Wie ein Ochskadaver im Mittelalter

Von SPOX
Andy Carroll zieht die geballte Kreativität der britischen Presse auf sich
© Getty

Während den italienischen Gazetten nach der nächsten Klose-Show so langsam die Spitznamen ausgehen, legt die Presse in England erst richtig los. In Spanien feiert Jose Mourinho seinen Geburtstag. Mit dabei: tonnenweise Kuchen. Unsere Korrespondenten vor Ort berichten.

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Serie A

von Oliver Birkner

Die Kreativität geht flöten: Eigentlich wollte Edy Reja seinen "tedesco" ja kurz vor Schluss auswechseln. "Ich sprach mit der Bank, und als ich mich wieder umdrehte, stand es plötzlich 3:0 für uns", erzählte der Lazio-Coach. Rund 90 Sekunden benötigte Miroslav Klose für seinen zweiten italienischen Doppelpack (88., 89.) zum 3:0-Erfolg bei Chievo. Der Deutsche bilanziert nun drei Assists und elf Treffer in 19 Liga-Partien - im Grunde zwölf, doch ein Treffer gegen Udine wurde infam als Eigentor gewertet. Ohne Elfmeter zu berechnen, würde Klose die Torjägerliste der Serie A anführen und so resümierte Reja nach Spielschluss: "Was soll ich zu Klose noch sagen? Mir fällt nichts Neues mehr ein." Auch den erfinderischen Zeitungen gehen langsam die Ideen aus. Torprofi, Mythos, Panzer, Phänomen, Gladiator, Bomber, Kobra, Motorrad-Miro, Scharfschütze, Tor-Hai, Orkan, Marsmensch und Iceman war Klose bereits - nun avancierte er zum "schonungslosen Killer mit Schalldämpfer". Zweifelsohne muss man vor den bisherigen italienischen Gastspielen des "Mito" Klose den Hut ziehen. Folgerichtig kommentierte die "Gazzetta dello Sport": "In der Serie-A-Geschichte findet man schwerlich einen deutschen Flop. 'Der Spiegel' und Frau Merkel werden zwar nicht müde auf uns einzuprügeln, doch für die Deutschen bleibt Italien ein Land, wo die Tore blühen."

VIDEO: Kloses Doppelpack - einfach grandios!

Die Kopfnuss ins Glück: Gespannt darf man auf die Entscheidung der Liga sein, wie das erzielte 2:0 von Florenz gegen Siena mathematisch aufgeschlüsselt wird. Cesare Natali skizzierte die Szene folgendermaßen: "Amauri gab mir von hinten eine Kopfnuss. Deshalb schnellte mein Kopf nach vorne und drückte den Ball über die Linie. Das Tor gehört also zu 50 Prozent ihm." Letztlich vielleicht sogar ein Fall für die FIFA und das International Board. Amauri wäre der 0,5-Treffer zu wünschen, denn der zuletzt bei Juventus aussortierte Stürmer hatte vor dem Wechsel zur Fiorentina seit April nicht mehr gespielt und genetzt.

Gähnende Leere: Es ist kein Geheimnis, dass entgegen Deutschland oder England der Pokal in Italien für die meisten einem Zahnarztbesuch gleichkommt. Addiert man Finanzkrise, Minusgrade und TV-Übertragungen dazu, arbeitete sich Milan beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit durch die Runden der letzten Wochen. Zum Achtelfinale gegen Novara verloren sich im Stadion 1920 Zuschauer, die man alle hätte persönlich begrüßen können, das Viertelfinal-Duell mit Lazio sahen 7520 Tifosi. Am Sonntagabend vermeldete der AC gegen Cagliari neben den knapp über 31.000 Dauerkarten 9061 zahlende Besucher, doch mehr als geschätzte 20.000 bibberten wahrlich nicht im San Siro. Es wird Zeit für mildere Abende oder freilich eine modernisierte Arena: Im neuen Juventus Stadium meldet die Hütte fast ständig ausverkauft - selbst in der Coppa Italia.

Premier League

von Raphael Honigstein

Andy Carroll, der Indio: Liverpool-Stürmer Andy Carroll wurde nach dem 2:1-Sieg über Manchester United von vielen Zeitungen zum "Man of the Match" gewählt. Reds-Trainer Kenny Dalglishes Lob für den 23-Jährigen fiel dagegen leicht ironisch aus. "Well done, Andy Carroll!", sagte Dalglish mit einer Spur von Sarkasmus, "der Junge muss sich weiterentwickeln und in unserem System arbeiten." Der rechte Glaube an diese Entwicklung scheint jedoch zu fehlen. Am Sonntag wurde bekannt, dass Liverpool den 42-Millionen-Euro-Rammbock unter der Woche als Tauschobjekt für Carlos Tevez (Manchester City) angeboten hatte. City-Sportdirektor Brian Marwood soll zunächst an einen (schlechten) Scherz gedacht und dann amüsiert nach Steven Gerrard als Zugabe verlangt haben. Ohne Erfolg. Liverpool ist die Geschichte nun äußerst peinlich, aber die Medien auf der Insel sind eher dankbar, dass das Martyrium des Pferdeschwanzes weitergeht. Der "Guardian" fühlt sich von ihm an jenen traurigen Regenwald-Indio erinnert, der von Sting Ende der 80er Jahre auf Preis-Verleihungspartys mitgeschleppt wurde und verglich ihn am Montag mit einer "menschlichen Kanonenkugel": seine Funktion kam, so das Blatt, der eines "Ochskadavers" gleich, "der während mittelalterlichen Belagerungen über die Stadtmauer katapultiert wurde".

