Für Schottland zu groß, für Europa zu klein

Von Thomas Jahn
Lonely at the top: Celtic Glasgow holte 42 Meistertitel, die Rangers 53. Danach kommt lange niemand
© Getty

Nach einer verkorksten Saison will Celtic Glasgow wieder vorbei an den Rangers und zurück an Schottlands Spitze. Der junge Coach Neil Lennon krempelte das Team radikal um und setzt vermehrt auf junge Spieler. International wird der ambitionierte Klub durch die Gegebenheiten der schottischen Premier League jedoch in vielerlei Hinsicht ausgebremst.

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Wer in Schottland ohne harte Arbeit ein reicher Mann werden will, sollte im Wettbüro ein paar Pfund auf den kommenden schottischen Meister setzen, ohne dabei sein Häkchen bei Celtic Glasgow oder den Glasgow Rangers zu machen.

Während die Quoten der beiden großen Klubs mit 1.68 und 2.09 liegen, winkt bei einem Tipp auf die unmittelbaren Verfolger wie dem FC Aberdeen oder Heart of Midlothian eine mindestens 90-fache Auszahlung des Wetteinsatzes. Das letzte Mal, dass keiner der beiden Giganten aus Glasgow den Titel holte, liegt inzwischen ein Vierteljahrhundert zurück - die Trophäe ging an den FC Aberdeen.

"Same procedure as every year", lautet seither das Motto der schottischen Premier League, in der ein ewiger Zweikampf der tief verfeindeten Stadtrivalen traditionell im Mittelpunkt steht. Daran, dass es auch in der neuen Saison darauf hinausläuft, hat der deutsche Celtic-Rechtsverteidiger Andreas Hinkel, keinerlei Zweifel.

Hinkel: "Es gibt hier nur den Sieg"

"Die anderen Vereine haben mal eine Saisonhälfte, wo sie gut mitspielen und oben dabei sind. Die andere Hälfte ist dann aber meistens unter aller Sau. Theoretisch haben sie sogar die Qualität für mehr, doch schafft es außer Celtic und den Rangers niemand, mit dem Druck umzugehen", sagt Hinkel im Gespräch mit SPOX. Der 28-Jährige spielt seit Januar 2008 bei Celtic und fällt derzeit wegen einer Kreuzbandverletzung aus.

"Wir müssen hier jedes Spiel gewinnen - wie die Bayern in der Bundesliga. Mal nur mit einem Punkt zufrieden sein - sowas gibt es für Celtic nicht. Es gibt hier nur den Sieg", so Hinkel. Doch auch in der elitären Sphäre, in der die Glasgower Vereine schweben, ist nicht immer alles rosig.

Pokal-Blamage gegen Zweitligisten

Celtic blickt mit viel Wehmut auf die letzte Saison zurück, in der Edson Braafheid vom FC Bayern und Robbie Keane aus Tottenham als Leihgaben in den eigenen Reihen aufliefen. Zum zweiten Mal in Folge landete die Meistertrophäe beim Erzfeind, dazu gesellte sich Celtics peinliches Pokal-Aus gegen den Zweitligisten Ross Country.

"Das Pokalspiel war nur der Negativhöhepunkt, die ganze Saison war eigentlich katastrophal. Wir haben zu viele Chancen ausgelassen und zu oft unentschieden gespielt - da fehlten am Ende zu viele Punkte", erinnert sich Andreas Hinkel und fügt an: "Das hat den Trainer den Job gekostet."

Radikaler Umbruch nach Seuchenjahr

Im März 2010 übernahm der 39-jährige Ex-Celtic-Kapitän Neil Lennon das Amt des - für Celtic-Verhältnisse - erfolglosen Tony Mowbray. "Er ist ein emotionaler Trainer, ein Motivator und Vollblut-Celtic. Er kann das Team mitreißen und steckt sich selbst sehr hohe Ziele. Er sagt: 'Wir sind Celtic und sind nicht da, um auf Unentschieden zu spielen'", beschreibt Hinkel seinen Coach. Lennon begann unmittelbar nach seinem Amtsantritt damit, den Kader der Hoops schonungslos umzubauen.

