"Selbstbewusst, frech und witzig"

Von Für SPOX bei der Frauen-WM: Daniel Börlein
Kim Kulig (l.) und Alexandra Popp sind Teil der neuen Generation bei den DFB-Frauen
© Getty

Birgit Prinz kennt in Deutschland fast jeder Fußball-Fan. Doch lange Zeit war sie die einzige Frauen-Fußballerin, die das von sich behaupten konnte. Das hat sich nun geändert - dank einer neuen Spielerinnen-Generation. Die jungen Wilden gehen abseits des Platzes neue Wege und sind auf dem Rasen schon fast unverzichtbar. Das wird sich auch heute im zweiten Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft bei der Frauen-WM gegen Nigeria (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) zeigen.

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Diese eine Anekdote aus ihrer Kindheit verrät viel über Birgit Prinz. Bei einem Jugendspiel - Birgit müsste damals etwa elf Jahre alt gewesen sein, erzählt ihr Vater Stefan - war ihre Mannschaft dem Gegner haushoch überlegen. Der SV Dörnigheim, Prinz' erster Klub, führte nach ein paar Toren der Angreiferin bereits zweistellig und spielte mit dem gegnerischen Team Katz' und Maus.

Plötzlich, sagt Stefan Prinz, habe sich seine Tochter aus dem Sturmzentrum nach hinten fallen lassen. Sie habe unerklärliche Fehler gemacht und dem Gegner dadurch das ein oder andere Tor zur Ergebniskosmetik ermöglicht. Vater Prinz traute seinen Augen nicht, doch er verstand, was seine Tochter im Sinn hatte. "Sie wollte, dass sich die anderen nicht allzu schlecht fühlten."

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Birgit Prinz wollte nicht um jeden Preis glänzen. Damals nicht - und heute nicht. Die mittlerweile 33-Jährige braucht niemanden, der ihr dauernd anerkennend auf die Schulter klopft.

Prinz: Karriereende vor Augen

Längst ist sie eine Legende im Frauen-Fußball, die bekannteste deutsche Kickerin überhaupt und eine der Besten aller Zeiten weltweit. Es kümmert sie wenig. Stets hat sie sich als Teil der Mannschaft gesehen, als jemanden, der seinen Teil zum großen Ganzen beisteuert. Mehr nicht.

Nun hat Prinz ihr Karriereende vor Augen. Die Spiele bei der WM werden zumindest im DFB-Dress ihre letzten sein. Die Überfliegerin früherer Jahre ist sie inzwischen nicht mehr. Die Alleinunterhalterin hat Zuwachs bekommen. Und das gefällt ihr.

"Ich begrüße das sehr, dass andere auch Gesichter des Frauen-Fußballs werden. Es ist dringend nötig, dass das passiert", sagt sie, die jahrelang die einzige deutsche Frauen-Fußballerin war, die einer breiten Öffentlichkeit bekannt war.

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"Das Image hat sich gewandelt"

Mittlerweile sind den meisten Fußball-Fans auch die Namen Lira Bajramaj, Alexandra Popp oder Kim Kulig ein Begriff. Das Trio ist Teil einer neuen Generation im deutschen Frauen-Fußball, die auch in der Öffentlichkeit ganz anders wahrgenommen wird.

"Das Image des Frauen-Fußballs hat sich nahtlos vom Image des Mannsweibs zum Image der sexy Kickerinnen gewandelt", sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Daniela Schaaf von der Deutschen Sporthochschule Köln.

Die jungen Mädels haben das verstanden. Es geht nicht mehr nur um Fußball, sondern auch um Medien-Präsenz, Sponsorenverträge und die damit verbundene Werbung für den Frauen-Fußball in Deutschland.

Hingst: "Eine andere Generation"

"Es ist eine andere Generation, die schon mit den Medien groß wird", sagt Ariane Hingst im Gespräch mit SPOX. "Wir haben das damals erst langsam angestoßen und die kommen jetzt direkt in diese Welt rein und gehen deshalb natürlich auch anders damit um."

Auftritte in der Öffentlichkeit gehören längst zum Alltag von Kulig und Co. Selbstsicher und rhetorisch einwandfrei präsentieren sich die Jung-Nationalspielerinnen dabei, "ein bisschen witziger eben" als die Generationen davor, sagte Silvia Neid vor kurzem in der "FAZ".

Der Bundestrainerin selbst gefällt, dass sich die jungen Spielerinnen nicht verstecken. "Wir haben jetzt das Glück, dass wir ganz viele gute Spielerinnen haben, die sich sehr gut nach außen präsentieren. Weil sie etwas zu erzählen haben - und weil sie auch gut erzählen können."

Als "selbstbewusst, frech - zur rechten Zeit", beschreibt Neid die neue Generation im DFB-Team. "Aber auch lernwillig und sehr aufmerksam." Das ist der Bundestrainerin wichtig. Denn noch immer steht der sportliche Erfolg an erster Stelle.

Junge überzeugen auch sportlich

Und dazu leisten die jungen Wilden inzwischen einen nicht unerheblichen Beitrag. Elf der 15 Testspieltreffer in der WM-Vorbereitung wurden von Popp (5), Okoyino da Mbabi (3) und Kulig (3) erzielt.

Im aktuellen WM-Kader stehen acht Spielerinnen, die 23 Jahre oder jünger sind. Mit Kulig, Babett Peter und Okoyino da Mbabi standen drei davon beim WM-Auftakt gegen Kanada in der Startelf, Popp und Bajramaj wurden eingewechselt.

"Wir haben beim DFB inzwischen eine sehr gute Nachwuchsarbeit. Wir spielen seit der U-15-Nationalmannschaft das gleiche System und hatten taktisch sehr gut ausgebildete Trainer", erklärt Kulig im Gespräch mit SPOX. "So kamen wir schon taktisch geschult in die A-Nationalmannschaft. Das hat uns auf jeden Fall geholfen."

Hingst: "Besseres taktisches Verständnis"

Früher war das noch anders. "Ich hatte damals zwei U-16-Spiele, dann noch eines in der U 19 und dann war man schon in die A-Mannschaft", sagt die 31-jährige Hingst, die seit 1996 im Nationalteam spielt. "Die kommen heute schon ganz anders geschult und mit einem besseren taktischen Verständnis, was wirklich ein großes Plus ist."

Bei der WM sieht man das. Eine Kulig beherrscht auf der Doppelsechs neben Simone Laudehr das Mittelfeld, eine Okoyino da Mbabi glänzt als Vollstrecker und eine Popp überzeugt als unbekümmerter Joker.

Die nächste Generation ist angekommen in der Nationalelf. Das merkt man auch beim Training. "In den Trainingsspielen alt gegen jung ist es grundsätzlich immer sehr ausgeglichen", verrät Kulig. "Aber in den Torschuss-Spielen sind die Älteren schon noch abgezockter."

Auch Birgit Prinz kennt dann keine Gnade. Anders als damals in der Jugend. Denn nun sind ihre Gegenüber ebenbürtig.

Der Kader der deutschen Frauen-Nationalmannschaft