Klasnics märchenhafte Eigenwerbung

SID
Fußball, EM 2008, Kroatien, Polen, Klasnic
© DPA

Klagenfurt - Als Matchwinner Ivan Klasnic unter dem donnernden Applaus der kroatischen Fans in der 74. Minute den Platz verließ, hatte er sein unglaubliches Fußball-Märchen längst gekrönt und beste Werbung in eigener Sache betrieben.

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"Das ist wie ein zweites Leben, es fühlt sich wie ein Traum an", versuchte der sympathische Angreifer seine Gefühlslage nach dem 1:0-Sieg über Polen in Worte zu fassen. Zugleich wuchs nach seinem Gala-Auftritt in dem Noch-Bremer die Hoffnung, bald einen neuen Arbeitgeber zu finden.

"Das Tor habe ich meiner ganzen Familie gewidmet. Es war natürlich ein schweres Jahr, aber ich glaube, es endet gut", sagte der nach dem Schlusspfiff von seinen Mitspielern fast erdrückte Klasnic.

Ein medizinisches Wunder 

Zuvor hatte der gebürtige Hamburger mit einem doppelten Novum EM-Historie geschrieben: Nur 15 Monate nach seiner Nierentransplantation bestritt Klasnic eine EURO-Partie - und erzielte prompt in der 52. Minute das Tor des Tages. "Klasnic ist ein medizinisches Wunder", schrieb das "Index-Internetportal" über den torgefährlichen Stürmer.

Dass sein Hollywood-reifer Treffer das Ende von Polens erstem EM-Abenteuer besiegelte und dem niederländischen Coach Leo Beenhakker in die Schusslinie der polnischen Boulevardblätter brachte, ging im Trubel um Klasnic fast unter.

Dessen Teamkollegen schwelgten nach dem wundersamen Comeback des "Man of the Match" jedenfalls in Superlativen. "Das Leben schreibt die schönsten Geschichten. Es zeigt, es gibt einen lieben Gott", sagte Kapitän Niko Kovac. "Das war nicht nur wichtig für ihn, sondern für das ganze Land", bemühte sich Schalkes überragender Jungstar Ivan Rakitic um patriotisches Pathos.

Klubs strecken die Fühler aus 

Klasnic gab zu, dass ihm "sehr viele Steine vom Herzen gefallen" sind, doch nach seiner "Traumgeschichte" stellte er auch Ansprüche an die Adresse seines Trainers Slaven Bilic. "Wenn ich schon dabei bin, möchte ich natürlich auch spielen", sagte der 28-Jährige mit Blick auf das Viertelfinale gegen die Türkei am Freitag.

Denn mit einer starken EURO will sich Klasnic, der Werder Bremen nach sieben Jahren im Sommer verlassen wird, zugleich für einen neuen Klub empfehlen.

Und im 1. FC Köln und dem Hamburger SV sollen schon die ersten Bundesliga-Klubs ihre Fühler nach dem ablösefreien Sturm-Wühler ausgestreckt haben. "Die Vereine werden sich um ihm reißen", glaubt Niko Kovac an ein baldiges Ende der "psychischen Belastung".

Jeder wollte Klasnics Tor 

Die Klasnic-Story demonstrierte einmal mehr, was das kroatische Team bei dieser EM auszeichnet. Obwohl Bilic auf neun Stammkräfte verzichtete und nur eine B-Elf einsetzte, dominierten die Kroaten nach Belieben und konnten sich gegen enttäuschende Polen den Luxus leisten, nur für Klasnic zu spielen.

"Heute hat die ganze Mannschaft für ihn gearbeitet. Jeder im Team wollte, dass Ivan ein Tor schießt", sagte Sturmpartner Mladen Petric von Borussia Dortmund. Als dann der Gänsehaut-Moment (Josip Simunic) eintraf, gab es kein Halten mehr.

Während die Kroaten dank ihrer makellosen Vorrundenbilanz von drei Siegen vor Selbstvertrauen strotzen und das beste Turnier seit zehn Jahren spielen, müssen die Polen bei ihrem EM-Debüt schon nach der Vorrunde die Koffer packen.

Beenhakker will Vertrag erfüllen 

"Wir fühlen uns alle schlecht, denn wir haben bei der EM als ganze Mannschaft nicht gut gespielt", klagte Torjäger Ebi Smolarek, neben dem Wolfsburger Jacek Krzynowek eine der großen polnischen Turnier-Enttäuschungen.

Nationalcoach Beenhakker will - mit der Jobgarantie von Verbandschef Michal Listkiewicz in der Tasche - seinen Vertrag mindestens bis zum Ende der WM-Qualifikation 2010 erfüllen.

Der Kritik in den heimischen Boulevardblättern sieht der niederländische Trainer-Fuchs gelassen entgegen: "Ich bin darauf vorbereitet, weil das nicht nur eine polnische Hölle ist, sondern Teil unseres Berufs."

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