Frankreich verleiht seine Oscars

Von SPOX
Yoann Gourcuffs (re.) Laudatio übernimmt kein Geringerer als Zinedine Zidane
© Getty

Die Ligue 1 vergibt ihre Oscars und Real Mallorca besiegt die Grausamkeit. Paolo Maldinis Abschied in San Siro wird zu einem surrealen Erlebnis. Der FC Fulham spielt die beste Saison der Vereinsgeschichte und wehrt sich dabei gegen Innovationen.

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Dies und mehr wie immer montags in den Blitzlichtern aus Europa - zusammengetragen von unseren Korrespondenten vor Ort.

Serie A

von Oliver Birkner

Ein Gentleman des Calcio: Ein surrealer Abschied, ein unwürdiger Abschied. Während der größte Teil der Tifosi Paolo Maldini nach 25 Jahren Milan mit immensem Applaus aus San Siro verabschiedete und selbst die Gäste vom AS Rom Shirts mit der Aufschrift "Grazie Paolo, Grande Capitano" trugen, fielen einige Fans der hartgesottenen Südkurve unangenehm aus dem Rahmen. Sie entrollten Transparente und klagten u.a. "Du hattest keinen Respekt vor denen, die dich reich gemacht haben!" Einen alten Disput - Maldini hatte sich vor Jahren nach wochenlangen Pfeifkonzerten gegen das Team über die Kurve beschwert - ausgerechnet beim Adieu aufzurollen, zollte eher von stupider Respektlosigkeit der Tifosi. Der 40-Jährige, der ja nur 901-mal für Milan auflief, sieben Scudetti und fünf Landesmeistertitel holte, biederte sich im Gegensatz zu manch anderem in seiner Karriere bei niemandem an - weder bei der Journaille, noch bei den Ultras. Mit einem angewiderten Blick auf die grotesken Transparente verließ er zum letzten Mal den Rasen des San Siro und wird ein Exempel für Sauberkeit und Loyalität bleiben, einer der letzten Gentlemen des Calcio.

Endspiel in der Toskana: In Maldinis definitiv letztem Spiel am kommenden Sonntag in Florenz muss er noch einmal sein Letztes geben. Denn sollte Milan mit zwei Treffern Unterschied verlieren, müssten die Rossoneri als Tabellenvierter in die ungeliebte Champions-League-Qualifikation. Neben Meister Inter hat sich Juventus hingegen bereits für die Gruppenphase der Königsklasse qualifiziert. Nach der Planungs-Sicherheit soll sich Diego deshalb am heutigen Montag zum medizinischen Test bei Juve vorstellen.

Hetzjagd und Massenschlägerei: Absurdes Theater lief am Sonntag in Turin ab. Nachdem der FC Genua mit dem 3:2-Siegtreffer in letzter Minute Torino wohl zum Abstieg verdammte, bliesen die heimischen Spieler plus Betreuer zur Hetzjagd auf das Gästeteam, das sich im Gegensatz zur italienischen Tradition "Tun wir uns im Saisonendspurt nicht mehr weh" tatsächlich erdreistete, 90 Minuten lang wirklich anzustrengen und dafür belohnt wurde. Es folgte eine Massenschlägerei auf dem Platz - wer weiß, wo Torino nun stünde, wenn es immer so viel Power investiert hätte.

