Der Mythos lebt

Von Matthias Kohlmaier
ManUtd-Legende Eric Cantona will mit den New York Cosmos wieder an die Weltspitze
© New York Cosmos/Imago

Mit Franz Beckenbauer, Pele und Johan Neeskens wurde New York Cosmos vor über 30 Jahren zum Publikumsmagneten im Big Apple. Jetzt ist der legendäre US-Klub wieder da - mit Eric Cantona als sportlichem Leiter und großen Plänen im Gepäck. Ein Team existiert allerdings noch nicht.

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Eric Cantona sitzt im dunklen Anzug in einem großen Ledersessel, eine dicke Zigarre im Mund. Trommelwirbel. Langsam lehnt sich Cantona nach vorne und bläst den Rauch in Richtung Kamera.

Sein Gesicht wird von einem Scheinwerfer erleuchtet und er sagt mit dieser Stimme, die man normalerweise nur nach einer Menge Whiskey und ebenso vielen Zigarren bekommt: "We're back!" In seinem Schoß liegt ein Fußball mit dem Emblem der New York Cosmos.

Die eigentliche Botschaft des nur 18 Sekunden dauernden Werbetrailers kommt ganz zum Schluss: "King Eric takes the throne at the New York Cosmos". Seit dem 19. Januar 2011 ist Eric Cantona offiziell Sportdirektor des legendären US-Fußball-Klubs. Sportdirektor eines Vereins ohne Mannschaft und Stadion, um genau zu sein. Das Einzige, was derzeit existiert, ist der Mythos und viele Zukunftspläne.

Trotzdem scheint der Franzose ganz vernarrt in seine neue Aufgabe zu sein: "Es ist ein wundervolles Projekt, eine Mischung aus Fußball und Kunst!" Pele hat sich als Ehrenpräsident verschrieben, US-Rekordnationalspieler Cobi Jones mischt ebenfalls mit. Die Vision des neuen Cosmos-Präsidenten Paul Kelmsley ist überaus ambitioniert.

Cruyff und Barcelona als Vorbild

"In unserer neuen Philosophie steht die Förderung einer unterhaltsamen Spielweise im Mittelpunkt. Johan Cruyff und der FC Barcelona sind das große Vorbild. Dem wollen wir mit Pele, Cantona und Jones nacheifern", sagte Kelmsley im Interview mit "FIFA.com".

Das Ziel der Kosmischen ist klar: Attraktiven Fußball spielen und dabei die Massen begeistern. Ab 2013 will der ehemalige US-Vorzeigeklub in der Major League Soccer an den Start gehen.

Doch um den Hype um das - geplante - Comeback der New York Cosmos nur ansatzweise verstehen zu können, muss man einen kurzen Blick in die Vergangenheit werfen.

Pele, Beckenbauer und Co.

1971 rufen Ahmet und Nesuhi Ertegün den Fußball-Klub New York Cosmos ins Leben. Die beiden türkischen Brüder sind zugleich Gründer des sehr erfolgreichen Plattenlabels "Atlantic Records", einer Tochtergesellschaft der "Warner Music Group". Geld spielt bei ihnen schon längst keine Rolle mehr.

Weltstars wie Pele, Johan Neeskens, Johan Cruyff und Franz Beckenbauer werden verpflichtet, Beckenbauer übrigens für die damalige Rekordablösesumme von zwei Millionen Dollar. Die bis dahin in den USA völlig unpopuläre Sportart Fußball wird durch das Team im Big Apple plötzlich sexy. Heimspiele der Cosmos, ausgetragen im Stadion des Football-Teams New York Giants, verfolgen bis zu 80.000 Zuschauer.

Die Spieler der Cosmos werden wie Popstars behandelt: Limousinenservice, fürstliche Gehälter und eigener Tisch im legendären Studio 54 inklusive.

Nicht überraschend also, dass Franz Beckenbauer noch 2004 in einem Interview mit dem "SZ-Magazin" über die Cosmos sagte: "Für mich war New York die schönste Zeit in meinem Leben!"

NASL: Große Pläne, großes Scheitern

Leider ist das Zuschauerinteresse - vor allem außerhalb von New York - nicht von großer Dauer. Da trotzdem weiterhin teure Altstars aus dem Ausland verpflichtet werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die North American Soccer League (NASL) endgültig kollabiert.

1984 scheitert der Versuch, Fußball in den USA zu etablieren. Die New York Cosmos spielen danach noch ein Jahr in der Major Indoor League Soccer, bevor der Spielbetrieb auch beim fünfmaligen NASL-Meister eingestellt wird.

Mitte der 90er Jahre nimmt der Fußball in den USA einen zweiten Anlauf. 1993 erblickt die Major League Soccer (MLS) das Licht der Welt, 1994 findet die Fußball-WM im Land der unbegrenzten Möglichkeiten statt. Die Marke New York Cosmos ist noch immer lebendig und viele wollen sie - sicherlich auch wegen des riesigen Potenzials an Merchandising-Artikeln - wiederbeleben.

