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Klopps erstes Experiment

Im Sommer 2010 wechselte Lukasz Piszczek (M.) von Hertha BSC ablösefrei zu Borussia Dortmund
© getty

Ex-Trainer Jürgen Klopp funktionierte Lukasz Piszczek bei Borussia Dortmund einst zum Rechtsverteidiger um und entwickelte ihn zu einem der Besten seines Fachs. Das Champions-League-Finale 2013 stellte für den polnischen Nationalspieler eine Zäsur in seiner Karriere dar. Doch Piszczek blieb hartnäckig.

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Es war am vergangenen Donnerstag nach Abpfiff dasselbe Spiel, das man so oft in der Mixed Zone beobachten kann, nachdem Borussia Dortmund gekickt hat. Während einige BVB-Spieler vor den Mikrofonen und Kameras die zurückliegende Partie beurteilten, huschte Lukasz Piszczek beinahe unbemerkt an allen vorbei Richtung Ausgang.

Das öffentliche Reden ist nicht seins, das ist nach neun Jahren in der Bundesliga simpel zu konstatieren. Doch nach dem 1:1 gegen den FC Liverpool war es Piszczek, der das bereits beschriebene Kaffeekränzchen einleitete und sich zunächst lange mit dem ehemaligen Co-Trainer Zeljko Buvac unterhielt, ehe die Runde komplettiert wurde.

"Das war für mich so, wie wenn ein Spieler den Verein verlässt und dann mit seinem neuen Klub zurückkommt", sagt Piszczek im Gespräch mit SPOX zu dieser Szene. "Auf dem Platz gab es zwar keine Freunde, aber dann habe ich mich über das Wiedersehen gefreut."

Bei Hertha noch als Stürmer unterwegs

Besonders Jürgen Klopp bekam eine dicke Umarmung ab. Ohne ihn wäre Piszczeks Karriere fast sicher anders verlaufen, ziemlich sicher nämlich weniger erfolgreich.

Klopp kam 2010 auf die Idee, den damals 25-jährigen Polen ablösefrei von Bundesliga-Absteiger Hertha BSC nach Dortmund zu holen. 68 Spiele absolvierte Piszczek zwischen 2007 und 2010 für die Hauptstädter, nach seinem Wechsel zur Alten Dame 2004 parkte man ihn drei Spielzeiten lang leihweise bei Zagłębie Lubin in seinem Heimatland.

Damals war Piszczeks Einsatzgebiet auf dem Feld noch klar umrissen: Offensive. Für die Hertha kam er als Stürmer und linker Mittelfeldspieler zum Einsatz, durchschlagenden Erfolg hatte das aber nicht. Piszczek war ein klassischer Mitläufer, der am Niveau in Deutschland zu knabbern hatte.

Klopp funktioniert Piszczek um

Dann jedoch kam Klopp und sagte: rechts hinten, bitte. Es war das erste Experiment des langjährigen BVB-Trainers (später funktionierte er noch Erik Durm und Kevin Großkreutz um), er sah in Piszczek von Beginn an einen Rechtsverteidiger. Und der lieferte: scheinbar mühelos überholte der polnische Nationalspieler seinen verletzungsgeplagten Konkurrenten Patrick Owomoyela. Lediglich acht Partien verpasste Piszczek in seinen ersten drei Jahren unter Klopp.

Diese drei Jahre bedeuten in der Retrospektive den Weg auf den Zenit der sportlichen Entwicklung des BVB unter Klopp. Meister, Doublesieger, Champions-League-Finalist - Piszczek war fester Bestandteil der Mannschaft, deren Erfolg ganz Europa erstaunte.

Piszczek avancierte zu jener Zeit zu einem der zehn, vielleicht auch fünf besten Rechtsverteidiger weltweit. Das Zusammenspiel mit Jakub Blaszczykowski, seinem besten Kumpel und Partner auf der rechten Bahn, perfektionierte sich mit den Jahren.

Wembley als Zäsur in Piszczeks Karriere

Piszczek kam zu Gute, selbst von Grund auf offensiv zu denken. Er attackierte enorm hoch, suchte nach Ballgewinn den Weg bis zur Grundlinie und bereitete in diesen drei Jahren allein in der Bundesliga stolze 25 Tore vor.

Der Höhepunkt, das Endspiel in der Königsklasse im Mai 2013 gegen den FC Bayern, wurde für den Polen allerdings zum Wendepunkt. Wembley stellt eine Zäsur in Piszczeks Karriere dar, man kann sagen, dass dies auch für ihn absehbar gewesen sein muss.

Bereits im November 2008, Piszczek war noch Herthaner, musste seine linke Hüftpfanne geglättet werden. Ein gutes halbes Jahr fiel er daraufhin aus. Probleme an der Hüfte ziehen sich seitdem durch Piszczeks Vita. Sechs Monate vor dem Auftritt in London klagte er bereits über Schmerzen, diesmal war die andere Seite betroffen.