Premier League

von Raphael Honigstein

Tränen der Tyne: Wird uns Newcastle in der ersten Liga fehlen?, fragte man sich auf der Insel nach dem Abstieg der Elstern am Sonntag. "Eher nicht", lautete die Antwort. Im Villa Park machte man sich offen über den Chaos-Klub aus dem Nordosten lustig, bei dem mit Alan Shearer der vierte Trainer in der Saison scheiterte. "Wer ist euer nächster Messias? Ant oder Dec?", fragte ein Transparent. Ant und Dec sind die aus Newcastle stammenden Moderatoren der Casting-Shows "X-Factor" und "Britain's got talent". Shearer machte die mangelnde Qualität des Kaders für den Niedergang verantwortlich. "In der Kabine hat es nicht gereicht", sagte der ehemalige Stürmer. Besitzer Mike Ashley trägt mit einer Reihe von desaströsen Entscheidungen sicherlich die Hauptschuld, doch die "Times" verwies auch auf die "blinde Loyalität" der United-Fans: "'Folgt mir', sagt eine Legende des Nordosten, und alle laufen ihm hinterher und über die Klippen, wie die Lemminge". "Schadenfreude" ist übrigens das von den Briten am meisten gebrauchte deutsche Wort, noch vor "Schweinehund" und "Kaiser". 

Erleichterung in Yorkshire: Mit Newcastles 0:1-Niederlage bei Villa war zum Glück auch die leidige Diskussion um eine mögliche Wettbewerbsverzerrung vom Tisch. Alle vier Teams am Tabellenende verloren am Sonntag, also auch  Hull City, das gegen die Reservemannschaft von Manchester United antreten durfte. Alex Ferguson ließ im KC Stadium unbekümmert eine reine Bubi-Elf antreten, doch Phil Browns Tiger unterlagen trotzdem mit 0:1. (Torschütze: Darren Gibson, 21) Hull, der Überraschungsmannschaft der ersten Saisonhälfte, gelang 2009 nur ein einziger Sieg in der Liga. Zum Glück war die Konkurrenz noch schlechter als das englische Hoffenheim.

Old School Roy reüssiert mit Magathismus: Als Roy Hodgson im Winter 2007 den FC Fulham übernahm, standen die West-Londoner auf einem Abstiegsplatz. Diese Saison beendeten die "Cottagers" auf dem siebten Rang; besser war man in der Vereinsgeschichte nie. Der 61-jährige Hodgson wird nach Jahren im Exil (Skandinavien, Vereinigte Arabische Emirate, Italien) nun als zukünftiger Trainer eines englischen Spitzenvereins gehandelt, gibt sich aber als Mann der alten Schule. Er sei ein gutmütiger Diktator, sagt er, "an Innovationen und an ein Training, das sich alle fünf Minuten ändert", würde er nicht glauben: "Wir machen fast alle Übungen elf gegen elf." Einen Treppenhügel hat man auf dem Trainingsgelände in New Malden noch nicht gesehen, doch der kann ja - zusammen mit den Medizinbällen - noch kommen.

Primera Division

von Paula Villamarin Temperan

Kampf um Pichichi: Diego Forlan hat durch einen Hattrick bei Athletic Bilbao Samuel Eto'o in der Torjägerliste überholt und ist neuer Spitzenreiter im Kampf um die Trofeo Pichichi.  Der Urugayer traf schon 31 Mal - zwei Mal öfter mehr als Eto'o. An den letzten sieben Spieltagen war er allein zehn Mal erfolgreich. Das letzte Mal wurde die 30 Tore-Marke übrigens vor zwölf Jahren geknackt. Ein gewisser Ronaldo knipste damals 34 Mal in 37 Spielen für Barca! Die Zeichen stehen gut für Forlan, auch weil Eto'o aller Voraussicht nach am letzten Spieltag nicht spielen wird. Der Kameruner will nach dem CL-Finale zur Nationalelf reisen, um sich auf das WM-Quali-Match gegen Marokko vorzubereiten. Wenn Barca-Trainer Pep Guardiola diesem Wunsch nachkommt, steht Forlans Erfolg nichts mehr im Weg. Der zeigt sich vorsichtig: "Ausruhen tue ich mich erst, wenn es soweit ist." Übrigens hat der Atletico-Stürmer schon jetzt den persönlichen Saisonrekord des legendären Alfredo di Stefano eingestellt.

