Irgendwo zwischen Shearer und Jeffers

Von SPOX
Whoop, whoop: Saido Berahino erzielte in zwölf U-21-Spielen zehn Treffer für die Three Lions
© getty

Saido Berahino steht vor dem Spiel gegen Slowenien (Sa., 18 Uhr im LIVE-TICKER) erstmals im Kader der der Three Lions. Der 21 Jährige hat eine bewegende Vita. Geboren in Burundi verlor er früh seinen Vater, legte auf dem Fußballplatz aber eine Art Bilderbuchkarriere hin. Überraschenderweise hält sich die englische Presse mit den üblichen Lobeshymnen noch zurück.

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Das wunderbare an den englischen Medien ist, dass es nie langweilig wird, wenn man sich mit ihnen auseinandersetzten muss. Ähnlich wie die südeuropäische Presse reagiert der Boulevard auf der Insel meist sehr grotesk und humorvoll auf verschiedene Vorkommnisse. Das ist auch im Sportbereich so. Oder gerade dort.

Oft langt ein gutes Spiel aus, um einen jungen Engländer als neue Hoffnung der Three Lions zu glorifizieren. Bei der WM-Qualifikation im letzten Jahr war es beispielweise Andros Towsend, der den am Boden liegenden englischen Fußball retten sollte. Im Oktober 2013 erzielte er im wichtigen Spiel gegen Montenegro bei seinem Debüt das 3:1. In den Kader für Brasilien schaffte er es anschließend allerdings nichts. Eine Bänderverletzung stoppte ihn im Frühjahr.

Inzwischen fragt man sich, ob Townsend überhaupt noch bei Tottenham Hotspur spielt. Tut er. Mehr oder weniger erfolgreich. 157 Premiere-League-Minuten hat er in diesem Jahr absolviert. Nominiert für die Nationalmannschaft ist er trotzdem, der Hoffnungsträger aber ist dieses Mal ein anderer.

Der Name als bunter Farbtupfer

Sein Name ist in diesem Herbst: Saido Berahino. Wer? Nicht jedem Fußball-Fan ist der Name ein Begriff. Berahino spielt bei West Bromwich Albion, dem Tabellen-13. der Premier League. Graues Mittelmaß also, aus dem alleine der Klang seines Namens farblich heraussticht. Saido Berahino klingt gar nicht typisch englisch, daher hat sein Verein auch ein Youtube-Video online gestellt. Titel: "How to Pronounce Saido Berahino".

Sein Lebenslauf klingt auch schon fast nach einer kleinen Hollywood-Story. Berahino ist in Burundi geboren und kam mit zehn Jahren als Bürgerkriegsflüchtling nach England. Sein Vater starb im Krieg, seine Mutter und seine Geschwister erhielten politisches Asyl in der Nähe von Birmingham. Dank eines Probetrainings wurde er in die Jugendakademie von West Brom aufgenommen. Dort lernte er die Sprache und das Tore schießen.

Mit 17 erhielt er einen Profivertrag bei den Baggies, wurde aber umgehend an Northampton Town ausgeliehen, wo er erste Erfahrungen sammelte und bereits ordentlich knipste. Es ging weiter über den FC Brentford. Dort überwarf er sich mit Trainer Uwe Rösler und so ging es weiter mit Peterborough United. In den unteren Spielklassen kam der schmächtige Junge auf seine Einsätze und holte sich die körperliche Robustheit für das Spiel auf der Insel. Seit Januar 2013 gehört Berahino fest zum Kader von West Brom.

Erfolgreich in den U-Mannschaften

Von der U16 an durchlief er alle Jugendnationalteams der Three Lions. Mit der U17 wurde er 2010 Europameister. Nur zwei Spieler trafen in der Geschichte der FA häufiger als er in der U 21. Trotz seiner Erfahrungen dort und in Englands 4. und 3. Liga gelang ihm erst in der vergangenen Saison der Durchbruch in der Premier League.