G. Peppe Pinton, letzter Geschäftsführer der "alten" Cosmos, hatte seit dem Niedergang der NASL die Namensrechte gehalten, im August 2009 entschließt er sich zum Verkauf. Käufer ist ein Engländer namens Paul Kelmsley, seines Zeichens ehemaliger Präsident der Tottenham Hotspur und heutiger Präsident der New York Cosmos.

Kompetenz aus England

Kelmsley beginnt mit Hochdruck am Revival der Cosmos zu arbeiten. Mit Rick Parry, Ex-Geschäftsführer des FC Liverpool und ehemaliger Vorsitzender der englischen Premier League, und Terry Byrne, langjähriger Manager und Freund von David Beckham, holt er sich Fußballkompetenz aus England ins Boot - was in den USA durchaus skeptisch gesehen wird.

Am 1. August 2010 ist es dann endlich soweit: Cosmos-Legende Pele verkündet die Neugründung der New York Cosmos. Veteranen von damals werden auch weiterhin in das Projekt mit eingebunden. Pele ist Ehrenpräsident, der Italiener Giorgio Chinaglia, mit 193 Toren in 213 Spielen Rekordtorschütze der Cosmos-Historie, internationaler Repräsentant.

Kelmsleys größter Coup sollte allerdings noch kommen: ManUtd-Legende Eric Cantona übernimmt den Posten als Sportdirektor der New York Cosmos, mit Cobi Jones wird ihm der Rekordnationalspieler der USA zur Seite gestellt.

Das Ziel ist eindeutig: Das Projekt "NY Cosmos" soll eine Menge Sexappeal bekommen, Jones und besonders Cantona werden in Videos und Fotoshootings medienwirksam inszeniert.

Sexappeal durch Cantona

Werbetrailer liefen bereits am New Yorker Times Square. Werbung für ein Produkt, das nach wie vor nur auf dem Papier existiert. Denn eine Mannschaft, geschweige denn ein Stadion oder einen sicheren Startplatz in der MLS, haben die Cosmos bis jetzt noch nicht.

Aber sie haben Cantona, dessen Gesicht den Mythos wiederbeleben soll. Der Franzose hatte sich in den letzten Jahren hauptsächlich als Schauspieler verdingt und war zwischenzeitlich Spieler und Trainer der französischen Beach-Soccer-Nationalmannschaft.

Er werde alles dafür tun, um mit Cosmos wieder die Nummer eins in den Staaten zu werden und in den folgenden Jahren einen der besten Klubs der Welt zu formen, erklärt Cantona in einem der Cosmos-Werbefilme.

MLS gibt positive Signale

Man kann sich natürlich mit Recht fragen, ob Cantona wirklich das Know-How für einen Sportdirektorposten mitbringt. Für repräsentative Aufgaben hätte Cosmos aber mit Sicherheit keinen Besseren als den legendären Ex-Goalgetter aus Frankreich bekommen können.

Anfang März reiste Cantona bereits mit Cobi Jones und Pele nach Singapur und Hong Kong. Ein weiterer Schritt zur Wiederbelebung der Cosmos-Legende - bestritten die New Yorker doch schon in den späten Siebzigerjahren einige Freundschaftsspiele in Asien.

Zumindest die Aussichten für einen Startplatz in der MLS stehen gut: "Wir wollen dieses zweite Team in New York, einen Rivalen für die Red Bulls. Bis dahin ist noch viel Arbeit nötig, aber das ist unser Ziel", wird Don Garber, Mitglied der MLS-Komission, bei "CNN" zitiert.

Auch der Chef von Red Bull Global Soccer, Dietmar Beiersdorfer, scheint von der Idee begeistert zu sein: "Wir mögen den Wettkampf. Wir können also nicht sagen, dass es uns nicht gefallen würde, wenn es in New York ein zweites Team geben würde."

2013: Derby-Time in New York?

Der Fußball würde damit dem Vorbild der NFL (Jets & Giants), der NHL (Rangers & Islanders) und der NBA (Knicks & New Jersey Nets, die den Umzug nach Brooklyn planen) folgen, die gezeigt haben, dass New York groß genug für zwei Teams in der selben Liga ist.

Man muss dazu noch anfügen, dass der US-Sport natürlich allgemein etwas anders funktioniert als der in Europa. In die MLS kann man nicht aufsteigen, man kann nur einen Startplatz bekommen, wenn die Liga aufgestockt wird. Das wäre 2013 der Fall.

Im Interview mit "Sports Illustrated" hat Cosmos-Miteigentümer Terry Byrne seine Pläne schon sehr präzise dargestellt: "Wir würden gern diesen Sommer ein Freundschaftsspiel in New York bestreiten, vielleicht zwei weitere im Ausland. 2012 werden es womöglich schon deutlich mehr als drei Spiele sein und 2013 sind wir bereit, in der MLS zu starten."

Große Pläne für einen Klub, der zurzeit - wenigstens offiziell - keinen einzigen Spieler unter Vertrag hat.

Die Major League Soccer im Überblick