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Gefordert: Nicht weniger als Perfektion

Von Haruka Gruber
Jefferson Farfan gehört zu den unersetzlichen Stützen des FC Schalke 04
© Schalke 04

Vor dem Rückspiel der Europa-League-Playoffs gegen Helsinki (20 Uhr im LIVE-TICKER) legt der FC Schalke 04 verbal vor. Aber ist das Team stabil genug, um gegen Helsinki die Wende zu schaffen? Zweifel sind angebracht. Es gibt immerhin eine große Hoffnung.

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Etliche Psychologen verdanken der Kunst, widersprüchliche Signale zu deuten, ihren Lebensunterhalt. Aber im Falle des FC Schalke 04 dürfte es selbst dem begabtesten unter ihnen schwer fallen, gewisse Verhaltensmuster zu erklären.

Zuletzt deutete alles daraufhin, dass sich Schalke und Jefferson Farfan angenähert hätten und ein längerer Verbleib des ab 2012 vertragslosen Peruaners wahrscheinlich ist. Nicht zufällig wurde Farfan zuletzt während seiner sportmedizinischen Untersuchung im klubeigenen Medizinzentrum werbewirksam fotografiert und die Bilder per Pressemitteilung verbreitet.

Farfan als Testimonial. Sinnvoll, immerhin gehört er mit Raul, Klaas-Jan Huntelaar und Benedikt Höwedes zu den unersetzlichen Stützen des Vereins. Wenige Tage nach den Aufnahmen war er als Einwechselspieler mitverantwortlich für den 4:2-Comebacksieg nach 0:2-Rückstand in Mainz - woraufhin Manager Horst Heldt ausschloss, dass Farfan in dieser Saison verkauft wird.

Ausscheiden wäre eine "Katastrophe"

Doch nun eine seltsam anmutende Kehrtwende: Überraschend und unnötig setzte Heldt einen Tag vor dem so wichtigen Rückspiel in den Europa-League-Playoffs gegen Helsinki Farfan wegen einer Vertragsverlängerung eine Frist: "Wir haben ihm ein Zeitfenster vorgegeben."

Inwiefern sich der vor allem von Juventus Turin umworbene Farfan davon beeindrucken lässt, ist ungewiss. Zumindest weiß er die Argumente auf seiner Seite. Nach seiner herausragenden Leistung in Mainz wurde ersichtlich, wie sehr Schalke dessen Qualitäten vermisst hatte.

Qualitäten, die er auch gegen Helsinki einbringen soll, um trotz der 0:2-Hinspielniederlage in Finnland doch noch die Gruppenphase der Europa League zu erreichen. Ein Ausscheiden wäre eine "Katastrophe" sagte Heldt.

Zudem drohen im Falle des Ausscheidens weitere Verkäufe, wie Heldt am Donnerstag im "Kicker" andeutete: "Es muss jedem Spieler bewusst sein, dass es auch für ihn ganz persönlich Konsequenzen haben kann."

"Vier Tore in 90 Minuten"

Trainer Ralf Rangnick hingegen mag nicht von einem Scheitern sprechen, vielmehr betont er: "Momentan spricht sicher alles für Helsinki, aber wir können vor eigenem Publikum und auf normalem Rasen drei, vier oder fünf Tore schießen."

Seine Logik: "Wer in Mainz nach einem 0:2-Rückstand vier Tore in einer Halbzeit schießen kann, kann auch zu Hause gegen Helsinki vier Tore in 90 Minuten schießen."

Schalke verfügt zweifelsfrei über die Qualitäten, um einen international drittklassigen Gegner deutlich zu besiegen. Wäre nur nicht das Mysterium, das die Mannschaft umgibt: Kein Bundesligist tritt seit Monaten so launisch auf wie S04.

In dieser Saison wechselten sich Glanzleistungen wie die zweiten Halbzeiten gegen Köln und in Mainz ab mit rätselhaft schwachen Auftritten wie zum Liga-Auftakt in Stuttgart, in Helsinki oder in der ersten Hälfte gegen Köln und in Mainz. Entsprechend auch die Bilanz: In der laufenden Saison folgte nach jedem Erfolg die Ernüchterung: Sieg, Niederlage, Sieg, Niederlage, Sieg - und jetzt wieder eine Niederlage?

Fehlende Stabilität, fehlendes Temperament

"Natürlich habe ich die Mannschaft jetzt von zwei verschiedenen Seiten kennen gelernt. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich in der Mitte", mutmaßte Rangnick bereits Ende der letzten Spielzeit, als Schalke zunächst gegen Inter Mailand in der Champions League brilliert hatte, daraufhin in der Bundesliga enttäuschte, um kurz darauf das Pokalfinale gegen Duisburg mit 5:0 zu gewinnen.

"Wir wollen in der neuen Saison mehr agieren als reagieren. Wie schnell das klappen wird, muss man abwarten. Die Stabilität zeigt sich immer erst im Bundesliga-Betrieb", sagte Rangnick Anfang August. Jene Stabilität geht dem Team jedoch ab. Weil es am "Temperament" mangelt, wie es Rangnick formuliert.

Oder, weil der Trainer noch immer nicht die ideale Lösung gefunden hat, wie das defensive Mittelfeld, das Herzstück einer Fußball-Mannschaft, zu besetzen ist. Jurado und Alexander Baumjohann erlebten bei Inter Mailand eine im Nachhinein nicht zu erklärende Sternstunde, mittlerweile ist es jedoch ersichtlich, dass Jurado die Einstellung und Baumjohann die Zweikampfstärke für die Sechser-Position fehlt.

"Wir müssen perfekt sein"

Kyrgiakos Papadopoulos versteht sich nur als Zerstörer, Jermaine Jones pendelt zwischen Startelf, Bank und Tribüne, Anthony Annan wurde aussortiert. Peer Kluge war nach der vergangenen Winterpause zwar eine Konstante, aber erfüllt offenbar nicht Rangnicks Wünsche. Verbleiben der gelernte Offensivspieler Lewis Holtby und Joel Matip, beide erst 20 Jahre alt.

Eine Variante wäre, Marco Höger, die positive Überraschung der Saison bei Schalke, von der Rechtsverteidiger- auf die angestammte defensive Mittelfeld-Position zu verschieben - wodurch aber der formschwache Atsuto Uchida für hinten rechts in die Startelf müsste.

Manager Heldt mag indes die seltsamen Anwandlungen seiner Mannschaft nicht als zwingendes Indiz dafür ansehen, dass sie falsch zusammengesetzt ist und unbedingt Transfers getätigt werden müssen.

Vielmehr lautet seine Forderung vor der Helsinki-Partie schlicht und ergreifend: "Die Spieler müssen ihr Hirn einschalten. Wir müssen perfekt sein."

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

Schalke: Fährmann - Höger, Höwedes, Papadopoulos, Fuchs - Matip, Holtby - Farfan, Raul, Draxler - Huntelaar

Helsinki: Wallen - Rafinha, Lahti, Lind­ström, Kansikas - Sorsa, Ring, Riihilahti, Bah - Sadik, Pukki

Die Europa-League-Qualifikation im Überblick