Im League Cup erzielte Berahino gegen AFC Newport County zwar einen Hattrick, aber erst durch seinen 2:1-Siegtreffer am 6. Spieltag der vergangenen Saison gegen Manchester United in der 67. Minute nahmen auch die Fans auf der Insel so richtig Notiz von ihm. Insgesamt kam er in der Spielzeit 32 Mal zum Einsatz, hauptsächlich jedoch noch als Einwechselspieler.

Das hat sich in diesem Jahr geändert. Alle elf Spiele bestritt der 21-jährige Stürmer von Beginn an, sieben Mal traf er. Damit ist er der beste Engländer in der Tojägerliste der Premier League. Vor ihm rangieren Sergio Aguero, Alexis Sanchez und Diego Costa. Alles Topstars. Aber auch alles keine Engländer.

"Alle hassen solche Angreifer"

Berahino kann im Sturmzentrum agieren, aber auch auf beiden Flügeln. Er lebt vor allem von seinem Antritt und seinem Instinkt. Tottenham und Liverpool haben angeblich bereits angefragt und hätten den 1,79m-großen Angreifer gerne in ihren Reihen.

Kevin Phillips, ehemaliger Nationalstürmer und "BBC"-Experte beschreibt ihn ich seiner Kolumne als einen "Stürmer, der immer in der Rücken der Arbeit will. Fragen Sie jeden Abwehrspieler der Welt, alle hassen solche Angreifer. Aber er liebt es, wenn er die Bälle in die Schnittstelle gespielt bekommt."

Wenn man das Twitter-Profil von Berahino betrachtet, stellt man fest, dass er ein sehr gläubiger Mensch ist. "#godisgood" steht hinter den meisten Tweets. "Ich kann nicht glaube wie weit ich gekommen bin. Gott ist wahrhaft unglaublich", twitterte er nach seine Berufung in die Nationalmannschaft.

Aber er hat auch seine nachdenklichen Seiten, wie sein Tweet am 31. Oktober beweist. Berahino scheint auf dem Boden geblieben zu sein, er wirkt auch in seinem Spiel nicht so, als könne er abheben oder ein Sternchen sein, das alsbald am englischen Fußballhimmel verglühen wird.

So gut wie Rooney, Welbeck und Co zusammen

Auffällig ist, dass selbst die Presse auf der Insel einigermaßen die Füße stillhält und eher auf die Euphoriebremse tritt. Und das, obwohl der Youngster in 14 Spielen genauso viele Tore schoss, wie die restlichen nominierten Stürmer Rickie Lambert, Danny Welbeck und Wayne Rooney in 35 Spielen zusammen.

Druck verspürt er selbst nicht. "Die Leute erwarten etwas von mir, aber ich selbst bleibe locker. Ich versuche das alles zu genießen. Ich bin mental stark genug, nach alledem was ich im Leben bisher durchgemacht habe. Ich bin eine starke Persönlichkeit und haben eine starken Charakter - so etwas kann man nicht zerstören", sagt Berahino.

Ob er am Samstag gegen Slowenien (18 Uhr im LIVE-TICKER) bereits zu seinem Debüt kommt, muss erst abgewartet werden. Immerhin geht es gegen den Tabellenzweiten und derzeit ärgsten Verfolger. So wird Berahino womöglich erst im Testspiel am Dienstag in Schottland zum Einsatz kommen. Sollte er im ewigen Bruderduell einen Treffer erzielen, die englische Presse könnte nicht mehr so bedacht über den 21-jährigen Jungen schreiben.

Vielleicht aber hat die englische Presse aus dem vergangenen Gehype der letzten Jahre auch ein wenig gelernt. Die beiden Stürmer, die mehr Treffer für Englands U21 schossen waren Alan Shearer und Francis Jeffers. Shearer wurde eine Ikone. Und Jeffers? Dessen Karriere verlief im Sand.

Zu wünschen wäre Saido Berahino ein ähnliches Schicksal nicht. Sein aktueller Trainer Alan Irvin gibt ihm nur mit auf den Weg, "das zu tun, was getan werden muss". Dann können auch die englischen Medien nicht anders, als ihn zu feiern.

Saido Berahino im Steckbrief

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