Der Fluch der Quali-Könige

Von Stefan Rommel
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© Getty

München - Es ist der 25. Juni 2000, Jan-Breydel-Stadion zu Brügge. Ein schwüler Abend und aufregend noch dazu.

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Frankreich und Spanien kämpfen um den Einzug ins EM-Halbfinale, beim Stand von 2:1 für die Franzosen verhängt Schiedsrichter Pierluigi Collina in der 90. Minute einen Elfmeter für Spanien.

Der etatmäßige Schütze Gaizka Mendieta sitzt seit der 57. Minute auf der Bank, also übernimmt Raul die Verantwortung. Kurzer Anlauf, kläglicher Schuss. Der Ball zischt weit übers Tor. Spanien ist draußen, Frankreich sieben Tage später Europameister.

Kein gutes Omen

Eine kleine Anekdote nur, die auf den ersten Blick in keinem Zusammenhang mit der deutschen Nationalmannschaft steht. Wäre da nicht diese ominöse Serie, die die Könige der Qualifikation im letzten Jahrzehnt förmlich verfolgt.

Spanien war mal wieder als einer der Favoriten ins Turnier gestartet, schließlich waren die Iberer zusammen mit Schweden die ersten, die sich für die Endrunde qualifiziert hatten.

Seit Samstag wissen wir: Deutschland ist bei der EURO 2008 dabei, hat es als erste Mannschaft überhaupt in den erlauchten Kreis der EM-Teilnehmer geschafft. Kein gutes Omen für Jogis Männer, auch wenn Torsten Frings - wahrscheinlich in einem schwachen Moment der Euphorie - ganz forsch die Favoritenrolle übernahm.

Ein Blick in die Geschichtsbücher und Online-Datenbanken beweist: Wer besonders geschmeidig durch die Quali geht, bekommt im Endturnier mächtig Probleme. Ein kurzer Rückblick auf eine Reihe schauderhafter Beispiele.

1996, EM-Endrunde in England

Russland marschiert nach Belieben durch die Qualifikation, ist bereits am 8. Spieltag durch. Das russische Reich träumt im November 1995 schon vom zweiten Titel nach 1960. Der folgende Sommer bringt schnelle Ernüchterung. Die Russen gehen in der (deutschen) Gruppe 3 mit nur einem Punkt und acht Gegentoren sang- und klanglos unter.

Bestes Team aller Quali-Gruppen war übrigens Spanien. Immerhin schafften die es bis ins Viertelfinale. Dann kamen im Elfmeterschießen die Latte und Englands Torhüter David Seaman...

1998, WM-Endrunde in Frankreich

Im Vorlauf zu den Festspielen kristallisierte sich Rumänien um den magischen Gheorghe Hagi als heimlicher Favorit heraus. Seit zwei Jahren ungeschlagen traten die Rumänen an, Platz eins in der Vorrunde bestätigte die gute Form. Im Achtelfinale war dann aber nach einem Torwartfehler gegen Kroatien doch schneller Schluss als gedacht.

2000, EM-Endrunde in Belgien und den Niederlanden

Die Schweden und eben wieder Spanien waren nach acht Spieltagen schon qualifiziert. Tschechien schaffte gar das Kunststück, seine Gruppe ohne Verlustpunkt und mit nur einem Gegentor aus zehn Spielen zu beherrschen. Die Tschechen gingen dann aber als Dritter der Gruppe D ein, Schweden wurde gar Letzter in Gruppe B. Und die Spanier? Nun ja, Raul weiß darüber am besten Bescheid.

2002, WM-Endrunde in Japan und Südkorea

Polen sicherte sich schon nach acht Spieltagen das Ticket für Fernost. Die Söhne Dombrowskis gingen dann aber im Sommer 2002 ohne große Gegenwehr in der Vorrunde raus. Als bestes Team Europas dekoriert reisten die Schweden an. Nach hervorragender Vorrunde ereilte die Tre Kronors aber im Achtelfinale gegen Senegal der schnelle Tod.

2004, EM-Endrunde in Portugal

Acht Siege aus acht Spielen: Frankreich ging als Titelverteidiger und großer Favorit ins Rennen. Die Vorrunde lief glatt, im Viertelfinale wartete mit Griechenland das vermeintlich leichteste Los. Das Griechen-Bollwerk und Rehhagels Anti-Fußball ließen die Franzosen verzweifeln. Nach gut einer Stunde dann das: Flanke Zagorakis, Kopfball Charisteas. Der Rest ist bekannt.

2006, WM-Endrunde in Deutschland

Und wieder unsere Freunde aus Polen und wieder nach Spieltag acht. Alles super in der Quali, in Gelsenkirchen, Dortmund und Hannover dann einige Monate später aber das Desaster. Wieder das Aus nach der Vorrunde.

Das beste Team der Qualifikation musste auch früh wieder nach Hause zu Käse und Tulpen. Die Holländer machten die Schmach von 2002 (Stichwort: Ohne Holland, fahr'n wir zur WM) wett und zertrümmerten ihre Gegner mit 32 Punkten aus zwölf Spielen förmlich. In Nürnberg war dann im Achtelfinale gegen Portugal aber Schluss.

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