Diese enorme Personalfluktuation setzte sich vor der neuen Saison ungebrochen fort: 17 neue Spieler stießen im Sommer zum Team, 20 mussten gehen, darunter Leistungsträger wie Keeper Artur Boruc und Flügelspieler Aiden McGeady. Der Verkauf von McGeady an Spartak Moskau spülte immerhin 12 Millionen Euro in die leeren Kassen von Celtic. "Die vielen Wechsel haben natürlich nicht nur sportlichen, sondern auch einen wirtschaftlichen Hintergrund", erklärt Hinkel.

Neuanfang mit jungen No-Names

Neuzugänge mit großen Namen hat Celtic indessen nicht zu vermelden. Lennon setzt auf junge talentierte Leute wie den Israeli Biram Kayal, Nachwuchsstürmer Gary Hooper oder den mexikanischen Außenverteidiger Efrain Juarez, der den Langzeitverletzten Andreas Hinkel ersetzen soll. "Das scheint mir ein Guter zu sein, der hat jetzt auch schon zwei Tore gemacht", lobt Hinkel seinen Stellvertreter.

Aus der eigenen Jugend wurde zudem James Forrest ins Profi-Team der Bhoys hochgezogen: "Der wird in der Saison sicherlich seine Chancen kriegen und könnte eine große Entdeckung sein", sagt Hinkel. Abseits der Verjüngungskur holte Celtic auch einige erfahrene Kräfte wie Innenverteidiger Daniel Majstorovic und Freiburgs Du-Ri Cha.

Hinkel sieht den Neuaufbau im großen Stil nicht unkritisch:"Sicherlich kann das funktionieren, aber es braucht eben Zeit. Das sieht man auch bei Schalke 04 in der Bundesliga." Einen guten Liga-Start hat der Klub trotz aller Umbauten erwischt: Drei Siege in den ersten drei Partien machten Celtic zum Tabellenführer.

International findet der Klub dagegen nicht statt: Sowohl in der Königsklasse als auch in der Europa League scheiterte Celtic bereits in der Qualifikation. Die bitteren Pleiten gegen Braga und Utrecht sieht Hinkel notgedrungen als Vorteil für das nationale Duell mit den Rangers: "Im Gegensatz zu ihnen haben wir keine Doppelbelastung und können uns voll auf die Liga konzentrieren."

Sackgasse schottische Liga

Dennoch blickt der Deutsche etwas wehmütig in Richtung der europäischen Spitzenklubs. Das "perfekte" Stadion, ein Zuschauerschnitt von knapp 60.000 und die weltweite, mitunter auch irisch geprägte Fanbase - Celtic verfüge über das nötige Potenzial, um auch international eine wichtige Rolle zu spielen. Durch die Gegebenheiten in Schottland könne der Klub seine Asse jedoch nicht wirklich ausspielen.

Die Scottish Premier League genieße, so Hinkel, europaweit eben nur einen überschaubaren Stellenwert und wirke für beide Top-Klubs wie eine angezogene Handbremse. Es fehlt ihnen dort schlichtweg an Finanzkraft und sportlicher Herausforderung. Schon lange wird deshalb über einen Beitritt von Celtic und den Rangers in die englische Premier League diskutiert.

"Wenn wir in der englischen Liga mitspielen würden, hätten wir ganz andere Möglichkeiten in Sachen Fernsehgelder und Marketing. Da würden ganz andere Spieler herkommen und wir könnten dort oben mitspielen. Davon bin ich überzeugt", versichert Hinkel.

Celtic-Fans begrüßen den Exodus

Über die Konsequenzen ist er sich dabei durchaus bewußt: "Das wäre vielleicht der Untergang für die schottische Liga aber für Celtic und die Rangers wohl ein absoluter Durchbruch. Die Fans würden das sofort unterschreiben. Hier gibt es eben nur Celtic und die Rangers, gleich danach wird aber nach den Ergebnissen aus England gefragt."

Ob es jemals zum Exodus der schottischen Top-Teams kommen wird, kann niemand genau sagen. Sicher ist jedoch: So lange Celtic und die Rangers der schottischen Liga treu sind, bleibt das Old Firm der unumstrittene Saisonhöhepunkt. Und die Wettquoten ihrer Verfolger in schwindelerregender Höhe.

Celtic Glasgow im Steckbrief