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GESPONSERT VON

In vier Jahren auf Europas Thron

Von Jochen Rabe
Samuel Eto'o ist der absolute Top-Star bei Anschi Machatschkala und verdient dort Unsummen
© Getty

Vor zwei Jahren noch sportlich bedeutungslos, heute eine Millionentruppe um Stars wie Samuel Eto'o und Trainer Guus Hiddink sowie im Sechzehntelfinale der Europa League. Milliardär Suliman Kerimow will Anschi Machatschkala, den Gegner von Hannover 96 (17.45 Uhr im LIVE-TICKER), zu einem europäischem Topklub formen - muss dabei aber mit dem Standortnachteil und einem Imageproblem kämpfen.

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Schlagartig verfinsterten sich die Mienen. Die Auslosung für das Sechzehntelfinale der Europa League hatten sich die Verantwortlichen von Hannover 96 irgendwie anders vorgestellt. Patrick Kluivert hatte soeben den Gegner für die Niedersachsen aus dem Topf gezogen: Anschi Machatschkala. Ein Glückslos sieht anders aus.

"Anschi ist für uns eine große Herausforderung", sagt Hannovers Coach Mirko Slomka mit nachdenklichem Gesichtsausdruck. Auch Sportdirektor Jörg Schmadtke wirkt nicht gerade begeistert: "Der Klub hat in den vergangenen Jahren mit großer Finanzkraft eine Mannschaft entwickelt, die aktuell Zweiter in der russischen Liga ist und auch international ehrgeizige Ziele hat."

Hannover bekommt es in der Runde der letzten 32 also unter anderem mit Stürmerstar Samuel Eto'o (Champions-League-Sieger mit Barcelona und Inter), Lass Diarra (ehemals Real Madrid), Juri Schirkow (ehemals FC Chelsea) und Trainer-Routinier Guus Hiddink zu tun. Eine Ansammlung großer und prominenter Namen bei einem Klub, den noch vor kurzem nur Russland-Experten kannten. Hinzu kam in diesem Winter der Brasilianer Willian, der von Schachtjor Donezk für 35 Millionen Euro losgeeist wurde.

Willkommensgeschenk des Milliardärs

Ziemlich genau zwei Jahre ist es her, dass Machatschkala erstmals für Schlagzeilen im internationalen Fußball sorgte: Linksverteidiger-Legende Roberto Carlos wechselte zu dem Klub aus der russischen Teilrepublik Dagestan.

In eine Gegend, die in den Nachrichten wegen regelmäßiger Terroranschläge und sozialer Unruhen bekannt ist. Zu einem Verein, der erst 1991 gegründet wurde und bis dahin kaum eine Relevanz im russischen Fußball hatte.

Der Transfer von Roberto Carlos war eine Art Willkommensgeschenk von Suliman Kerimow. Im Januar 2011 hatte der russische Oligarch, der zu diesem Zeitpunkt laut "Forbes" mit 7,8 Millarden US-Dollar auf Platz 118 der reichsten Männer der Welt gelistet wurde, den Klub als Präsident und Großinvestor übernommen.

Eto'o: 20 Millionen Euro Jahresgehalt

Schon im Sommer darauf folgten die nächsten Paukenschläge. Allen voran wechselte Samuel Eto'o für etwa 27 Millionen Euro Ablöse von Inter Mailand zu Anschi. Der Wechsel rief europaweite Diskussionen hervor. Der Vorwurf gegen den Kameruner war und ist, er sei nur wegen des Geldes und nicht wegen der sportlichen Perspektive gewechselt.

Zumindest widerlegen die Zahlen diesen Vorwurf nicht. Bei seinem neuen Arbeitgeber verdient der Angreifer angeblich 20 Millionen Euro - und ist dadurch der bestbezahlte Fußballer der Welt. Zum Zeitpunkt des Wechsels stand Anschi in der russischen Liga jedoch nur im unteren Mittelfeld. Das änderte sich zunächst auch nicht mit teuren neuen Stars.

Also setzte Kerimow Anfang 2012 noch einen drauf und verpflichtete Guus Hiddink als Cheftrainer. Der Niederländer genießt in Russland seit seinem Engagement als Nationaltrainer einen guten Ruf. Und auch in Machatschkala schaffte er es innerhalb kürzester Zeit, sportliche Erfolge vorzuweisen.

Sportliche Steigerung unter Hiddink

Nachdem er mit Anschi die Vorsaison noch auf einem passablen fünften Rang abschloss und die Qualifikation zur Europa League schaffte, belegt man aktuell in der Premier Liga sogar Rang zwei hinter ZSKA Moskau und erreichte in einer Gruppe mit Liverpool, Bern und Udinese das Sechzehntelfinale im Europapokal.

