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VfB Stuttgart: Die Geister der Vergangenheit

Von Stefan Rommel
Als Spieler absolvierte Fredi Bobic 128 Spiele für den VfB (55 Tore). Jetzt ist er als Manager gefordert
© Getty

Der VfB Stuttgart in der Identitätskrise: Alte Fehler müssen auf die Schnelle repariert werden, dabei darf die weitsichtige Planung aber nicht zu kurz kommen. Eine Mammutaufgabe für Manager Fredi Bobic und Trainer Christian Gross - zumal die Konkurrenz schon mindestens einen Schritt weiter ist.

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Robin Dutt wollte eigentlich nur seine eigene Mannschaft loben. Der SC Freiburg habe mit Leidenschaft und Willen gegen den VfB Stuttgart bestanden. Eine der Primärtugenden hat also das Derby entschieden.

Das ist eine schöne Erkenntnis für den SC und eine niederschmetternde für die Schwaben.

"In dieser ausgeglichenen Liga können wir nicht bestehen, wenn wir so wie in der zweiten Halbzeit nur ein paar Prozentpunkte weniger investieren. Das reicht nicht. Darauf müssen wir einwirken", mahnte deshalb Fredi Bobic. "Wir brauchen Leidenschaft - 90 Minuten lang."

Es ist ein alarmierendes Zeichen, wenn der Manager nach dem dritten Saisonspiel an die Arbeitsmoral seiner Profis appellieren muss. Aber es ist momentan die Stuttgarter Realität.

Bern als Wendepunkt?

Wenn der VfB heute gegen die Young Boys Bern (ab 20.50 Uhr im LIVE-TICKER) zum Auftakt der Europa League antritt, ist diese Partie für die Schwaben mehr als nur der Kampf um drei Punkte in der Gruppenphase.

Es soll ein Wendepunkt werden in einer bisher unheimlich schwachen Saison, die schon wieder böse Erinnerungen an die vermaledeite Hinrunde im letzten Spieljahr hervorruft.

Ein Sieg gegen die Schweizer würde kurzfristig für Ruhe sorgen, zumindest 48 Stunden lang. Dann steht in der Bundesliga schon der nächste Vergleich an, mit Borussia Mönchengladbach. Es ist Gefahr und Chance zugleich, der VfB spielt in den nächsten 18 Tagen sechs Partien.

Stuttgart in der Identitätskrise

Das Tagesgeschäft lässt also zumindest noch die Flucht nach vorne zu. Aber hinter den Kulissen treiben die Geister der Vergangenheit den VfB weiter vor sich her. Stuttgart befindet sich in einer echten Identitätskrise. Und der Weg heraus wird ungeheuer schwer werden.

Denn auch wenn der Begriff der Philosophie mittlerweile furchtbar überladen ist: Sie ist in Stuttgart derzeit nur schemenhaft  zu erkennen.

Früher definierte sich der VfB zu großen Teilen über seine überragende Jugendarbeit. Die hat auch kurzfristige Erfolge beschert und jede Menge Millionen  auf dem Konto. Aber nur damit allein lässt sich kein Staat bestreiten.

Also muss ein Spagat her zwischen einem gewachsenen Stamm an Spielern, an den immer wieder junge Talente herangeführt werden können, ohne dabei großes Risiko gehen zu müssen. Die Strategie wurde geändert, ab und an auch mal verhältnismäßig viel Geld in die Hand genommen für Verstärkungen.

Kleine und große Fehler

Doch die waren entweder ungenügend gescoutet oder im Brustring-Trikot nur noch die Hälfte von dem Wert, was sie bei anderen Vereinen zu leisten im Stande sind oder waren.

Dieses Missverhältnis ist bis heute nicht gekittet, jetzt schlägt es mit voller Wucht durch. Null Punkte nach drei Spielen bei einem durchaus machbaren - andere würden sagen leichten - Auftaktprogramm sind kein Zufall. Sondern ein beinahe vorhersehbares Resultat viele kleiner und großer Fehler.

In den letzten zehn Jahren war der VfB Stuttgart achtmal in einem europäischen Wettbewerb vertreten, dreimal davon in der Champions League. Nur die Bayern und Werder Bremen können auf eine erfolgreichere Dekade zurückblicken.

