"Den Ostblock-Fußball kannst du vergessen"

Von Interview: Jochen Tittmar
Werner Lorant gewann als Spieler 1980 mit Eintracht Frankfurt den UEFA-Pokal
© Getty

Werner Lorant war fast neun Jahre beim TSV 1860 München. Danach trainierte der 61-Jährige zwölf Vereine in sieben Ländern. Im Interview spricht Lorant über faule Spieler, lange Auswärtsfahrten und die Probleme bei 1860.

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SPOX: Herr Lorant, seit mittlerweile achteinhalb Jahren sind Sie nicht mehr bei 1860 München und haben seitdem zwölf Vereine in sieben Ländern trainiert. Wo war es denn am schönsten?

Werner Lorant: Die schönsten Stationen waren meine insgesamt drei Jahre in der Türkei. Im Iran war es aber auch super.

SPOX: Und wo war das Gegenteil der Fall?

Lorant: In China war es sehr schwer. Dort ist der Fußball ganz anders. Dort wird alles vom Verband bestimmt, bis hin zum Trainingsplan. Zudem ist das Land sehr groß. Daraus resultieren unglaublich lange Anfahrtszeiten. Wir hatten einmal ein Freundschaftsspiel "um die Ecke", da sind wir vier Stunden hingefahren, haben kurz gekickt und sind wieder vier Stunden zurück gedüst. Das ist schon sehr stressig für jemanden, der die europäischen Geflogenheiten gewohnt ist.

SPOX: Wie professionell verhalten sich dort die Spieler?

Lorant: Die sind sehr faul. Sie wollen nicht so trainieren, wie man es müsste. Spielen will aber jeder. Die professionellsten sind sowieso die Türken.

SPOX: Inwiefern?

Lorant: Die Spieler trainieren dort viel, viel mehr als man das in Deutschland gewohnt ist. Die sind von morgens bis abends auf dem Trainingsgelände eingesperrt, inklusive Essen und Pflege. Die Verheirateten gehen dann nach Hause, aber die Junggesellen bleiben auch über Nacht auf dem Gelände. Die haben hochprofessionelle Strukturen. Allerdings muss man dort auch aufpassen.

SPOX: Auf was?

Lorant: Dort laufen viele Spiele nicht so korrekt ab. Das liest man ja auch immer wieder. Da sitzt man dann schon ab und an bei Spielen auf der Bank und denkt sich: 'Das ist doch nicht meine Mannschaft, die da gerade spielt'. Das sind dann Erfahrungen, mit denen man nicht so schnell klar kommt.

SPOX: Zuletzt waren Sie innerhalb von sechs Monaten zweimal bei LASK Linz im Gespräch. Geklappt hat es aber beide Male nicht. Wieso?

Lorant: Da müssen Sie den Präsidenten fragen. Matthias Hamann, der damals für mich kam, ist mittlerweile ja auch schon wieder weg. Somit ist es also gut, dass ich da gar nicht erst hingegangen bin. Dort bin ich auf dasselbe Problem wie bei meinem letzten Job in der Slowakei gestoßen.

SPOX: Und zwar?

Lorant: Die wollen alle auf die europäische Landkarte, wollen aber nichts dafür tun. Die verkaufen ihre besten Spieler, wollen aber trotzdem in einen internationalen Wettbewerb. Ein Beispiel: In der Slowakei waren wir Dritter. Wir hatten eine wirklich gute Mannschaft. Die wollte ich im Winter noch etwas verstärken. Dann haben sie meinen besten Stürmer verkauft. Es hieß, man brauche das Geld und besorgt gleichwertigen Ersatz. Schlussendlich stand ich mit einem Stürmer weniger da. Da ist man dann machtlos und ärgert sich.

SPOX: Wie stellen Sie sich Ihre weitere Trainerkarriere vor?

Lorant: Angebote gibt es immer. Ich hätte jetzt in Ungarn unterschreiben können, aber das war nicht das Richtige. Ich möchte eine Mannschaft aufbauen, mit der man auch Erfolg haben kann und nicht Spieler aufbauen, die man dann verkauft.

