Krawall und Remmidemmi in San Siro

Von SPOX
Endlich wieder ein richtiges Spitzenspiel mit allem Drum und Dran: Milan gegen Juve
© Getty

Nach dem Spitzenspiel der Serie A zwischen dem AC Milan und Juventus Turin und einer krassen Schiri-Fehlentscheidung übertreffen sich Beteiligte und Unbeteiligte mit kreativen Beschimpfungen. In England vergeigen beide Gerrards ihre Elfmeter und der ein oder andere Superheld wird zur Persona non grata. Für Jose Mourinhos Real Madrid läuft es derweil blendend, doch die eigenen Fans haben selbst auf die allerkürzesten Auswärtsfahrten keine Lust.

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Serie A

von Oliver Birkner

Krawall und Remmidemmi in San Siro: Es war ein intensives Duell zwischen Milan und Juventus (1:1) - ein bisschen auf dem Rasen, vor allem auf der Tribüne und in den Katakomben des San Siro. Man wusste gar nicht, wo man hinschauen oder -hören sollte, da es an allen Ecken rappelte. Stein des Anstoßes war ein regulärer Treffer von Sulley Muntari, den Gigi Buffon erst deutlich hinter der Linie parierte. Der gut postierte Linienrichter (von listigen AC-Fans im Netz dank Photoshop in ein Juve-Trikot gekleidet) entschied auf Weiterspielen und annullierte die eigentliche 2:0-Führung der Rossoneri. Während der Pause keifte Milan-Geschäftsführer Adriano Galliani gegen das Referee-Gespann "Warum? Warum? Warum?", um sich dann Juve-Coach Antonio Conte vorzuknöpfen. Der soll geantwortet haben: "Guck' mal wer da predigt, der Mann der Fußball-Mafia!" Vielleicht sollten die Turiner diesen Begriff ob der jüngsten Geschichte noch für ein paar Jährchen im Archiv belassen. Während die Spieler auf dem Feld dann später Grußbotschaften mit Fäusten und Kniescheiben austauschten, wurden die Juve-Funktionäre auf der so genannten "Ehrentribüne" mit Spuckattacken und Diffamierungen all ihrer Familienmitglieder verwöhnt. Trainer Max Allegri analysierte, dass der Platzwart die Torlinie heute leider sehr, sehr breit gezogen habe, und AC-Patron Silvio Berlusconi wollte nebenher noch schnell loswerden, dass die Bestätigung der Drei-Spiele-Sperre für Zlatan Ibrahimovic "eine Schande" gewesen sei. Legitime Nachfrage: Warum hätte die berechtigte Strafe eigens für die Partie gegen Juve reduziert werden sollen? Und überhaupt plant Juve-Chef Andrea Agnelli jetzt eine Rundum-Anklage gegen den AC Milan bei der Liga zu beantragen. Zum Abschluss sinnierte Conte: "Alle müssen sich besonnener verhalten, mich eingeschlossen." Zum Beweis des guten Willens startete er prompt einen hitzigen Streit mit Studio-Experte Zvonimir Boban. Man muss es einfach gern haben, das kunterbunte Calcio-Phantasialand!

"Journalisten"-Attacke auf Conte: Conte machte sich am Samstag insgesamt viele neue Freunde in Mailand - vor allem Carlo Pellegatti, Fan-Reporter bei Berlusconis Sender "Mediaset". Der kommentierte die Sekunden nach dem Schlusspfiff folgendermaßen: "Was für ein Unrecht! Eine Schande! Und Conte hat tatsächlich noch was rumzumeckern - der schämt sich nicht mal, Conte schämt sich nicht mal, Conte schämt sich nicht mal!!!! Juventus ohne Schamgefühl! Conte ist wirklich krank im Kopf. Sei still und hau' ab in die Kabine! Was zum Scheiß brichst du immer noch die Eier???? Alles deine Schuld, du Pimmelkopf! Pimmelkopf, geh' endlich in die Kabine!" Fast so filigran, wie vor Jahren ein süditalienischer Reporter im Lokal-TV, der dem Referee minutenlang zurief, dessen Frau vögele gerade einen anderen, er könne sie bis zur Pressetribüne stöhnen hören. Subtile Kunst der allerfeinsten Journalisten-Schule.

