Kroaten haben in Österreich Heimspiele

SID

Klagenfurt - Die EM-Spiele der kroatischen Fußball-Nationalmannschaft in Wien und Klagenfurt sind für das feurige Team vom Balkan zu Heimspielen geworden.

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Ohrenbetäubender Jubel trieb die Elf von Trainer Slaven Bilic im ersten Match gegen Österreich in Wien - zumindest in der ersten Halbzeit - nach vorn. Auch beim zweiten Spiel gegen Deutschland in Klagenfurt werden tausende Fans vom Balkan ihrem Team wieder einheizen und in ihren rot-weiß-karierten Trikots die Fanmeilen bevölkern.

Mit Krawallen rechnen die Sicherheitskräfte - wie schon beim ersten Spiel in Wien - nicht. Denn für zehntausende Kroaten ist Österreich längst zur zweiten Heimat geworden. Zwischen 70 000 und 90 000, so schätzt Peter Tyran, Chefredakteur eines kroatischen Wochenblatts in Wien, leben inzwischen in der Alpenrepublik. Genaue Zahlen gibt es nicht. Doch allein im Burgenland sind mindestens 20 000 "burgenländische Kroaten" registriert, die von den Habsburgern in den vergangenen Jahrhunderten angesiedelt wurden. Die meisten Kroaten kamen während des Balkankrieges in den 1990er Jahren nach Österreich, und viele haben - ähnlich wie in Deutschland - inzwischen die Staatsangehörigkeit des Gastgeberlandes angenommen.

Doch selbst nach Jahrhunderten fühlen sich diese Kroaten ihrem Volk noch zugetan. So wartete auf das kroatische Fußballteam bei der Ankunft im burgenländischen Bad Tatzmannsdorf eine besondere Überraschung: "Dobro Dosli!" (Herzlich Willkommen) hatten Fans zusammen mit einer kroatischen Flagge, auf die Straße gemalt. Bei der offiziellen Begrüßung der Mannschaft am Abend waren etwa 1000 Fans so begeistert, dass einige die Bühne stürmten. Die Feier wurde abgebrochen, die Spieler verließen fluchtartig den Platz.

Insgesamt stellen die Kroaten in Österreich hinter Serben und Montenegrinern die stärkste Bevölkerungsgruppe vom Balkan. Allein in Wien leben nach Schätzungen bis zu 50 000 Kroaten, die sich bevorzugt im Wiener Bezirk Ottakring niedergelassen haben. Die gleichnamige Hauptstraße des Arbeiterbezirks wird wegen ihrer vielen kroatischen und serbischen Lokale auch "Balkan-Meile" genannt. Doch trotz ihrer großen Zahl treten die Kroaten in Wien so gut wie nie negativ in Erscheinung. Sprachlich sind sie weitgehend integriert, und viele haben im Laufe der Jahre die Schreibweise ihrer Namen dem Deutschen angepasst. Wie etwa der österreichische Mittelfeldspieler und Teamkapitän Andreas Ivanschitz.

Dass die Österreich-Kroaten so gut in der Alpenrepublik integriert sind, hat nach Auffassung von Tyran nicht zuletzt seinen Grund in der Geschichte: "Wir haben keinen so problematischen Hintergrund wie etwa Deutsche und Polen." Zwar gab es im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Konflikte und Spannungen zwischen den beiden Völkern, doch "heute zählt bei uns die Vernunft". Zu einem Gewissenskonflikt kommt es für die Fans allerdings, wenn Österreich und Kroatien - wie jetzt bei der EM - im Fußball aufeinandertreffen. Denn dann müssen sie sich entscheiden. "Mit dem Herzen waren wir bei dem Spiel natürlich für Kroatien", gesteht der Journalist Tyran nach dem 1:0-Sieg der Bilic-Elf, "aber die Vernunft war für ein Unentschieden."