Knorpelschaden, Spritzenkur, Operation

Die Dortmunder Mannschaftsärzte diagnostizierten einen Knorpelschaden an Pfanne und Kopf des rechten Hüftgelenks, Operation unumgänglich. Dank mehrerer Spritzenkuren biss sich Piszczek noch ein paar Monate durch, dieses wohl einmalige Finale konnte er schließlich unmöglich verpassen.

Klar war dennoch: die Injektionen boten nur zeitlichen Aufschub. Unmittelbar nach der Endspiel-Pleite legte sich Piszczek bei Spezialist Dr. Michael Dienst in München dreieinhalb Stunden unters Messer. Wieder fiel er sechs Monate aus.

"Es gibt nur wenige Spieler, die ab und zu keine Schmerzen haben. Das ist im Profisport ganz normal", sagt Piszczek heute schmunzelnd. Es entspräche nicht seiner charakterlichen Gelassenheit, sich von solchen Dingen aus der Ruhe bringen zu lassen.

Neun Bundesliga-Saisons, 15 Gelbe Karten

Ohnehin kommt Piszczek bisweilen wie der angenehme Gegenentwurf zum überassimilierten Profi der Neuzeit daher. Kein Tattoo, kein Bling-Bling, keine fragwürdige Marketingkampagne - mit Piszczek assoziiert man eigentlich ausschließlich die reine Arbeit auf dem Fußballplatz. Ein fairer Umgang kommt noch oben drauf, in neun Bundesliga-Spielzeiten flog er noch nie vom Platz und sah gerade einmal 15 Gelbe Karten.

Piszczek wurde auch nicht nervös, als er unter dem neuen Coach Thomas Tuchel einen denkbar schlechten Start erwischte. Im vergangenen August, Dortmunds langatmige Saison hatte gerade erst begonnen, blockte er im Abschlusstraining vor dem Europa-League-Auswärtsspiel bei Odds BK einen Schuss von Marcel Schmelzer. Die Hüfte verdrehte sich leicht, die zuletzt operierte Stelle war gereizt.

"Ich war schon erschrocken, denn es hat die nächsten zwei Tage sehr weh getan. Ich dachte zunächst, dass ich wieder eine Operation brauche", erinnert sich Piszczek. Adduktorenbeschwerden kamen hinzu, fast einen Monat lang war er zum Zuschauen verdonnert.

Präventivmaßnahmen für die Hüfte

Just in dieser Partie in Norwegen brachte Tuchel erstmals Matthias Ginter auf der Rechtsverteidigerposition. Wie aus dem Nichts spielte Ginter in den kommenden Wochen groß auf und bereitete reihenweise Tore vor. Piszczek wurde gesund, sein Platz in der Startelf war aber erstmals seit Jahren futsch.

"Klar, es war ungewohnt, auf der Bank zu sitzen", gibt Piszczek zu. "Ich habe einfach versucht, cool und ruhig zu bleiben. Damals gab es in Matze einen Spieler, der sich sensationell präsentiert und deshalb gespielt hat."

In der Folge blieb Piszczek hartnäckig und geduldig. Er schuftete im Hintergrund, um Fitness und Form wieder zu erlangen. Als Präventivmaßnahme macht Piszczek nun vor jedem Training spezielle Übungen, um die Muskulatur rund um das Hüftgelenk nicht verkrampfen zu lassen. "Ich muss schon viel Zeit investieren, aber das ist okay für mich", sagt er.

"Ich bin zufrieden mit meiner Saison"

Piszczek hat seit seiner OP, er wird im Juni 31 Jahre alt, etwas an Athletik und Dynamik eingebüßt. Auch die Effizienz seiner Offensivbewegungen kann mit früheren Tagen nicht mehr mithalten. Gegen Ende der Hinrunde hatte er Ginter aber wieder den Rang abgelaufen. Seitdem spielt Piszczek nur dann nicht, wenn ihn Tuchel für Europa schont - wie etwa am letzten Wochenende beim Derby auf Schalke.

"Ich musste mich im Training einfach erst einmal wieder auf mein Niveau zurück kämpfen. Ich habe hart trainiert und das hat der Coach registriert. Als ich wieder richtig fit war, stellte er mich auch wieder auf", bilanziert Piszczek. Beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit - der BVB blieb eine offizielle Pressemitteilung schuldig - verlängerte er im Januar seinen 2017 auslaufenden Vertrag um ein weiteres Jahr.

"Ich bin zufrieden mit meiner Saison, auch wenn ich mich leider zu Beginn verletzt hatte", sagt Piszczek, mittlerweile bei Spielzeit Nummer sechs in schwarzgelb angekommen.

Ob es nach dem Rückspiel an der Anfield Road, wenn Sieger und Verlierer endgültig feststehen, wieder zu einer solch herzlichen Begegnung mit den Ex-Dortmundern kommen wird? Piszczek grinst, weicht jedoch aus. "Es wird zunächst ein enger Kampf", meint er. Damit kennt er sich ja aus.

Lukasz Piszczek im Steckbrief