Zwischen Zwangsheirat und Liebe zum Spiel

Von Stefan Moser
Südasien-Meisterschaften in Bangladesch: Sana Mahmud führt Pakistans Nationalteam aufs Feld
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"Meine Eltern machen sich höchstens Sorgen, dass durch den Fußball das Studium zu kurz kommt. Abgesehen davon aber stehen sie voll hinter mir und unterstützen meine Liebe zum Sport", erzählt Sana. "Es ist ein Segen, so eine Familie zu haben. In der Regel kommen sie alle - Eltern, Geschwister, Tanten und Cousins -, um mich spielen zu sehen. Sie sind stolz auf mich."

Seit 2005, dem Jahr des ersten Marathons in Lahore, gibt es in Pakistan einen eigenen Ligabetrieb für Frauen. Ungefähr 16 Teams nehmen jährlich an der Meisterschaft teil, überwiegend institutionelle Werksmannschaften, wie etwa die der Eisenbahngesellschaft oder der öffentlichen Energieversorger.

"Ein Mädchen spielte heimlich"

Anders als bei den Laufwettbewerben nahmen die Mullahs vom Frauenfußball aber bislang keine Notiz. Überhaupt nimmt kaum jemand Notiz davon. Vor allem keine Sponsoren aus der Wirtschaft.

Cricket ist seit der Zeit der britischen Kolonialherrschaft in Pakistan der beliebteste Volkssport. Der Fußball interessiert die meisten höchstens alle vier Jahre während der Weltmeisterschaften. So konnte er aber immerhin noch nicht zum Politikum werden.

Die kulturellen und religiösen Eigenheiten sowie die damit verbundenen Probleme sind natürlich trotzdem spürbar. "Es gab in der Nationalmannschaft ein Mädchen, das anfangs sogar heimlich spielen musste", erinnert sich Sana: "Ihr Vater war gestorben und ihr älterer Bruder erlaubte ihr nicht, zum Fußball zu gehen. Also schlich sie sich mit Hilfe ihrer Mutter nach der Schule aus dem Haus und ging zum Training."

Sie begann heimlich eine erfolgreiche Karriere, und als ihre Brüder sie eines Tages erwischten, konnte sie sie mit ihren Leistungen tatsächlich überzeugen. "Inzwischen unterstützen sie ihre Brüder sogar. Sturheit zahlt sich eben manchmal aus."

"Solange wir keine Burka tragen müssen"

Mit einer Mischung aus Sturheit und Gelassenheit nimmt Sana auch die Einschränkungen in Kauf, mit denen sie als Sportlerin in Pakistan leben muss. So ist es immer wieder eine Herausforderung, überhaupt geeignete Trainingsplätze zu finden, weil das entsprechende Gelände möglichst von vier geschlossenen Wänden vor den Blicken von der Straße geschützt sein soll.

"Eine weit verbreitete Angst der Männer scheint zu sein, dass ihre Mädchen sich verlieben könnten und deshalb ihren Ehemann plötzlich selbst frei wählen wollen", erklärt Sana: "Die Töchter aus solchen Familien dürfen - wenn überhaupt - nur ordnungsgemäß bedeckt aus dem Haus. Was denken die wohl, wenn Frauen plötzlich in Sportklamotten auf der Wiese herum hüpfen, während Männer dabei zusehen?"

Die junge Nationalspielerin macht sich durchaus ihre Gedanken, über die Art wie Frauen wahrgenommen und behandelt werden. Doch sie empfindet es auch als Ehre, das Trikot ihres Landes tragen zu dürfen. Und akzeptiert die speziellen Vorschriften, die sie dabei beachten muss, auch als Teil ihrer Kultur. Die Mädchen tragen während der Länderspiele Dreiviertel-Hosen, die weit über das Knie fallen, und lange Strümpfe.

"Grundsätzlich zeigen wir keine Haut", sagt Sana. "Aber die Kleider sind bequem. Solange wir nicht gezwungen werden, unpraktische Sachen wie eine Burka zu tragen, ist es für mich okay. Ich trage ja auch sonst keine eng anliegenden Kleider an öffentlichen Orten. Denn ich finde, man sollte die kulturellen Befindlichkeiten immer im Kopf behalten und entsprechende Gefühle nicht verletzen. Das scheint mir schließlich auch der einzige Weg zu sein, um überhaupt zu den Leuten durchzudringen und sie dazu zu bringen, den Frauensport in Pakistan anzuerkennen."

