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GESPONSERT VON

"Ich danke Büskens für den Arschtritt"

Johannes Geis wechselte im Sommer 2015 vom 1. FSV Mainz 05 zum FC Schalke 04
© getty

Schon kurz nach seinem Wechsel vom 1. FSV Mainz 05 zum FC Schalke 04 avancierte Johannes Geis zum Taktgeber im Mittelfeld der Knappen. Nach dem Foul an Gladbachs Andre Hahn und der anschließenden Rotsperre stand Geis erstmals in seiner Karriere öffentlich am Pranger. Im Interview vor dem Europa-League-Hinspiel bei Schachtjor Donezk (21.05 Uhr im LIVETICKER) spricht der 22-Jährige über seine Startschwierigkeiten als Fußballprofi, die Begleitumstände des Tritts gegen Hahn und Vorbild Bastian Schweinsteiger.

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SPOX: Herr Geis, Sie haben vor fünf Jahren im Januar 2011 bei der SpVgg Greuther Fürth Ihren ersten Profivertrag unterschrieben. Am 24. Februar liegt Ihr Debüt in der Bundesliga auch bereits drei Jahre zurück. Ist seitdem eine Ewigkeit vergangen oder fühlt sich diese Zeitspanne doch normal an?

Johannes Geis: Nein, es ging schon alles extrem rasant. Man kann kaum nachdenken, da die Zeit wie im Flug vergeht. Der Start in Fürth ist mir noch sehr präsent, dabei ist das wie auch der spätere Wechsel nach Mainz schon wieder Geschichte. Ich fühle mich jetzt zwar nicht als alter Hase, aber drei Jahre in der Bundesliga sind auch schon ein Stück. Ich bin im Kopf viel reifer. Ich hoffe, dass noch viele weitere Jahre dazu kommen.

SPOX: In der Bundesliga steht bald Ihr 100. Spiel an, aufgrund Ihrer defensiven Grundposition sind noch nicht viele Tore zusammen gekommen: einen Treffer gab es in Fürth, fünf in zwei Jahren in Mainz, auf Schalke bislang zwei. Ist Ihnen das eigentlich zu wenig?

Geis: Mein Hauptjob ist es, das Spiel in der Defensive zu ordnen und die Kollegen mit Vorlagen zu füttern. Da bleibt dann nicht mehr viel übrig, um selbst häufig zu treffen. Aber klar, in dieser Hinsicht gibt es sicherlich noch Verbesserungspotenzial und es ist mein Ziel, öfter als zuletzt ins Schwarze zu treffen. Ich mache mich deshalb aber nicht verrückt. Allerdings: Dass mal wieder ein Freistoß wie gegen Wolfsburg reingeht, war schon überfällig.

SPOX: Ihren allerersten Treffer werden Sie sicherlich nie vergessen: Das Tor im 256. Frankenderby zum 1:0-Auswärtsieg beim 1. FC Nürnberg im April 2013. Wie hat es sich damals als 19-Jähriger angefühlt, der gefeierte Mann zu sein?

Geis: Als Derbyheld war es durchaus angenehm (lacht) - und ich möchte auf Schalke wieder einer werden. Wir waren damals mit Fürth schon so gut wie abgestiegen, so dass wir uns teamintern geschworen haben, alles in dieses eine Spiel zu legen. Die Fans mussten viel leiden im Verlauf der Saison, der Sieg beim Club hat für Balsam auf den Seelen gesorgt. Es war absolut unbeschreiblich, wie wir damals dann in Fürth empfangen wurden. Davon träumt man ja als kleines Kind. Mein Standing hat sich daraufhin verändert.

SPOX: Ironie des Schicksals: Mike Büskens, ein Schalker Urgestein, versperrte Ihnen zunächst etwas den Weg nach ganz oben. Büskens schickte Sie zeitweise ins Fürther Regionalligateam. Erst als er entlassen wurde, folgte Ihr Debüt in der Bundesliga. Weshalb hat er Sie damals ausgebremst?

