Leidenschaftlich ist gar kein Ausdruck

Von Christian Bernhard
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© Imago

München - 5. Juli 1984. Das San Paolo Stadion in Neapel ist voll. Bis auf den letzten Platz gefüllt. 80.000 Menschen. Auf dem Rasen wird aber gar nicht gekickt, der Papst hält auch nicht Stippvisite. Es wird ein neuer Spieler vorgestellt. Sein Name: Diego Armando Maradona.

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Es war der Beginn einer der heißesten Liebesgeschichten der Fußballhistorie. Sechs Jahre später hatte der SSC Napoli zwei Meistertitel und einen Uefa-Cup mehr in der Vitrine.

Fußball in Neapel. Mehr als eine Religion. An kaum einem anderen europäischen Ort wird Fußball so gelebt wie in der Hauptstadt Kampaniens. An den Hauswänden in den kleinen verwinkelten Gassen ist Maradona auch heute noch omnipräsent. 23 Jahre später.

50.000 Zuschauer in der dritten Liga

Dementsprechend hart waren die letzten sechs Jahre für die Tifosi. Seit der Saison 2000/2001 gab es keinen Serie A-Fußball mehr in Neapel. Eine sehr lange Zeit für die Fans. Ein Albtraum.

Der ging im Juni mit dem Aufstieg zu Ende. Endlich wieder Serie A, endlich wieder die großen Duelle mit Juve und Milan. Nicht dass die Fans der Mannschaft in den dunklen Jahren nicht die Treue gehalten hätten. Gegen Vereine wie Cittadella oder Fermana pilgerten auch in der Serie C 50.000 Mann ins Stadion. Bedingungslose Liebe eben.

Doch diese Zeit ist jetzt vergessen. Napoli träumt wieder. Präsident Aurelio de Laurentiis hat Großes vor. "Wir setzen uns kein bestimmtes Ziel. Wir wollen überall mitmischen." Solche Ansagen wollen die Menschen in Neapel hören.

Der Beginn kann sich sehen lassen. Auf die 0:2-Heimniederlage zum Auftakt gegen Cagliari folgten zwei Siege mit 7:0-Toren. So lieben es die Neapolitaner. Und auch der Trainer Edy Reja ist mehr als zufrieden: "Von dieser Mannschaft habe ich geträumt."

Wieder ein Südamerika-Block

Wie schon zu Maradonas Zeiten haben auf dem Rasen Südamerikaner das Zepter in der Hand. Im Mittelfeld zieht der Uruguayaner Walter Gargano die Fäden, im Sturm netzen sein Landsmann Marcelo Zalayeta und der Argentinier Ezequiel Lavezzi ein.

Zalayeta wechselte kurz vor Transferschluss von Juventus Turin an den Vesuv. Der Transfer wurde von vielen belächelt. Er sei nicht mehr als ein Auswechselspieler, langsam und ungelenk. In drei Spielen hat er dreimal getroffen.

Sein Sturmpartner Lavezzi hat gegen Udinese einmal getroffen, zwei Vorlagen geliefert und ordentlich gewirbelt. Er hat lange Haare und den Körper voll mit Tattoos. Elf an der Zahl. Und das zwölfte soll bald folgen: Das Wappen des SSC Napoli. Die Parallelen mit Maradona waren schnell gezogen. So sind die Neapolitaner.

Auf der Bank sitzen noch der dritte Uru Mariano Bogliacino, der Argentinier Roberto Sosa und Ruben Maldonado aus Paraguay. Die südamerikanische Herkunft verpflichtet in Neapel eben. Und die Latinos lieben die Stadt und den Verein.

Auch Cannavaro zieht es wieder an den Vesuv

Auch die Fußballprofis, die aus Neapel stammen, aber ihr Geld irgendwo anders in Italien verdienen, lieben den Klub. Pasquale Foggia ist einer von ihnen. Am ersten Spieltag traf der gerade eben zum Nationalspieler aufgestiegene für Cagliari im San-Paolo-Stadion. Er jubelte nicht. Aus Respekt. Und aus Liebe zum hellblauen Trikot.

Fabio Cannavaro ist auch ein waschechter Neapolitaner. Er ist Weltmeister, spielt bei Real Madrid im Bernabeu und verdient viel Geld. Oft genug hat er aber betont, dass er seine Karriere dort beenden wird, wo er sie begonnen hat. In Neapel. Vor seinen Fans. In seinem Stadion.

Übrigens: Als Maradona, Sekunden nach dem Meistertitel in der Saison 1986/1987, auf dem Feld verkündete, dass Neapel sein Zuhause sei, war Fabio Cannavaro Balljunge im San Paolo. Kein Wunder, dass er dort noch mal spielen will. Vielleicht sogar zusammen mit seinem kleinen Bruder Paolo. Der spielt jetzt schon bei den Hellblauen.