Gut, aber noch nicht gut genug

Von Für SPOX bei der Nationalmannschaft: Daniel Börlein
Die deutsche Nationalmannschaft stürmte ohne Punktverlust ins WM-Viertelfinale
© Getty

Die deutsche Nationalmannschaft steht im WM-Viertelfinale und trifft dort auf Japan (20.30 Uhr im LIVE-TICKER). Bislang zeigte das Team von Bundestrainerin Silvia Neid Licht und Schatten. Was war bislang gut und was muss besser werden? Die deutsche Elf in der Analyse.

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+ Das Spiel gegen den Ball

Vor allem in den ersten beiden Spielen tat sich das deutsche Team schwer, spielerische Momente zu erzeugen und Chancen heraus zu kombinieren. Dass die Neid-Elf dennoch in jeder Partie überlegen war und immer wieder zum Abschluss kam, lag vor allem am Spiel gegen den Ball. Auf frühzeitiges Pressing verzichtete die deutsche Mannschaft dabei.

Vielmehr versuchte man, die gegnerische Viererkette bei kontrolliertem Spielaufbau so anzulaufen, dass sich die ballführende Spielerin für einen Flachpass ins zentrale Mittelfeld entschied. Kam dieser Ball, wurde in hohem Tempo mit mindestens zwei Leuten attackiert, meist durch eine Sechserin und eine der offensiven Mittelfeldspielerinnen und damit von vorne und hinten.

Gleichzeitig schob die eigene Viererkette im Verbund nach vorne, um den Raum zwischen Mittelfeld und Abwehr nicht zu groß werden zu lassen. Die Folge waren viele Ballgewinne weit in der gegnerischen Hälfte, häufig zentral vor dem Tor und damit in der aussichtsreichsten Position für den schnellen Gegenangriff.

+ Das Raumverhalten der Viererkette

Die deutsche Innenverteidigung hat ein Problem: Sowohl Saskia Bartusiak als auch Annike Krahn sind nicht die schnellsten. Umso wichtiger ist, dass beide ein gutes Stellungsspiel an den Tag legen. Bislang funktioniert das sehr gut. Krahn ist die lautstarke Chefin der Viererkette. Die 25-Jährige sagt an, wann sich die deutsche Abwehr nach vorne bewegt, tief fallen lässt oder seitlich verschiebt. An ihr orientieren sich die anderen drei Glieder der Kette.

Zwar ließ die deutsche Defensive im bisherigen Turnierverlauf auch schon die eine oder andere Gelegenheit zu, was aber eher auf individuelle Nachlässigkeiten denn auf gruppentaktisches Fehlverhalten zurückzuführen war. In der Viererkette werden die Abstände zwischen den einzelnen Spielerinnen zuverlässig gehalten, selten reißen Lücken auf.

Kein Wunder also, dass das deutsche Team bislang noch keinen Treffer aus dem Spiel heraus kassierte. Einziges Manko: Die Neid-Elf spielt quasi nie auf Abseits. Weil dadurch die Wege in der Rückwärtsbewegung weiter werden, ist der läuferische Aufwand für alle Mannschaftsteile sehr hoch.

+ Die Flexibilität

Die hohe Qualität des Kaders macht sich bislang bezahlbar. Schwächelt jemand, wie zuletzt Birgit Prinz, stehen gleichwertige Alternativen (Grings, Popp) parat. Braucht jemand eine Pause (z.B. Behringer), wird sie eins zu eins ersetzt. Diese Flexibilität ist bislang auch auf dem Platz eine große Stärke. Das deutsche Team ist nur schwer auszurechnen.

Bei Standards gibt es beispielsweise mit Kulig, Garefrekes, Laudehr, Bartusiak, Popp und Krahn gleich eine ganze Reihe von gefährlichen Spielerinnen, die je nach Bedarf von Grings, Peter, Bresonik, Bajramaj oder Behringer bedient werden können.

Auch aus dem laufenden Spiel heraus kann die Neid-Elf jederzeit variieren und damit auf Spielsituationen reagieren. Mal taucht Okoyino da Mbabi im Sturmzentrum auf, mal lässt sie sich fallen und kommt aus der zweiten Reihe. Auf den Flügeln können Behringer, Garefrekes und Bajramaj links wie rechts ran. Und im Mittelfeld sichert Laudehr auch mal ab und gibt dadurch Kulig die Möglichkeit, sich einzuschalten.

