Löws Glückssprung beim Chef-Debüt

SID
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© Getty

Klagenfurt/Tenero - Sein Freudensprung über das 2:0 gegen Polen ließ kaum Luft nach oben - doch richtig ausgiebig jubeln will Joachim Löw erst nach dem Finale am 29. Juni in Wien.

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Wie wichtig für den Bundestrainer das zweite Tor von Lukas Podolski und damit der gelungene Start in die Europameisterschaft war, verdeutlichte sein Gefühlsausbruch in der 72. Minute.

"Unter Strom steht man als Trainer immer während des Spiels. Man lebt die Emotionen mit", kommentierte Löw seinen heftigen Gefühlsausbruch.

Der 48-Jährige war nach "Poldis" zweitem Streich mehr als einen Meter hoch in die Luft gesprungen und hatte dabei beide Beine hochgerissen wie einst sein Chef Jürgen Klinsmann bei der Weltmeisterschaft 2006.

Schönes Erlebnis für Löw

Löw, die Ärmel seines weißen Hemdes kampfeslustig hochgekrempelt und die Fäuste beim Jubeln geballt, bemühte sich um Normalität nach seinem ersten Turnier-Spiel als Chefcoach. "Wir hatten schon einige Qualifikationsspiele, die auch sehr wichtig waren."

Und trotz aller sichtbaren Anspannung konnte er auch ein wenig die 90 Minuten im Wörthersee-Stadion genießen: "Es war ein schönes Erlebnis für mich, alleinverantwortlich auf der Bank zu sitzen."

Zumal er sich selbst nach heiß diskutierten Entscheidungen in den vergangenen Wochen auch persönlich erst einmal als Sieger fühlen darf.

Kritik im Vorfeld

Trotz aller Kritik hatte der einstige Klinsmann-Assistent vor seinem ersten großen Turnier als Chef an Jens Lehmann und Christoph Metzelder festgehalten, die in der EM-Saison lange nur Ersatz bzw. Rekonvaleszent waren. Löw sortierte in Timo Hildebrand die Nummer 2 im Tor aus.

Im ersten Teil der EM-Vorbereitung setzte er ein "Casting" an - und schickte die aufstrebenden Marko Marin, Patrick Helmes und Jermaine Jones wieder nach Hause. Jetzt zog er gegen Polen das Wagnis mit Podolski als dritten Stürmer im Mittelfeld durch.

"Es war sicher ein Zeichen von Joachim Löw: Wir wollen uns hier nicht verstecken, sondern richtig Gas nach vorne geben", sagte Manager Oliver Bierhoff.

Zoff mit Frings

Der Bundestrainer ging an der Seitenlinie jeden Angriff mit, griff immer wieder verbal ein und scheute auch nicht einen kurzen Zoff mit einem seiner wichtigsten Spieler. "Wir waren kurz mal nicht einer Meinung", berichtete Torsten Frings von taktischen Differenzen und schloss an:

"Das musste eben raus. Das sind zwei Hitzköpfe, da rasselt eben schon mal was zusammen." Nach dem Spiel war für Löw die verbale Auseinandersetzung abgehakt: "Das war kein Disput."

Löw möchte in diesem Sommer bei der EM nicht nur gut abschneiden, er will den Titel bei seiner ersten Mission als Cheftrainer. Das war von seinen neun Vorgängern bisher nur Jupp Derwall gelungen, der mit dem DFB-Team zwei Jahre nach seiner Amtsübernahme 1980 in Italien Europameister geworden war.

"Drehbuch" für den EM-Titel

In einem ausgeklügelten "Drehbuch" hat Löw mit einem System von Spezialisten den Weg auf den Gipfel festgehalten. Falls dieser Weg in der Praxis diesmal noch kurz vor dem Ziel scheitern sollte, wird Löw 2010 bei der WM einen zweiten Anlauf nehmen dürfen.

Denn die Gefahr eines Vorrunden-Scheiterns, das 2000 Erich Ribbeck und 2004 Rudi Völler den Job gekostet hatte, scheint schon jetzt gebannt. Vielleicht fiel der Luftsprung von Löw auch deshalb so hoch aus.