SPOX: Deutschland bleibt aber schon eine Option für Sie?

Lorant: Klar, ich kann mir alles vorstellen. Aber helfen tue ich keinem mehr. Als ich vor einem Jahr beim Münchner Bezirksligisten SV ATA Spor geholfen habe, weil ich den Präsidenten des Vereins gut kenne, waren sie sauer, weil ich in die Slowakei gegangen bin. Dabei habe ich ausdrücklich gesagt, dass ich dort aufhöre, wenn ich ein Profiangebot bekomme. Solche Geschichten mache ich nicht mehr mit.

SPOX: Ihre beste Zeit hatten Sie ja eindeutig bei 1860 München. Wie beurteilen Sie die dortige Lage?

Lorant: Eigentlich möchte ich gar nicht mehr darüber reden.

SPOX: Wieso nicht?

Lorant: Weil ich jedes Jahr darüber rede und jedes Jahr passiert dort das gleiche. Am Anfang einer Saison heißt es immer, sie wollen aufsteigen, am Ende spielen sie um Platz zehn bis fünfzehn. Wenn ich aufsteigen will, kann ich doch nicht die ganzen guten Talente abgeben. Die Bender-Zwillinge, Lehmann, Milchraum, Schäfer, Gebhart - die sind alle weg. Wenn ich diese Jungs zusammen halte und mich auf zwei Positionen noch verstärke, dann stehe ich doch über kurz oder lang sicherlich unter den ersten Drei. Stattdessen bauen sie dort jedes Jahr eine neue Mannschaft auf. So schafft man den Aufstieg nicht.

SPOX: Die Zuschauer sind enttäuscht.

Lorant: Klar sind die enttäuscht. Und zwar maßlos. Mich sprechen genügend Leute an, dass jedes Jahr dasselbe passiert. So war es auch vor meiner Zeit bei 1860. Damals ist man aus der 2. Liga in die Bayernliga abgestiegen. Als ich dort übernahm, hatten wir sehr viele Zuschauer im Grünwalder Stadion. Später haben wir das Olympiastadion vollgekriegt. Das A und O bei 1860 ist, dass die Leute sehen, dass sich die Mannschaft den Arsch aufreißt und gut Fußball spielt. Fans gibt es genug.

SPOX: Würden Sie wieder zurückgehen, wenn Sie ein Angebot bekämen?

Lorant: Das werde ich nicht mehr machen. Man kann nicht wiederholen, was man schon einmal gemacht hat. Zudem sind dort nicht die Leute am Werk, bei denen ich denke, dass ich meine Vorstellungen umsetzen könnte. Bei Herrn Wildmoser ging das. Er hat das durchgesetzt, was wir besprochen haben und so sind wir immer besser geworden.

SPOX: In Ihnen steckt aber schon noch eine gehörige Portion Sechzger.

Lorant: Wenn man fast zehn Jahre irgendwo gearbeitet hat, schielt man immer mit einem Auge auf die Tabelle. Da kann man nicht sagen, dass einen das gar nicht mehr interessieren würde. Ich muss aber sagen, dass es mich nun nicht mehr so interessiert, wie die zwei, drei Jahre nach meinem Weggang.

SPOX: Hätten Sie damals gedacht, dass Sie nach dem Job bei 1860 so viele Vereine in so kurzer Zeit trainieren werden?

Lorant: Das wollte ich ja. Ich wollte etwas anderes machen. Die Erfahrungen kann mir keiner mehr nehmen. Ich kenne nun viele Mentalitäten. Manche kann man aber vergessen.

SPOX: Welche?

Lorant: Den Ostblock-Fußball kannst du vergessen. Das sollte sich keiner antun. Die Nationalmannschaften sind nicht schlecht, weil alle guten Spieler im Ausland spielen. Aber im eigenen Land ist es dann schon schwierig.

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