Inter auf Rekordjagd: Zum Abschluss der Runde gab es noch Neues von der Inter-Sitcom. Das 0:1 in Neapel bedeutete die elfte Niederlage aus 25 Spielen - Negativrekord der Vereinsgeschichte. "Ich habe keinen Rückschritt gesehen", kommentierte Coach Claudio Ranieri hinterher. Kein Wunder, denn mit dem Rücken zur Wand gibt es schließlich keinen Platz nach hinten. Vor Monaten hatte Ranieri geraten, einen Euro auf Inter als Meister zu setzen. Für alle damit geneppten Interisti wäre es langsam an der Zeit für eine deftige Sammelklage.

Premier League

von Raphael Honigstein

Aufholjagd und Elfmeter-Drama: In Nord-London war am Sonntag die Hölle los. Erst feierte Arsenal nach einem 0:2-Rückstand die 5:2-Auferstehung gegen die Spurs - "Harry für England", sangen die Gunners-Fans spöttisch - dann setzte sich im Familienduell Gerrard gegen Gerrard im Carling-Cup-Finale Stevie gegen Cousin Anthony durch. Liverpools Gerrard vergab zuerst im Elfmeterschießen, bevor Cardiff Citys Anthony mit dem letzten Schuss den linken Pfosten verfehlte. "That's not us finished", wir nicht sind fertig, prophezeite Kenny Dalglish mit eigenartiger (Yoda-)Grammatik, bevor es im Derby in der vierten Stunde der Nachspielzeit überraschend noch einmal klingelte. "Arsenal 6, Spurs 2 - Charlie Adams trifft aus 12 Meilen", schrieb ein Witzbold via "Twitter". Adams, der einst für die Kanoniere knallte, hatte seinen Pen mehrere Meter über die Latte in den Abendhimmel gejagt.

Spiderman wusste es schon immer: Bei Manchester City's Auswärtsspiel gegen den FC Porto vor zehn Tagen war es zu rassistischen Beleidigungen gekommen; Porto-Fans machten jedes Mal, wenn Mario Balotelli den Ball berührte, ekelhafte Affengeräusche. Ein Sprecher der Portugiesen wollte das anders gehört haben: "Die Fans auf beiden Seiten haben Kun (für Agüero) und Hulk geschrieen", behauptete Rui Cerqueria. "Kun, Kun, Kun, Hulk, Hulk, Hulk - das kann man leicht mit rassistischen Gesängen verwechseln". Ja, sehr leicht. Komisch war nur, dass Agüero erst zwölf Minuten vor Schluss eingewechselt wurde, lange nachdem die ersten Affenschreie im Drachenstadion vernommen worden waren. Mit dieser lächerlichen Ausrede war es jedoch nicht genug. Die Portugiesen beklagten nach dem 4:0-Sieg der Engländer am Mittwoch ihrerseits "unsportliche Gesänge" der City-Fans. Das Verbrechen der Hellblauen? Sie hatten "Du bist nicht unglaublich" in Richtung von Hulk gesungen, mit dem herzhaften Zusatz "Spiderman was right, you are shite". (Spiderman hatte Recht: du bist schlecht/scheiße) Etwas unfair vielleicht, aber gemessen an der Leistung des Stürmers an jenem Abend auch nicht ganz unberechtigt.

