"Irland ist besser als England"

Von Haruka Gruber
Keane, Robbie, Irland
© Getty

München - Die Zuhörer waren kurz irritiert. Gegen wen spielt Deutschland (20.45 Uhr im LIVE-TICKER) noch mal? War es Italien? Frankreich? Oder doch Brasilien?

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"Ich denke, dass unser nächster Gegner derzeit besser ist als England. Wir müssen an unsere Grenzen gehen", sagte Joachim Löw.  Respekt schwang da mit, auch ein bisschen Hochachtung. Nur, dass es nicht den Riberys und Ronaldinhos galt.

Nein, der Bundestrainer sprach über Irland. Irland, das in der EM-Qualifikationsgruppe E abgeschlagen den dritten Platz belegt. Irland, das im Mai gegen Ekuador und Bolivien nur zwei Remis erreichte. Irland, das vor fast genau einem Jahr auf Zypern 2:5 verlor.

Dennoch beharrt Löw darauf, dass Steve Stauntons Mannschaft ein größeres Kaliber sei als England. "In der Mannschaft steckt eine enorme Qualität, immerhin besteht der Kader fast ausschließlich aus Premier-League-Spielern", so Löw.

Kein Fallobst

Es ist hinlänglich bekannt, dass Löw ein Gentleman ist, nicht zuletzt seiner freundlichen Art wegen. Fällt der Irland-besser-als-England-Vergleich demnach nur in die Kategorie "Als guter Gast bringe ich statt Blumen ein nettes Kompliment mit"?

Mitnichten. Es mag sein, dass im irischen Team ein Weltstar wie Roy Keane fehlt und Flügeflitzer Damien Duff seit Monaten pausiert - nichtsdestotrotz sind die Paddys beileibe kein Fallobst. Mit Robbie Keane und Richard Dunne werden immerhin zwei Koryphäen aus der Premier League auflaufen, und auch Shay Given oder Steve Finnan sind ein Begriff.

Woher nehmen, wenn nicht stehlen

Und was in der Euphorie um Löws Truppe etwas untergeht: Die Deutschen werden in Dublin im Gegensatz zu Irland nur mit einer besseren B-Elf auflaufen. Gegen die Tschechen oder die Slowaken gab es bereits etliche Ausfälle - die aktuelle Personalnot befindet sich aber auf einem Jahreshoch.

Zumal viele Spieler, die einsatzbereit sind, sich erst jüngst von ihren Verletzungen zurückmeldeten oder bei ihren Klubs nur sporadisch eingesetzt werden. Auf Torsten Frings oder Clemens Fritz trifft ersteres zu, das Schicksal von Jens Lehmann, Lukas Podolski und David Odonkor ist bekannt. Spielpraxis als knappes Gut.

Voll im Rhythmus

Im Gegensatz dazu Irland: Sturmführer Keane setzte sich bei den hochkarätig besetzten Tottenham Hotspurs durch, Manchester Citys Dunne gilt als einer der besten Innenverteidiger in England, Steve Finnan ist unumschränkte Stammkraft beim FC Liverpool.

Die Liste lässt sich nahtlos fortsetzen. Die Mittelfeldspieler Stephen Hunt (Reading), Andy Reid (Zweitligist Charlton), Kevin Kilbane (Wigan) und Lee Carsley (Everton) sind etablierte Größen in ihren Klubs, auch der letztjährige Premier-League-Shootingstar Kevin Doyle ist trotz Torflaute in Reading weiterhin gefragt. Spielpraxis im Überfluss.

Himmlische Zustände für Staunton, möchte man meinen. In der zu erwartenden ersten Elf kommt nur Manchester Uniteds John O'Shea nicht über das Reservisten-Dasein hinaus.

Stauntons Appell

Aber Staunton gefällt sich offenbar in der Rolle des Außenseiters. "Das stimmt doch gar nicht, dass nur Löw Sorgen hat", sagte der ehemalige Nationalspieler. "Reid, O'Shea und zwei, drei weitere Spieler sind angeschlagen. Vielleicht muss ich einen ganz Jungen ins kalte Wasser schmeißen."

Ob das aber als Ausrede reicht, um seine zahlreichen Kritiker im Falle einer Niederlage milde zu stimmen? Vermutlich nicht. Daher auch Stauntons Appell: "Wir geben immer unser Bestes, dennoch wird erwartet, dass wir jedes Spiel gewinnen. Aber es muss klar sein, dass wir keine Schwergewichte im Weltfußball sind." Richtig, die Rede ist von Irland - und nicht von Italien, Frankreich oder Brasilien.

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