisten sehr gut: Er ist dort für die Gegner noch schwerer auszurechnen als für die Mitspieler. "Prince" Poldi hatte ebenfalls Spaß: mit einem (nicht ganz unhaltbaren) Freistoßtreffer bestätigte der Ex-Kölner seinen Formanstieg. Younes Belhanda vom Champions-League-Gegner Montpellier schwant vor dem Match am Dienstag Böses. "Wenn wir so (schlecht wie zuletzt) spielen, bekommen wir acht Stück", sagte der Mittelfeldspieler.

Mann des Spieltags: Dimitar Berbatow. Der genialste Schleicher der Welt überzeugte beim Heimdebüt für Fulham (3:0 gegen West Brom) mit zwei Toren und ungeahntem Arbeitsaufwand. "Er zeigte einen Appetit, den wenige erwartet hatten", schrieb die "Sunday Times", Lob gab es auch von TV-Experte Alan Shearer und von Trainer Martin Jol. "Ich denke, er hat heute mehr gemacht als in seinem gesamten Leben", sagte der Niederländer nur eine Spur übertrieben, "er war hinten, er war im Mittelfeld, er war vorne, er hat ein schönes Tor erzielt." Der Bulgare hatte lukrativere Angebote von der Fiorentina und Juventus ausgeschlagen, weil seine Frau lieber in London leben wollte - die Cottagers sind nun die Nutznießer von Berbas Pantoffelheldenhaftigkeit.

Und sonst? Nach der Veröffentlichung des schockierenden Berichts zum Hillsborough-Stadionunglück von 1989 - Inkompetenz, Medienlügen, Polizeilügen - gab es in den Stadien Sympathiebekundungen für die Liverpool-Fans. Einige Idioten im Old Trafford sangen allerdings dumme Lieder und wurden dafür vom Verein und Alex Ferguson gemaßregelt.

John Terry musste beim 0:0 an der Loftus Road auf Handschläge von Park Ji-Sung und Anton Ferdinand verzichten, Kollege Ashley Cole wurde vom QPR-Verteidiger ebenfalls ignoriert. Hintergrund ist die weiter schwelende Rassismus-Affäre, die aus dem Derby im vergangenen Oktober datiert. Am 24. September verhandelt der Verband über eine Strafe, zuvor wird weiter debattiert, ob die Premier League das Ritual vielleicht aus dem Programm nehmen sollte. Bei Liverpool (Suarez) gegen Manchester United (Evra) droht am nächsten Sonntag schon das nächste Handshake-Gate.

Man Citys Roberto Mancini regte sich furchtbar über Peter Crouchs Ausgleichstreffer zum 1:1 in Stoke auf. "Wir sind hier beim Fußball, nicht bei der NBA", zürnte der Italiener, weil die Kampfgiraffe die Hand zur Hilfe genommen hatte. Michael Owen wurde übrigens im Britannia in der 90. Minute eingewechselt, schaffte es aber nicht mehr, vor Abpfiff den Ball zu berühren. Macht aber nichts: Nationaltrainer Roy Hodgson stellte dem 32-Jährigen tags darauf eine Rückkehr in die englische Auswahl in Aussicht. Mit einer kleinen Einschränkung: er müsse "on fire" sein, "viele Tore schießen" und "extrem gut spielen". Ob Micky O das vor dem kniffligen Quali-Match gegen San Marino im Oktober hinbekommt?

Primera Division

Von Paula Villamarin Temperan

Spiel des Spieltags: Was der SC Freiburg und Hoffenheim können, das können Atletico Madrid und Rayo Vallecano schon lange. Spanischen Fußball-Wahnsinn erster Güteklasse gab es am Sonntag im Estadio Vicente Calderon. Nach 29-minütiger Funkstille in den Tornetzen staubte Mario Suarez nach einem Billard-Ball im Rayo-Strafraum zur Führung der Rojiblancos ab. Richtig vogelwild wurde es dann aber erst 20 Spielminuten danach. 49. Minute: Koke kullert eine Sahne-Kombination zum 2:0 in die Maschen, 120 Sekunden später trifft Arda Turan mit einer Kopie des Koke-Tors zum 3:0 und nur fünf Minuten danach vollstreckt Falcao per Elfmeter zum 4:0. Zum Mitschreiben: Drei Atletico-Treffer innerhalb von sieben Minuten. Wer nun denkt, dass das schon alles war, der hat sich gewaltig geschnitten. Denn irgendwie hatten die Gäste dann doch keine Lust, sich komplett abschlachten zu lassen und hielten plötzlich gepflegt dagegen. Die Folge: Innerhalb von - ja tatsächlich - sieben Minuten ballerten Andrija Delibasic per Doppelpack und Leo per Slapstick-Tor Rayo mit drei Treffern (82., 85., und 89.) wieder ran. Auch wenn den Madrilenen der Allerwerteste mal richtig auf Grundeis ging, brachten sie das 4:3 schließlich irgendwie ins Ziel und werden das irrwitzige Spiel wohl noch lange in Erinnerung behalten.

Spieler des Spieltags: Herzlichen Glückwunsch, Lionel Messi! Nicht bloß dafür, dass der Superfloh im Spiel gegen Getafe erst in der 60. Minute eingewechselt wurde und innerhalb von 18 Minuten mal lässig einen Zweierpack schnürte. Nein, auch zu seinem inzwischen zwölfjährigen Jubiläum beim FC Barcelona. Am 17. September des Jahres 2000 kam ein Unbekannter namens Jorge Lopez mit einem 13-jährigen schmächtigen Jungen zum Klub. Der Rest ist Geschichte...

Und sonst? Eine Begegnung der rustikalen Art hatten Osasunas Llorente (nein, nicht DER Llorente) und Mallorcas Nunes am 4. Spieltag. Beide gerieten aneinander, Llorente verpasste Nunes eine Kopfnuss, während Nunes ihm zeitgleich einen Faustschwinger in die Visage donnerte. Ein klassischer Doppel-K.o., der den Streithähnen dann jeweils die glatte Rote Karte einbrachte. Fazit: Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Jose Mourinhos Blutdruck muss im Rekordtempo in die Höhe geschnellt sein, sollte er das Titelblatt der Tageszeitung "Sport" erblickt haben. Dort waren neben seinem Konterfei nämlich die Worte "Vaja Jeta" zu lesen, was so viel wie "Was für eine Dreistigkeit!" bedeutet. Zusätzlich kassierte The Special One auch noch folgende Headline: "Mourinho hat einen 450 Millionen Euro teuren Kader und sagt: 'Ich habe keine Mannschaft.'" So weit so gut. Das pikanteste Detail der Titelseite war nämlich in einem kleinen roten Kreis neben Mous Füßen zu lesen: "...und Madrid nur noch zwei Punkte vom Abstieg entfernt."

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