Zwischen Sozialamt und Weltmeisterschaft

Von Thomas Jahn
Trägt seit 2004 das Trikot des 1. FFC Frankfurt: Nationalspielerin Kerstin Garefrekes
© Getty

Kerstin Garefrekes vom 1. FFC Frankfurt führt ein Doppelleben zwischen Leistungssport und Verwaltungsjob. Dabei widerlegt die introvertierte 31-Jährige spielend sämtliche Thesen eines "satten" Profis. Die nötige Kraft dafür schöpft sie aus einem äußerst außergewöhnlichen Hobby.

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Wer in Hessen einen ausgedehnten Waldspaziergang macht, der hat eine durchaus realistische Chance dabei auf Kerstin Garefrekes im Wanderoutfit zu treffen.

Einen Hund, der ausgeführt werden müsste, hat die 31-jährige Nationalspielerin allerdings nicht. Garefrekes ist leidenschaftliche Anhängerin des Geocachings, einer elektronischen Schnitzeljagd, bei der Verstecke mit Hilfe von GPS-Koordinaten gefunden werden sollen.

"Der Reiz ist, dass es total flexibel ist. Manchmal wird man zu historischen Bauwerken geführt, die man so nie kennen würde. Manchmal ist man in der Natur unterwegs und erlebt schöne und unbekannte Plätze", schwärmt Garefrekes gegenüber SPOX.

Das Unvorhersehbare, der Weg ins Unbekannte reizt die Mittelfeldspielerin ungemein: "Es kann vorkommen, dass man im Wald irgendwelche Bäume hochklettern, einen Abhang hinunterrutschen oder in eine Höhle steigen muss."

Schicksalsengel für Obdachlose

Dabei lässt der oberflächliche Blick auf Garefrekes' Vita alles andere als den Hang zu großer Abenteuerlust vermuten. Nach dem Abitur ließ sich die gebürtige Westfälin in Rheine als Stadtinspektorin ausbilden, arbeitete anschließend zwei Jahre im Sozialamt. Dort entschied sie über das Schicksal von Obdachlosen, bewilligte und lehnte Anträge auf Sozialhilfe ab.

Für Garefrekes eine harte, aber im Rückblick "sehr lehrreiche" Zeit, in der sie auch als Seelsorgerin gefragt war. "Wenn jemand vor dem Schreibtisch sitzt und erklärt, warum er jetzt 8,50 Euro haben will, werden eben viele Probleme und Lebensumstände offen gelegt", sagt sie.

In dieser Phase lernte sie zu schätzen, wie gut es ihr selbst und ihrem Umfeld ergangen ist. Und dass dieser Zustand eben nicht selbstverständlich ist.

Pendeln zwischen zwei Welten

Nach dem Wechsel zum 1. FFC Frankfurt im Jahr 2004 studierte Garefrekes Public Management, inzwischen arbeitet sie in der Stadtkämmerei Frankfurt. Komplikationen zwischen dem Leben als Leistungssportlerin und dem Schreibtischjob gibt es für sie nicht - ganz im Gegenteil.

"Der Sport ist ein toller Ausgleich, wenn man im Büro über irgendeinen Paragraphen nachgedacht hat. Andersherum ist es auch schön, dass man eben nicht nur auf dem Platz steht, sondern zusätzlich auch kopfmäßig gefordert ist. Für mich gehört beides dazu", meint Garefrekes. Nach ihrer Fußballerlaufbahn will sie sich dann aber voll und ganz dem Job in der Stadtverwaltung widmen.

Aktuell verschwendet Garefrekes jedoch keinen Gedanken an das Ende ihrer sportlichen Karriere. Und das, obwohl sie als zweifache Welt- und Europameisterin, dreifache deutsche Meisterin sowie DFB-Pokal- und UEFA-Cup-Siegerin im Prinzip alles erreicht hat, was im Fußball erreichbar ist.

Titel als Motivationshilfe

Doch der Titelhunger der ehrgeizigen Garefrekes ist noch längst nicht gestillt: "Wenn man einmal Weltmeister geworden ist, dann weiß man beim nächsten Mal, wie toll das Erlebnis ist, Weltmeister zu sein. Man weiß, wie gut sich das anfühlt und wie schön die Reaktionen darauf sind. Dementsprechend motiviert einen das für die nächsten Turniere."

Mit ihren 31 Jahren arbeitet Garefrekes weiter verbissen daran, ihr fußballerisches Leistungsvermögen auszubauen.

"Vielleicht sind bestimmte Bereiche ausgereizt, aber trotzden gibt es Dinge, die ich noch verbessern kann. Ich könnte mich nicht täglich motivieren, nur um den Status Quo zu halten. Gerade im technischen und taktischen Bereich gibt es immer etwas zu tun", sagt die Nationalspielerin.

"KG" wider Willen

Eine Lautsprecherin oder Freundin großer Gesten ist Garefrekes auf dem Platz sicher nicht. Vor Spielen geht die introvertierte Fußballerin tief in sich, versucht Ruhe und Konzentration zu finden.

Ihr Torjubel fällt eher in die Kategorie "besonnen". Auch privat fasst sie die Dinge zumeist unaufgeregt an: "Ich gege eben relativ gelassen durch die Gegend. Da muss viel passieren, damit ich die Beherrschung verliere."

Selbst den ungeliebten Spitznamen "KG", den ihr Mitspielerinnen verpassten, nimmt Garefrekes, die für ihren trockenen, westfälischen Humor bekannt ist, mit Fassung hin. Vielleicht auch deshalb, weil sie nach einem Trainingstag schnell vom Fußballleben abschalten kann und will.

WM 2011: "Möglichst weit kommen"

Für Garefrekes gibt es auch fernab des Rasensports "genug wichtige Themen, mit denen man sich beschäftigen kann". Ihr Blick schweift ständig über den Tellerrand.

Im nächsten Jahr könnte dieser Zustand sich aber für einige Wochen maßgeblich ändern. Schon jetzt fiebert "KG" der WM 2011 im eigenen Lande entgegen.

"Ich hoffe, dass ich dabei sein werde, dass die Stadien voll sind und wir tatkräftig unterstützt werden. Wir als Mannschaft müssen dann versuchen, diese Unterstüzung in positive Energie umzuwandeln und möglichst weit zu kommen", sagt sie. Und auch wenn am Ende ihr dritte WM-Titel steht, wird Garefrekes einige Tage darauf wieder unaufgeregt am Schreibtisch sitzen.

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