Capello lässt die Peitsche knallen

SID
Fabio, Capello, England, Wembley
© Getty

London - Vor seiner Länderspielpremiere gegen die Schweiz im Wembleystadion hat Englands neuer Fußball-Dirigent Fabio Capello neue Saiten aufgezogen.

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Statt der unter Vorgänger Steve McClaren üblichen Kumpelkultur waren beim ersten Training in dieser Woche Nüchternheit und Konzentration angesagt. Und es wird keine Stammplatzgarantien mehr geben bei den "Three Lions", auch keine Rufe nach "Wazza" oder "Stevie G", keine Besuche von Freundinnen und Spielfrauen, keinen Zimmerservice im Spielerhotel.

Die Spieler wurden mit ihren Nachnahmen wie Rooney und Gerrard angesprochen und legten sich ins Zeug, um dem 62-jährigen italienischen Fußballlehrer zu gefallen. Abwehrroutinier Rio Ferdinand (Manchester United) fühlte sich an "den ersten Schultag" erinnert.

Auch beim englischen Fußballverband FA, wo die letzte internationale Titeltrophäe bei der WM 1966 gefeiert wurde, soll mit Nationalcoach Capello neue Professionalität eingezogen sein.

Psychologische Effekte angestrebt 

Dass der neue "Löwenbändiger" von Anfang an "die Peitsche knallen lässt" ("The Times") und die Spieler auf Distanz und in erhöhter Bereitschaft hält, zielt nicht zuletzt auf psychologische Effekte. Denn anders als die enttäuschende Truppe, die im November mit einer 2:3-Heimpleite gegen Kroatien die Europameisterschaft 2008 verpasste, wird auch Capellos neue Elf kaum aussehen.

Der 21-jährige Stürmer Gabriel Agbonlahor (Aston Villa), Cappellos einzige Neuberufung, musste verletzungsbedingt absagen. An seiner Stelle wurde Jermain Defoe (FC Portsmouth) nachnominiert, der bis zu seinem kürzlichen Wechsel bei Tottenham Hotspur meist nur auf der Bank saß, am Wochenende aber prompt gegen Michael Ballacks FC Chelsea traf und den zehnten "Blues"-Sieg in Serie vereitelte.

Wegen Verletzungen fehlen auch der bisherige Kapitän und Abwehrchef John Terry und Mittelfeldstar Frank Lampard, der Einsatz von Shaun Wright-Phillips ist fraglich.

Exempel an Beckham statuiert 

Allerdings signalisierte schon die Nichtberücksichtigung von David Beckham (Los Angeles Galaxy) Capellos Entschlossenheit, bei der Spielerauswahl nur auf Leistung und nicht auf Ruhm zu setzen. Beckham, der gegen die Schweiz auf seinen 100. Länderspieleinsatz gehofft hatte, bestritt seit drei Monaten kein Spiel mehr, da die US-Liga erst im März wieder beginnt.

Für Becks ist im allein am Erfolg orientierten Konzept des Italieners, der mit Spitzenklubs wie Real Madrid oder Juventus Turin neun nationale Meisterschaften gewann, derzeit kein Platz. Profitieren könnte davon der 23-jährige David Bentley (Blackburn Rovers), der schon als "neuer Beckham" gehandelt wird.

Gerrard lobt den Trainer 

Die Botschaft von Capello, der den Spielern seine Startaufstellung erst kurz vor Matchbeginn mitteilen will, scheint bereits angekommen. "Er ist ein Sieger", meinte Steven Gerrard (FC Liverpool), der wahrscheinlich provisorisch die Kapitänsbinde tragen wird, "gewinnen war eines seiner ersten Worte. Er hat die Aura eines Top-Trainers, und er will der Mannschaft Siegermentalität einhauchen. Von individuellen Spielern war keine Rede. Es ging darum, dass das Team Erfolg hat."

Wie viel die England-Stars, gewöhnt an die Vergötterung durch die Boulevardmedien, davon schon verinnerlicht haben, wird sich in Wembley zeigen.