Geis: Ich war das erste Mal von zu Hause weg. Dass man dann als junger Bursche noch nicht alles richtig macht, ist in meinen Augen auch irgendwo verständlich. Da stimmt dann die Ernährung vielleicht nicht immer oder die Playstation ist zu lange an. Mike Büskens wollte ein Zeichen setzen. Das war mir damals natürlich nicht ganz klar und ich war etwas sauer auf ihn, aber jetzt im Nachhinein danke ich Mike Büskens für den Arschtritt. Er hatte Recht. Das hat mir letztlich echt geholfen und mich stärker gemacht.

SPOX: Wie sehr hat Ihnen die Versetzung einen Knacks gegeben?

Geis: Ich stand auf dem Abstellgleis, das hat sich natürlich alles andere als toll angefühlt. Zumal ich ja hoffte, nun ganz oben die ersten Schritte gehen zu dürfen. Ich habe mich daraufhin mit mehreren Menschen unterhalten. Auch Mike Büskens war völlig normal im Umgang mit mir. Es herrschte keine dicke Luft, wir haben ganz locker miteinander gequatscht. Er wollte mir einfach sagen, dass ich mich mehr anzustrengen habe, um es als Profi zu schaffen.

SPOX: In Fürth teilten Sie sich unweit des Ronhofs eine WG mit Felix Klaus. Wenn Sie sich heute mit dem damaligen Johannes Geis vergleichen, worin bestehen die größten Unterschiede?

Geis: Ich bin auch heute noch ein junger Kerl, der gerne an der Playstation zockt oder sich auch mal eine Pizza gönnt - aber immer im Rahmen und nur äußerst selten. Für viele andere Menschen wäre das in einer gewissen Regelmäßigkeit völlig normal, als Fußballer ist es aber schnell unprofessionell. Ich habe gelernt, mich auf meinen Beruf zu konzentrieren und Nebengeräusche abschalten zu können. Ich bin in dieser Hinsicht nun viel abgezockter als damals.

SPOX: Würden Sie anderen Mannschaftskameraden dazu raten, eine WG mit einem Teamkollegen zu gründen?

Geis: Das muss am Ende jeder für sich selbst entscheiden können. Ich jedenfalls würde es immer wieder machen. Die WG war ein guter Rückzugsort. Wir haben Frust und Freude miteinander geteilt und nicht allein vor uns hin gegrübelt. Man sollte als Fußballer nicht Gefahr laufen, zu viel in sich hinein zu fressen.

SPOX: Hätten Sie damals gerne eine externe Bezugsperson gehabt, die Sie begleitet und Hilfestellungen gibt?

Geis: Das kann sein. Andererseits ist man ja immer gewillt, die Dinge eigenständig zu regeln und zu beeinflussen. Mir wurde schon genug geholfen, doch in erster Linie war ich auf mich alleine gestellt und musste es selbst hinkriegen. Ich hatte einige Hürden zu überwinden, aber letztlich hat mich all das zu diesem Charakter und Spieler gemacht, der ich jetzt bin.

SPOX: Mit dem Wechsel nach Mainz hat sich Ihre Einstellung zum Fußball deutlich gewandelt. FSV-Trainer Thomas Tuchel lobte damals, wie schnell Sie sich in Mainz angepasst hätten. Wie war es jetzt im Vergleich gesehen zu Schalke?

Geis: In Mainz war ich der Underdog, auf Schalke wird viel von mir erwartet, viel Hoffnung in mich gesetzt. Das ist schon ein gewaltiger Unterschied. Das geht auch bis ins Private hinein, bei mir zu Hause im Heimatdorf ist teilweise die Hölle los, weil das öffentliche Interesse an mir so gestiegen ist. Das liegt aber auch an meinem neuen Arbeitgeber, denn Schalke polarisiert einfach. Es ist schwieriger geworden, hier im Ruhrgebiet unerkannt durch eine Stadt zu gehen.

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