Hiddink hat es geschafft, aus der Ansammlung von Einzelspielern eine taktisch funktionierende Einheit zu bilden, die national und international mithalten kann.

"Er setzt auf eine solide Defensive, gleichzeitig spielen wir aber attraktiv und jeder Einzelne hat seine Freiheiten. Besonders wichtig für ihn ist Effektivität, also möglichst viel aus unseren Torchancen zu machen", sagt der Ex-Herthaner Christopher Samba, der bis Ende Januar unter Hiddink bei Anschi spielte.

Roberto Carlos als Sportdirektor

Die sportliche Kompetenz teilt sich Hiddink mit Roberto Carlos, der nach seinem Karriereende im Sommer ins Management wechselte. Gemeinsam versuchen sie den Klub noch interessanter für neue Stars zu machen: "Wir haben unsere eigene Philosophie, von der wir die Spieler überzeugen wollen. Wir wollen eine große Auswahl an Spielern und einen harten Konkurrenzkampf um die Stammplätze haben. Den brauchen wir, denn wir sind in drei Wettbewerben dabei", sagt Hiddink.

Einen Konkurrenzkampf, der sich mittelfristig noch weiter verstärken könnte, denn immer wieder werden große Namen bei Machatschkala ins Gespräch gebracht. Erst im Herbst kamen Gerüchte auf, dass Wayne Rooney in den Kaukasus wechseln könnte.

Sportdirektor Roberto Carlos bemühte sich nicht um Dementi, spekulierte stattdessen selbst mit: "Kerimow kann praktisch alles", sagte er. "Wenn der Besitzer von Anschi einen Spieler kaufen will, dann tut er das auch."

Also schaut sich Carlos fleißig um für den Milliardär, der bei seinem Amtsantritt angeblich ein klares Ziel ausgegeben hat: Innerhalb von vier Jahren soll Anschi einen internationalen Wettbewerb gewinnen.

Strukturell attraktives Gesamtpaket

Um für dieses ehrgeizige Ziel die nötigen Spieler anzulocken, versucht Kerimow neben dem sportlichen auch strukturell ein attraktives Gesamtpaket zu schnüren. Die Spieler leben wegen der schwierigen Sicherheitslage Dagestans im 1600 Kilometer entfernten Moskau und trainieren auf einem hochmodernen Trainingszentrum, etwa eine Stunde vor den Toren der Hauptstadt.

Nur für Heimspiele setzt sich die Mannschaft ins Flugzeug und fliegt zwei Stunden nach Machatschkala, um die Unterstützung der euphorischen Fans zu bekommen.

Ex-Spieler Samba betonte während seiner Zeit im Klub, dass Kerimow alles tue, damit die Spieler sich wohl fühlen: "Er hört sich jedes Problem an, er ist sehr nett zu uns und hat ein großes Herz. Dagestan ist eine Region, die nicht von Unglück verschont wird, dort sind schon schlimme Dinge passiert. Der Präsident versucht, den Menschen etwas Gutes ins Leben zu bringen, indem er dieses Team aufbaut."

Schlechtes Image

Während Kerimow versucht, Gutes für die Region Dagestan zu tun, ist Anschi Machatschkala in Russland nach wie vor für die meisten Fans ein rotes Tuch. Die Russen betrachten es mit Argwohn, dass der Verein aus einer der ärmsten Gegenden des Landes kommt, aber mit Unsummen um sich wirft.

Darüber hinaus sind in Russland rassistische Vorurteile gegen Kaukasier generell weit verbreitet. Auch die Sicherheitslage in Dagestan trägt zu großer Abneigung gegen den Klub bei. Regelmäßig sollen bei Heimspielen Gästefans verprügelt werden, gerüchteweise sogar unter Mithilfe der lokalen Sicherheitsbeauftragten.

Zustände, die für die Europapokal-Auftritte des Vereins Folgen haben. Die UEFA hat Anschi untersagt, internationale Spiele im eigenen Stadion auszutragen. Also empfängt Anschi seine Gegner in der Europa League im Luschniki-Stadion zu Moskau.

Keine Traumbedingungen für 96

Dort wird auch Hannover im Sechzehntelfinale gastieren. Bei eisigen Temperaturen im russischen Winter. Auf Kunstrasen. Keine Traumbedingungen für die Niedersachsen.

Dennoch sieht Hiddink die Deutschen im Vorteil: "Hannover wird wahrscheinlich besser in Form sein, da die Bundesliga, die eine der stärksten Ligen Europas ist, bereits wieder begonnen hat und es bei uns erst im März weitergeht."

Zu viel Understatement für den ambitionierten Vier-Jahres-Plan von Präsident Kerimow? Nein, auch Hiddink hat große Ziele: "Wir wollen, wenn möglich schon dieses Jahr, in allen drei Wettbewerben erfolgreich sein."

Anschi Machatschkala: News und Informationen