Keine Magie - aber ein System

Von Stefan Moser
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© Imago

München - Noch 236 Tage bis zur EURO 2008 in Österreich und der Schweiz. Nach dem 0:0 in Irland sind das für die deutsche Mannschaft nun 236 Tage Vorbereitung für das eine große Ziel: Das Endspiel in Wien.

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Mit dem Remis in Dublin hat sich die Elf von Joachim Löw als erstes Team überhaupt sportlich für die Europameisterschaft qualifiziert - so früh wie noch keine andere Mannschaft in der Geschichte des deutschen Fußballs.

Rein rechnerisch sind die noch ausstehenden Spiele gegen Tschechien, Zypern und Wales damit bedeutungslos. Platz zwei ist der noch ungeschlagenen deutschen Elf nicht mehr zu nehmen. Am Mittwoch gegen Tschechien kann Deutschland auch den Gruppensieg perfekt machen.

"Der Kreis hat sich heute geschlossen", sagte Löw nach dem hart erkämpften Punkt in Dublin: "Wir haben vor gut einem Jahr das erste Qualifikationsspiel gegen Irland gewonnen - und haben heute wieder gegen Irland die Qualifikation geschafft".

"Besonderes Lob an die Mannschaft" 

Kurze Denkpause - dann ein typisches Löw-Zitat hinterher: "Das ist auch ein besonderes Lob an die Mannschaft wert." Schon seit Beginn seiner Amtszeit hat Löw das "Ich" aus seinem Wortschatz gestrichen. Im Vordergrund stehen immer: Die Mannschaft, das System, die Spielphilosophie und die Sache als Ganzes.

Dabei schließt sich jener Kreis vor allem um den einen festen Mittelpunkt: Den Bundestrainer. Das 1:0 im Hinspiel am 2. September 2006 in Stuttgart war auch das erste Pflichtspiel von Joachim Löw als Cheftrainer.

Ein kurzer Rückblick auf die Pressestimmen von damals zeigt, mit wie viel Skepsis der Nachfolger von Jürgen Klinsmann in die Qualifikation begleitet wurde.

Als "drittbeste Lösung" hinter Klinsmann und Daum wurde Löw bezeichnet: Die Gefahr sei groß, "dass der deutsche Fußballfrühling bald zu Ende geht."

Hinter dem Erfolg steht ein Programm

Vor allem als Führungspersönlichkeit stand der 47-Jährige in Frage: "Als Solisten kann man sich Löw kaum vorstellen." Wo Klinsmann strahlte, da wirke Löw eher blass. "Kann er sich, falls nötig, ähnlich kompromisslos wie Klinsmann durchsetzen?", wurde gefragt.

Das persönliche Profil, die Ausstrahlung und Durchsetzungskraft des neuen Bundestrainers gaben vermeintlich Anlass zur Sorge.

Neun Spiele und sieben Siege später ist klar: Es war nicht allein der magische Glanz in Klinsmanns Augen, der Deutschland während der WM im eigenen Land auf Platz drei leuchtete.

Hinter dem Erfolg stand und steht ein Programm. Ein modernes Spielsystem, das nicht zuletzt von Löw entworfen und weiterentwickelt wurde und wird. Die genuine Stärke dieses Konzepts lässt sich auch an der Tatsache ablesen, dass selbst der Ausfall des halben Stammpersonals zu kompensieren ist. Der Einzelne ist ersetzbar geworden.

Stürmer ohne Durchschlagskraft

Zwar war von taktischen Feinheiten gegen Irland freilich nicht allzu viel zu sehen. Das lag aber auch daran, dass mit Mario Gomez und Kevin Kuranyi auch die zwei kantigsten deutschen Stürmer größte Mühe hatten, gegen die noch kantigeren Richard Dunne und Steve Finnan Kopfball-Duelle zu gewinnen und den Ball in der Spitze zu behaupten.

Mit zunehmender Spieldauer rückte zudem das Mittelfeld immer weniger nach. Vor allem die Rekonvaleszenten Torsten Frings und Clemens Fritz schlichen gegen Ende der Partie doch reichlich entkräftet über den Platz, vermieden unnötigen Aktionismus und waren froh, wenn der Ball nicht erst gar nicht zu ihnen kam.

Auch die defensive Grundordnung im Mittelfeld konnte sich nur selten beweisen, weil die Iren in der Offensive schlicht ohne Mittelfeld spielten. Gegen die langen Bälle stand die deutsche Innenverteidigung um Per Mertesacker und Christoph Metzelder dafür einmal mehr souverän. Nur vier Gegentore in neun Spielen, so der eindrucksvolle bisherige Arbeitsnachweis der deutschen Defensive.

Souveräner Anführer mit starkem Profil

Doch viel mehr als eine kämpferisch geschlossene Mannschaftsleistung überzeugte am Samstag in Dublin das Auftreten von Joachim Löw. Und zwar eben nicht als stiller Stratege im Hintergrund, sondern als souveräner Anführer mit starkem persönlichen Profil.

Gewohnt klar und nüchtern analysierte er das Spiel. Erfrischend selbstbewusst formulierte er sein nächstes Ziel, mit Deutschland den EM-Titel holen zu wollen. Überraschend nachhaltig und entschieden äußerste er sich aber auch zu seiner Vertragsverlängerung beim DFB.

"Ich muss erstmal sehen, ob ich meinen Vertrag über die EM hinaus überhaupt verlängere", ließ Löw durchaus resolut wissen. Denn: "Es gibt von mir auch gewisse Erwartungen, Bedingungen und Wünsche an den Verband."

Löw hat klare Vorstellungen

Gemeint waren damit unter anderem die Trainer- und Jugendausbildung beim DFB sowie das Assistententeam, über das Löw weiterhin mitbestimmen will. So spricht niemand, dem es an Führungsqualitäten mangelt. Als Solist kann man sich Löw inzwischen also sehr wohl vorstellen.

Denn der Bundestrainer hat äußerst klare Vorstellungen - und die ist er bereit, auch klar zu formulieren und, wenn nötig, auch gegen Widerstände zu verteidigen. Denn vor allem geht es Löw um: Die Mannschaft, das System, die Spielphilosophie und die Sache als Ganzes.

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