- Das Verhalten bei eigenem Ballbesitz

Offensiv krankt das deutsche Spiel bislang phasenweise. Es gibt kaum Varianten und so gut wie keine Überraschungsmomente. Ein Grund: Die Außenverteidiger (v.a. Bresonik/Schmidt auf rechts) schalten sich zu selten nach vorne ein, die offensiven Außen halten zu konsequent den Flügel.

Bewegung entstand nur dann, wenn Laudehr mit Tempo aus dem Mittelfeld in die Spitze ging oder die einzige Stürmerin mit der offensiven Mittelfeldspielerin rochierte, was viel zu selten der Fall war. Mit der Hereinnahme von Bajramaj gegen Frankreich wirkte Neid diesem Problem ein wenig entgegen, auch Grings orientierte sich mehr aus dem Sturmzentrum heraus. Noch allerdings nicht konsequent genug.

Zudem tut sich die deutsche Elf schwer, das Spiel aus der eigenen Hälfte zu eröffnen. Durch die fehlende Bewegung hatten es die Gegnerinnen bislang leicht, die Räume zuzustellen und einfache Passwege zu schließen.

Für den ersten Ball aus der Abwehr bieten sich meist nur die beiden Sechser an, die dann allerdings mit dem Rücken zum gegnerischen Tor sofort unter Druck stehen. So blieb bislang oft nur der lange Ball zur Spieleröffnung, der häufig schlecht gespielt (weil unpräzise) oder technisch schlecht verarbeitet wurde.

- Die Kompaktheit zwischen den Mannschaftsteilen

Was in der Viererkette sehr gut klappt, funktioniert zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen noch nicht richtig. Die Abstände zwischen Abwehr, Mittelfeld und Angriff sind bislang häufig zu groß, vor allem wenn schnell umgeschaltet werden muss.

Gerade in der Mittelfeldreihe stehen dann auch die einzelnen Spielerinnen zu weit auseinander und können sich dadurch nicht gegenseitig absichern. So wird das Spielfeld in Länge und Breite viel zu groß, um es möglichst gut kontrollieren zu können. Die Folge sind lange Wege und ein unnötig hoher Aufwand.

Ein Großteil dieses Aufwands bleibt, wenn schnell auf Defensive umgeschaltet werden muss, meist an der deutschen Doppelsechs hängen. Denn: Die Flügelspielerinnen rücken oft nicht oder erst zu spät nach innen ein, die offensive Mittelfeldspielerin und die Stürmerin setzen nicht konsequent genug nach.

Dass die deutsche Elf dennoch bislang auch bei schnellen Gegenstößen viele Bälle gewinnt, liegt vor allem an der Laufstärke Laudehrs, die viele Lücken schließt und dem guten Stellungsspiel von Kulig, die das Zentrum absichert und viele Situationen gut antizipiert.

- Die technischen Feinheiten

Das deutsche Team macht sich das Leben häufig selbst schwer, auch weil die DFB-Frauen bislang viele technische Unzulänglichkeiten zeigen. In den ersten beiden Partien taten sich Okoyino da Mbabi und Prinz schwer, im Sturmzentrum Bälle festzumachen. Häufig war das Spielgerät nach der (unsauberen) Ballannahme schon wieder weg.

Grings behauptete sich gegen Frankreich deutlich besser und versuchte zudem, durch direktes Spiel Tempo ins Spiel zu bringen. Viel zu oft landeten diese Versuche allerdings beim Gegner.

Da Mbabi, Laudehr und Kulig erkämpfen sich zentral zwar viele Bälle, schenken diese allerdings immer wieder viel zu schnell her, weil einfache Pässe über wenige Meter ihren Abnehmer nicht finden.

In der Viererkette sind vor allem Krahn und teilweise auch Bartusiak nicht in der Lage, in Bedrängnis spielerische Lösungen zu finden. Häufig wird der Ball nur geschlagen, flüssige Kombinationen ausgehend von der eigenen Abwehr bis in den Angriff sind deshalb bislang die Seltenheit.

Der Spielplan zur Frauen-WM 2011