Zwischen zwei Pfosten: die Welt

Von Stefan Moser / Leonardo Scheinkman
Lutz, Pfannenstiel, Montage
© spox

München/Santa Catarina - Er selbst hält sich gar nicht für übermäßig talentiert. Zum Toptorhüter in der Bundesliga hätte es wohl nicht gereicht. Also verließ Lutz Pfannenstiel schon im Alter von 18 Jahren seine niederbayerische Heimat - und wurde zum Welttorhüter.

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"Ich habe für insgesamt 22 Mannschaften in der ganzen Welt gespielt", sagt Pfannenstiel im Gespräch mit SPOX.com nicht ohne Stolz, denn: "Damit bin ich der einzige Fußballer, der jemals als Profi auf allen sechs Kontinenten aktiv war."

Seine Reise rund um den Globus führte ihn nach Singapur und Malaysia, nach Südafrika, Kanada und die USA, nach Neuseeland, nach Albanien, England, Finnland und Norwegen.

Und für einen kurzen, schockierenden Moment stand er sogar an der Grenze zum Jenseits.

Herzstillstand auf dem Feld

Es war der 26. Dezember 2002, Pfannenstiel spielte für den englischen Drittligisten Bradford Park Avenue, als er das Knie eines Gegenspielers mit voller Wucht an den Solar Plexus bekam. Herzstillstand.

Noch auf dem Platz wurde Pfannenstiel wiederbelebt, doch erneut blieb sein Herz stehen. Erst im Krankenhaus gelang es den Ärzten, seinen Kreislauf zu stabilisieren.

Hätten sie im Jenseits eine Fußballmannschaft, er hätte sich wohl auch dort zwischen die Pfosten gestellt. Doch er kam wieder auf die Beine - und zurück ins Tor. Bezeichnend für den Fußball-Vagabunden, der auf seiner Odyssee schon einige brenzlige Abenteuer zu bestehen hatte.

100 Tage Haft - verurteilt wegen Wettbetrugs

Wie im August 2000, als Pfannenstiel in Singapur im Gefängnis landete. Er schlief auf nacktem Beton, musste sich mit seinen Mithäftlingen um die tägliche Reisration prügeln - oder eben hungern.

16 Kilogramm hatte er abgenommen, als er nach über 100 Tagen wieder aus der Haft entlassen wurde. "Dagegen ist das Dschungelcamp ein Kindergeburtstag", versichert Pfannenstiel.

Verurteilt wurde er wegen angeblichen Wettbetrugs. Ein Mann hatte ihn in einer Tankstelle angesprochen und gefragt, ob er denn am Wochenende gewinnen würde.

"Wir sind gut drauf und werden gewinnen", antwortete der damals 27-Jährige, "das, was 99 Prozent aller Profis sagen würden. Ich dachte eben, er sei ein normaler Fan."

Vor Gericht behauptete der Mann jedoch später, er habe dem Deutschen 10.000 Dollar für ein Siegversprechen geboten. "Völliger Unsinn", ärgert sich Pfannenstiel noch heute. Und in der Tat ist der Vorwurf geradezu absurd. Sein Team, Geylang United, gewann zwei der fraglichen Spiele, das dritte endete unentschieden. Pfannenstiel hielt gut. Zu gut, sagte der Richter und warf ihn ins Gefängnis.

Angebot vom FC Bayern

Wieder auf freiem Fuß verließ Pfannenstiel Singapur auf schnellstem Wege und wechselte nach Neuseeland, zu Dunedin Technical - und wurde dort mal eben Torhüter des Jahres. "Auch in Norwegen wurde ich einmal Torhüter des Jahres, dazu habe ich in Asien und in Finnland nationale Titel gewonnen", erzählt der Weltenbummler, "besonders stolz aber bin ich auf den Weltrekord mit den sechs Kontinenten."

Zum Globetrotter wurde Pfannenstiel dabei fast zufällig: "Ich hatte das nie geplant, es ist einfach passiert." Dabei wäre er als 18-Jähriger fast beim FC Bayern gelandet. Allerdings nur bei den Amateuren - mit wenig Perspektiven auf einen Profivertrag.

Doch sein Berater hatte eine verlockende Alternative parat: Ein Haus am Meer, ein Dienstwagen und 5000 Dollar pro Monat - bei einem Verein namens Penang Panthers. Pfannenstiel schlug ein und ging nach Malaysia. Von dort nahm seine lange Reise ihren Anfang.

"Ich wurde über den Tisch gezogen"

Heute, 15 Jahre später, scheint sein Lebenswerk vollendet. "Vor ein paar Jahren wurde mir klar, dass mir mit Südamerika nur noch ein einziger Kontinent auf der Liste fehlt", erinnert sich Pfannenstiel, "und ab da habe ich dann alles versucht, um dort einen Klub zu finden."

Er fand ihn in Macae in Brasilien, glücklich wurde er dort jedoch nicht. "Ich wurde einfach über den Tisch gezogen. Ich kam dort an und sollte in einer absoluten Bruchbude hausen, Vereinbarungen wurden nicht eingehalten", so Pfannenstiel.

Er zerriss den Vertrag und suchte weiter. "Schließlich habe ich dann beim CA Hermann Aichinger in Santa Catarina unterschrieben, weil es dort eine große deutsche Gemeinde gibt. Daher auch der ungewöhnliche Vereinsname. Und dort wurde ich dann gut behandelt, hier geht es mir sehr gut." Damit ist er auch der erste Deutsche, der in Brasilien professionell Fußball spielt.

Der Traum von der Bundesliga

Pfannenstiel also am Ende seiner Träume? Beileibe nicht. "Manchmal denke ich, ich habe schon alles erlebt", erzählt der 34-Jährige, "andererseits liebe ich meinen Sport und würde ihn gerne noch bis 40 weiter machen."

Am liebsten noch einmal in Deutschland, dort, wo seine Karriere begann: "Mein Traum ist es, meine Karriere in der Bundesliga zu beenden."

Vorher allerdings hat er noch eine Kleinigkeit zu erledigen, denn immerhin "gibt es noch einen Ort, wo ich noch nie gespielt habe: die Antarktis." Und Pfannenstiel wäre nicht Pfannenstiel, gäbe es nicht schon konkrete Vorbereitungen. Zusammen mit anderen Fußball-Stars plant er am Südpol ein Spiel für karitative Zwecke.

Zum Glück stehen die Chancen wohl eher schlecht, dass sich daraus eine Profiliga im ewigen Eis entwickelt. Denn Pfannenstiel wäre sicher der erste, der einen Vertrag unterzeichnen würde.