Der Bodyguard als Alleskönner: Für den armen Steve Kean geht unterdessen das Martyrium weiter. Nach dem 0:3 bei City am Samstagabend rutschten seine Blackburn Rovers wieder auf einen Abstiegsrang zurück. Im Internet läuft eine Kampagne gegen den Trainer, vor kurzem fühlte er sich während eines Restaurant-Besuchs mit seiner Familie persönlich bedroht. Auf Rat des Vereins hat er sich nun einen Bodyguard zugelegt. "Der Mann, der mich beschützt, hat den siebten Karate-Gürtel, aber er ist nicht sehr groß oder massig", sagte Kean der "Times". Der Karate-Wächter helfe nicht nur gegen potenzielle Attacken, sondern sei auch ein Mann, mit dem man "fantastische Gespräche" haben könne, fügte Kean hinzu. Schade, dass der Typ nicht auch etwas vom Kicken versteht. Nach dem Abschied von Abwehrbrocken Christopher Samba, dem einzigen Leistungsträger, zu Anschi am Freitag könnten die Rovers ein paar Tritte und Kniffe im Strafraum dringend gebrauchen.

Primera Division

von Paula Villamarin Temperan

Pep schreibt den Titel ab: Trotz des 2:1-Erfolgs des FC Barcelona gegen Atletico Madrid ist bei den Katalanen Ernüchterung eingekehrt. Trainer Pep Guardiola hat angesichts der Siegesserie von Real Madrid den Kampf um die Meisterschaft schon abgehakt. "Wir werden die Meisterschaft nicht gewinnen, weil wir unseren Rückstand nicht mehr aufholen können, aber wir werden es versuchen." Javier Mascherano zeigt den einzigen Weg auf: "Wir müssen alle Spiele gewinnen." Zu allem Überfluss muss Lionel Messi, der wegen absichtlichen Handspiels seine fünfte Gelbe Karte gesehen hat, im kommenden Spiel gegen den Vorletzten Sporting Gijon aussetzen, was Guardiola zu einem Vergleich der brutalen Sorte hinriss: "Er hat seine fünfte Gelbe gesehen und fehlt im nächsten Spiel, genau wie Pepe." Spricht das nun für Pepe oder gegen Messi?

Mou fordert mehr Einsatz - von den Fans: Eigentlich läuft es für Jose Mourinho blendend. Die "Marca" rechnet schon, wie wenige Siege ihm noch bis zu einem neuen Punkterekord in der Primera Division fehlen - lächerliche zwölf Stück in den ausstehenden 14 Spielen - und bis auf die Tatsache, dass "der vierte Offizielle der arroganteste war, der mir je in meiner Karriere begegnet ist", wie es der Portugiese ausdrückte, bot auch der 1:0-Sieg bei Rayo Vallecano wenig Grund zur Beunruhigung. Doch Mou wäre nicht Mou, wenn er nicht dennoch einen Grund zum Granteln gefunden hätte: "Was mich traurig macht ist, dass wir in Madrid spielen, und nur 300 Fans haben. In Getafe waren es 30. Ich verstehe, dass sie nicht nach Bilbao oder Malaga fahren, aber das hier ist in der Nähe. Die Fans müssen etwas mehr geben."

Last und eigentlich auch least: Vor zwei Wochen feierte Real Saragossa zur besten Mittagessenszeit einen überraschenden 2:0-Sieg bei Espanyol Barcelona. So was wie Licht am Ende des Tunnels für den Tabellenletzten. Es folge eine 0:2-Heimpleite gegen das eher biedere Real Betis und was Saragossa letzten Samstag beim 1:5 in Malaga veranstaltete, spottet jeglicher Beschreibung - vor allem in der zweiten Halbzeit. "Ich weiß auch nicht, was in meine Spieler gefahren ist. So können wir in der Liga nicht bestehen. Man muss schon 90 Minuten gut spielen, nicht nur 45. Was wir nach der Pause abgeliefert haben, war einfach nur peinlich", sagte ein resignierender Coach Manolo Jimenez, der erst Ende Dezember das Amt des entlassenen Javier Aguirre übernommen hatte. Saragossa ist praktisch nicht mehr zu retten. Der Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz beträgt schlanke zwölf Punkte. Bei der Rückkehr aus Sevilla wurde die Mannschaft von aufgebrachten Fans "begrüßt". Die Spieler wurden wüst beschimpft und sogar mit Müll beworfen. Neben der sportlichen Talfahrt steht der Klub vor dem finanziellen Kollaps. Schlechte Zeiten in Saragossa.

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