Mallorca besiegt die Grausamkeit: Es ist wahrlich eine Grausamkeit der spanischen Liga und der Spielplanmacher in dieser Saison. Jede Mannschaft außer Valencia musste zunächst gegen den FC Barcelona und am Spieltag drauf gegen Real Madrid antreten. Dem RCD Mallorca gelang nun, was noch keinem Team zuvor in dieser Saison gelungen war. Die Mallorquiner gewannen sowohl gegen Barca (2:1) als auch gegen Real (3:1). Dabei traten die Königlichen am Sonntag mit ihrer besten Mannschaft an und wurden dennoch teilweise vorgeführt. Wie beim 2:1 von Cleber Santana. Der Brasilianer schnappte sich 40 Meter vor dem Tor den Ball, tänzelte fünf Weiße aus und legte die Kugel vom rechten Strafraumeck in den linken Winkel. Mal wieder ein herrlicher Treffer im Bernabeu - vom Gegner.

Mourinho ist nie die zweite Wahl: Jeder verliert auf seine eigene Art und Weise: Der FC Barcelona hat die 0:1-Niederlage gegen Osasuna mit einer großen Fiesta im Camp Nou abgeschlossen. Und während die Cules immer wieder Lieder auf ihren Erzfeind aus Madrid anstimmten, versuchten die Vizemeister ihre enttäuschten Gesichter in ihren weißen Trikots zu verbergen. Euphorie im Camp Nou, Melancholie im Bernabeu. Auch bei der Suche nach einem Nachfolger für Trainer Juande Ramos geben die Königlichen keine gute Figur ab: Arsene Wenger sprang nicht gleich auf das Angebot des voraussichtlich kommenden Präsidenten Florentino Perez an. Dann war Jose Mourinho im Gespräch - und der hat so schon mal überhaupt keine Lust. "Wer am Ende Trainer von Real Madrid sein wird, ist in jedem Fall nur zweite Wahl. Und ich bin für keinen die zweite Wahl. So weit werde ich mich nicht herablassen", meinte "The Special One".

Ligue 1

von Alexis Menuge

Schlechte Erinnerungen: Zwar konnte Girondins Bordeaux gegen den AS Monaco (1:0) den zehnten Sieg in Folge feiern, doch die Elf von Coach Laurent Blanc muss sich mit den Meisterfeierlichkeiten noch eine Woche gedulden. Denn Olympique Marseille hat in Nancy (2:1) seine Meisterchance gewahrt. Und die Marseillais, die seit 1992 keine einzige Trophäe mehr holen konnten, glauben noch an das Wunder. OM spielt zu Hause gegen Rennes, während auf Bordeaux eine schwere Aufgabe zukommt. In der Normandie beim SC Caen wird es alles andere als eine leichte Hürde, denn die sind zum Siegen verdammt, um den Klassenerhalt unter Dach und Fach zu bringen. Und in der vergangenen Saison ging man in Caen mit 0:5 unter...

Nantes versinkt im Chaos: Zum zweiten Mal innerhalb von nur drei Jahren steigt der FC Nantes nach seiner 1:2-Niederlage in Sochaux in die zweite Liga ab. Ein Drama für einen Verein, der acht Mal Meister wurde (zuletzt 2001). Am Sonntag stürmten etwa fünfzig wütende Fans das Trainingsgelände und teilten den Spielern ihre Meinung mit. Sicherheitskräfte mussten intervenieren, um größeren Schaden zu verhindern. Trainer Elie Baup wird höchstwahrscheinlich nach dem letzten Spieltag hinschmeißen. Und Ivan Klasnic, der am Anfang der Saison noch von Europa träumte, wusste vor knapp einem Jahr sicherlich nicht, wo er tatsächlich landet...

Die Oscars der Ligue 1: Jedes Jahr werden die Besten der Ligue 1 gewählt: Auch wenn Marseille derzeit nur Zweiter ist, wurde Erik Gerets zum Trainer Nummer eins gekürt. Bester Spieler ist Frankreichs Nationalspieler Yoann Gourcuff von Girondins Bordeaux. Bei den Keepern ist Lyons Torwart Hugo Lloris der Beste, und der Belgier Eden Hazard vom OSC Lille der größte Hoffnungsträger.

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