Aber der VfB ist deshalb nicht die Nummer drei in Deutschland. Im Gegenteil. Momentan ist er mal wieder tristes Mittelmaß, die Tabelle weist die Schwaben sogar als Letzter aus. Nach drei Spieltagen ist das noch kein Grund zur Panik, die Tendenz lässt sich aber wie in den Jahren davor schon wieder erahnen.

Einige Ziele erreicht...

Dabei waren die Ziele so ehrgeizig formuliert: Hinter den Bayern wollte sich Präsident Erwin Staudt nach seinem Amtsantritt 2004 als zweite Kraft etablieren. Aktionen wie "Wir packen Schalke", eine Initiative zur Gewinnung neuer Mitglieder oder der stark forcierte Umbau des Stadions waren Eckpfeiler der Strategie.

In der Tat hat der VfB seine Mitgliederzahl von rund 8000 auf derzeit weit über 40.000 anwachsen lassen. Und auch am Stadion wird seit einem Jahr endlich gebaut, im Sommer 2011 ist die neue Arena fertig und Stuttgart besitzt endlich ein reines Fußballstadion.

Das sind enorme Erfolge, die auf einer langen Planung und einem nachhaltigen Konzept fußen. Aber genau dieses geht in sportlichen Fragen schon seit längerem ab.

...andere verfehlt

Ex-Manager Horst Heldt hat es zusammen mit den Gremien um Staudt, Aufsichtsratsboss Dieter Hundt und Finanzvorstand Ulrich Ruf nicht geschafft, eine klare Linie in der Personalpolitik zu fahren. Die einzige und auch löbliche Konstante: Es wird kein Geld ausgegeben, das nicht schon erwirtschaftet ist.

Die kritischen Stimmen zur verfehlten Strategie sind aber nicht erst heute zu vernehmen. Bereits auf der letzten Jahreshauptversammlung befand Jens Lehmann, der Verein sei international mit dem Personal nicht konkurrenzfähig. Lehmanns Worte verhallten quasi im Nichts.

Was wäre ohne Khedira-Millionen?

Manager Bobic wird heute nicht müde zu betonen, dass das Geld knapp sei. Der Stadionumbau kostet viel Geld. Aber das muss den Beteiligten schon vorher bewusst gewesen sein. Bleibt die Frage, was passiert wäre, hätten die Schwaben Sami Khedira nicht für rund 14 Millionen Euro nach Madrid transferieren können? Die Antwort darauf bleibt im Raum stehen.

Die Finanzlage wird von den Machern immer wieder als schwierig beschrieben, wirklich transparent will damit aber niemand umgehen. Dabei wäre dies ein Leichtes, um die gereizte Lage innerhalb der Fanlager etwas zu entspannen.

Führungsspitze unter Druck

Im Moment geraten die Gremien unter starken Druck. Bobic ist erst seit ein paar Wochen wieder im Verein, er muss jetzt die Fehler der Vergangenheit ausbaden. Der Manager hat ähnlich wie Trainer Gross noch ordentlich Kredit bei den Fans.

Nur müssen beide jetzt beweisen, dass sie sich in der Krise zusammenraufen können und gemeinsam eine Strategie auf den Weg bringen, der über das Ende der laufenden Saison hinaus geht. Alles andere wäre erneut nur hastige Flickschusterei.

Leverkusen macht es vor

Das ist eine enorme Aufgabe, aber nicht unlösbar. Vereine wie Mainz, Dortmund oder Leverkusen machen es vor, dort wird im Hintergrund hervorragende Arbeit geleistet. Bayer hat erst am Donnerstag den Wechsel von Andre Schürrle von Mainz zum Werksklub bekanntgegeben.

Am Tag von deren Europa-League-Auftakt und nur 16 Tage nach Ende der Transferperiode macht Bayer schon wieder Nägel mit Köpfen und treibt sein Jugendkonzept weiter voran.

Nach Sidney Sam, Daniel Schwaab und Lars Bender ist Schürrle bereits das vierte hoffnungsvolle deutsche Talent, das sich Leverkusen vor der Konkurrenz abgreift.Und das hat nicht nur mit der Kaufkraft Bayers zu tun, sondern mit einer weitsichtigen Planung.

Stuttgart muss jetzt den nächsten Spagat hinbekommen, zwischen gezielten Sofortmaßnahmen und langfristigen Investitionen.

Der VfB rennt den Problemen derzeit wieder nur hinterher, anstatt sie erst gar nicht aufkommen zu lassen. Auf Dauer wird das wohl kaum gut gehen.

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