Bekenntnis zu Wucht und Präzision

Von Stefan Rommel
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© Getty

München - Wohlfeil ausformulierte Sätze sind nicht so sein Ding. Der Oliver Bierhoff kann das ja perfekt und spuckt einen nach dem anderen aus. Die reine Routine.

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Lukas Podolski ist da anders. Redet einfach mal drauf los, auch wenn DFB-Mediendirektor Harald Stenger daneben vor Schreck oft krampfhaft das Gesicht verzieht.

Amüsante Anekdoten entstehen dann, was auf einer DFB-Pressekonferenz sonst so wahrscheinlich ist wie der Meistertitel für Bayer Leverkusen.

Die PK zum Tschechien-Spiel mit Lukas Podolski als Video 

Wenn Podolski redet, dann schmunzelt der Zuhörer unweigerlich und das ist eine gute Sache. Man kann gestrost sagen, dass Podolski etwas Verlässliches an sich hat.

Und wenn er dann auf dem Platz steht, dann offenbart sich das noch viel mehr.

Leicht, unbeschwert, frech

Was er angeblich alles nicht kann, konnte man in jüngster Vergangenheit ja in allen Zeitungen und auf allen Fernsehkanälen verfolgen.

Dabei hat die in den letzten Wochen geradezu aberwitzig geführte Debatte über einen 22-Jährigen im Leistungstief leider übertüncht, was eigentlich in Lukas Podolski steckt.

Und das sind Fähigkeiten, die nur wenige im deutschen Fußball in dieser Dichte und Qualität mit sich bringen.

Podolski steht für Fußball, wie er sein sollte. Leicht, unbeschwert und frech. Und er steht für die Essenz des Spiels: Für Tore. Beim Qualifikationsspiel gegen Tschechien wird viel von Podolski erwartet, alle Augen richten sich auf ihn.

Poldi solle sein Chance nutzen, sich durch die Hintertür bei Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld anbieten, endlich mal wieder ein vernünftiges Spiel abliefern.

Er wird seine Kritiker eines Besseren belehren, findet die SPOX-Redaktion und verweist im festen Glauben an die These auf folgende Stärken einer unserer großen Hoffnungen für die EM 2008.

Der Torabschluss-Faktor

Nicht Michael Ballack, nicht Tim Borowski, schon gar nicht Kevin Kuranyi oder Miro Klose haben die beste Schusstechnik im Nationalteam. Sondern Podolski.

Wo andere bisweilen geradezu absurd abschließen, kommt von Poldi nichts anderes als ein klares Bekenntnis. Ein Bekenntnis zu Wucht und Präzision. Kurze Annahme, Drehung, Schuss. Aus fünf Metern oder aus 35. Lieblingszitat dazu: "Ball rein und Ende."

Vielleicht hat er sich das im Training vom Ex-Bayern Roy Makaay abgeschaut, vielleicht kann er es schon immer. Egal, er kann es - und das so gut wie kein anderer.

Einziger Linksfuß im Sturm

Und wo wir schon dabei sind: Kuranyi, Klose, Gomez, Kießling, Hanke. Die deutsche Sturmreihe verfügt nur über Rechtsfüßer. Podolski ist der einzig echte Linksfuß. Ein nicht unerheblicher Vorteil, auch für Jogi Löws taktische Spielereien.

Im Eins-gegen-eins geht er unbekümmert auf den Mann, mit Zug zum Tor und der nötigen Aggressivität im Zweikampf. Vor dem Tor ist er dann eiskalt. Eins-zu-eins-Situationen gegen den Torhüter verwertet er mit verblüffender Ruhe und Sicherheit und braucht relativ wenige Chancen, um zum Torerfolg zu kommen.

Und das Beste: Poldi ist kein Schönwetterspieler, der nur trifft, wenn es ihm und der Mannschaft läuft. In einem schlechten Spiel ist Podolski der Go-To-Guy. Der Mann, der die Partie mit einem satten Schuss aus 20 Metern entscheidet. Eine seltene Fähigkeit und beruhigende Erkenntnis.

Der Taktik-Faktor

Schon zu Kölner Zeiten musste oder durfte Podolski als hängende Spitze in der Zentrale spielen und füllte diese Position mit gescheiten Pässen und Torgefahr aus.

Sein präzises Passspiel und sein gutes Auge, gepaart mit dem Wissen um den Laufweg des Stürmers machen Podolski zu einer echten Alternative im offensiven Mittelfeld.

Im Irland-Spiel bemühten sich Kuranyi und Piotr Trochowski abwechselnd und ohne Fortune nach Bastian Schweinsteigers Ausfall auf der Zehnerposition. Die Lösung hätte Poldi geheißen, denn durch die Mitte kam vom deutschen Team viel zu wenig.

Offenbar ist Podolski auch ein guter Zuhörer. Nicht umsonst lobte ihn Löw kürzlich für seine bei der Nationalelf erworbenen klugen Laufwege. Im Spiel in Dublin waren davon einige sehr schöne zu bewundern.

Der Euphorie-Faktor

Podolskis Spiel ist spektakulär und spektakuläres Spiel erfreut die Zuschauer. Auch bei spielerisch eher spärlichen Auftritten der DFB-Elf hatte Podolski immer seine Aktionen, rüttelte das Publikum wenn nötig damit auch mal auf.

Und außerdem: Wer sonst als Poldi - und vielleicht noch Schweini - kann von sich behaupten, als echtes "Role Model" für eine ganze Generation zu stehen? Podolski reißt die Jugend mit. Er füllt die Regenbogen-Presse und die Bravo.

Was Poldi trinkt, trinkt der 14-Jährige. Was Poldi trägt, trägt der 14-Jährige. Und so wie Poldi trickst, tricksen Millionen deutscher Kinder und Jugendlicher jeden Tag auf dem Bolzplatz.

Poldi statt Brdaric 

Es darf als großer Coup des DFB gelten, dass sich der Verband vor vier Jahren schnell und unprätentiös um den gebürtigen Polen bemühte und ihm eine Karriere im Adler-Dress ans Herz legte.

Denn wer weiß, vielleicht würde heute sonst - bei allem Respekt - Thomas Brdaric für Deutschland stürmen. Und Harald Stenger hätte endlich unbeschwerte Arbeitstage.

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