Eine Deutsche leistet Pionier-Arbeit

Sie selbst sieht sich in ihrer Rolle auch nicht als politische Aktivistin im Kampf gegen die Diskriminierung der Frauen. Sie habe sich ganz einfach nur "in den Fußball verliebt". Trotzdem ist sie sich sicher, dass gerade ein Mannschaftssport, in dem Zusammenhalt und Teamgeist ebenso gefordert sind wie Durchsetzungsvermögen und Kraft, dazu beitragen kann, die sozialen Kompetenzen und das Selbstvertrauen der Frauen ebenso zu stärken wie ihre Lebensfreude.

Ganz ähnlich argumentiert übrigens auch Monika Staab. Im Auftrag der FIFA organisierte die deutsche Trainerin, die zuvor in Frankfurt unter anderem Birgit Prinz zur Weltklassespielerin geformt hat, 2007 mehrere Trainingscamps in Pakistan und betreute für einige Monate die Nationalmannschaft.

"Das lief natürlich alles ganz anders ab als zu meiner Zeit in Deutschland. Und leider kamen die geplanten Länderspiele gegen Afghanistan damals auch nicht zustande. Aber wenn man merkt, dass man den jungen Frauen so viel geben kann, das Lächeln und Funkeln in deren Augen sieht, die Leidenschaft und den Einsatzwillen, dann ist das einfach umwerfend", schwärmt die heute 50-Jährige von ihrer damaligen Aufgabe.

Sie ist sich sicher: "Wir haben dort in Pakistan etwas Tolles auf den Weg gebracht, und ich bin zuversichtlich, dass sich die Entwicklung dort fortsetzt. Denn der nationale Verband steht mittlerweile auch dahinter."

Der Erfolg der Cricket-Frauen

Das beste Beispiel für den möglichen Erfolg eines solchen Projekts lieferten erst kürzlich die Cricket-Spielerinnen aus Pakistan, die bereits seit 1997 eine eigene Nationalmannschaft aufstellen. Während die Fußballerinnen im Dezember 2010 erst zum zweiten Mal überhaupt zu einem internationalen Turnier in Bangladesch aufbrachen, kehrte die Cricketmannschaft gerade von den Asienspielen aus China zurück - mit der Goldmedaille im Gepäck.

Den Vorsitz der weiblichen Sektion im pakistanischen Cricketverband hält inzwischen übrigens Bushra Aitzaz - die mutige Läuferin vom Liberty Square in Lahore im Mai 2005.

Auf den Sieg ihrer Mannschaft angesprochen hat sie wieder ihr stolzes Lächeln auf dem Gesicht: "Frauencricket ist damit in Pakistan angekommen. Es wird wahrgenommen und akzeptiert. Wir haben immer noch nicht die gleiche Unterstützung und die gleichen Bedingungen wie unsere männlichen Kollegen. Aber trotzdem hat uns diese Goldmedaille auf eine Ebene mit ihnen gebracht." Selbst Staatspräsident Asif Ali Zardari habe ihr umgehend gratuliert. Negative Kommentare jedenfalls gab es seither keine mehr.

"Blöde Sprüche gibt es überall auf der Welt"

Auch für die Fußballerinnen gebe es mittlerweile von vielen Männern durchaus positive Reaktionen, berichtet Sana Mahmud. Offene Anfeindungen oder gar Drohungen habe sie selbst hingegen noch nicht erlebt.

"Natürlich stehen manchmal auch Typen am Rand, die uns angaffen und anzügliche Bemerkungen über unsere Körper machen. Oder es kommt dieses spöttische Gerede, dass Frauen doch niemals einen Männersport wie Fußball betreiben könnten", sagt sie - und weiß auch: "Aber diesen unsinnigen Vergleich und die blöden Sprüche gibt es wohl leider überall auf der Welt."

Und außerdem, meint Sana, sei gesellschaftlicher Wandel schließlich kein "instant coffee". Sondern ein langer, schwieriger Weg, der viel Vorbereitung und noch mehr Ausdauer verlangt. Eine Art Marathon-Lauf eben.

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