Old School Harry: Harry Redknapp, der designierte Nachfolger von England-Coach Fabio Capello, hat derzeit keinen leichten Stand. In seiner Gerichtsverhandlung - Steuerhinterziehung von mehreren hunderttausend Pfund lautet die Anklage - kam bisher heraus, dass er ein Geheimkonto in Monte Carlo auf den Namens seines Hundes Rosie eröffnet hatte. Noch interessanter waren seine Ausführungen gegenüber der Polizei, die ihn zu den Vorwürfen interviewte. "Ich kann nicht buchstabieren und nicht schreiben", erklärte Redknapp, "ich schreibe wie ein Zweijähriger. Ich habe noch nie einen Brief geschrieben. Ich weiß nicht, was eine Email ist. Ich habe noch nie ein Fax oder eine SMS geschickt." Dass "'Appy 'Arry" old school ist, dürfte man bei der Football Association vermutet und insgeheim befürwortet haben. Aber gleich so old school?

Die Rache der Enterbten: Elftligist Cromer Town FC hat es leider nicht in die Hauptrunde des FA-Pokals geschafft, aber die "Crabs" (Krabben) haben momentan sowieso ganz andere Probleme. Sie müssen bald aus ihrem Cabbell Park-Stadion ausziehen, weil König Olav V. von Norwegen im Januar 1991 im Alter von 87 Jahren verstorben ist. Wie bitte? Ja, wirklich. Wie die "Daily Mail" berichtet, verdankt Cromer Town seinen Platz einer Spende durch die reiche Landbesitzerin Evelyn Bond-Cabbell, die 1922 das Zeitliche segnete. In ihrem Testament verfügte sie, dass das Gelände "21 Jahre nach dem Tod des letzten (1922 noch lebenden) Nachfahren von König Edward VII an die Stadt zurückfällt." König Olav war der letzte Nachfahre - die Zeit für Cromer Town wäre somit abgelaufen. Die Anwälte des Klubs hoffen nun, dass sich der Verlust des Stadions mit allerlei juristischen Kniffen "noch 20 Jahre" hinauszögern lässt.

Primera Division

von Paula Villamarin Temperan

Happy Birthday, Mou: Am Donnerstag feierte Jose Mourinho seinen 49. Geburtstag. Seine Spieler hatten sich für diesen großen Tag natürlich etwas ganz Besonderes ausgedacht. Sie überraschten ihn mit einem Kuchen. Mmmh... lecker. Aber das sollte nicht das einzige Spektakel des Tages bleiben. Nach dem Training mit seinem Star-Ensemble holte The Special One seinen Sohn vom Fußballtraining ab. Auch beim Klub Deportivo Taps bereitete man sich auf den großen Tag vor. Als Mourinho ankam, standen die Kinder schon in Reih und Glied, um ihm ein Ständchen zu singen. Das war aber noch nicht alles. Auch die Klub-Offiziellen hatten sich etwas Besonderes ausgedacht. Es gab... ratet mal: Kuchen. Der Portugiese ließ sich natürlich nicht lange bitten und verteilte das schmackhafte Schoko-Schmankerl unter den Kindern und genehmigte sich noch eine heiße Schokolade mit den Jungs und Mädchen.

Ach du dickes Ei: Letzte Woche machte sich die "AS" über Iturralde Gonzalez, seines Zeichens spanischer Schiedsrichter, lustig. Die Zeitung ließ sich darüber aus, dass sich der Referee gehen lasse und ein wenig, um es mal höflich auszudrücken, dick geworden sei. Gonzalez selbst ließ sich davon nicht beeindrucken und sah die Sache mit Humor. Am Wochenende pfiff er das Spiel zwischen Real Madrid und Saragossa. Als er das Spielfeld betrat, um sich warm zu machen, sah er die Kamera und streichelte sich mit einem verschmitzten Lächeln genüsslich über seine Plauze.

Der will doch nur spielen: Die "Hardcore-Fans" der Königlichen haben für ihren heimlichen Publikumsliebling Pepe einen neuen Schlachtruf erfunden. Nach den Vorkommnissen der letzten Jahre, vor allem nach der Aktion aus der vergangenen Pokalrunde, als Pepe Lionel Messi auf die Hand trat, sollte man meinen, der Kredit des portugiesischen Abräumers sei verspielt. Im Gegenteil: Nach minutenlangen Schmäh- und Hassgesängen gegen den Erzrivalen aus Barcelona feierten die Fans ihren Verteidiger mit dem Schlachtruf "Pepe, matalos". Heißt so viel wie: "Pepe, töte sie!" Kommentar überflüssig.

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