Fußballfan Merkel fiebert bei EM mit

SID
Fußball, EM 2008, Schweinsteiger, Merkel
© DPA

Berlin - Sie küsste Franz Beckenbauer, plauderte mit Bastian Schweinsteiger und lobte Philipp Lahm. Angela Merkel hat bei der Europameisterschaft in Wien mitgefiebert.

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Staatsmütterlich begrüßte sie Trainer Joachim Löw, als er auf die Tribüne verbannt wurde und erlebte, wie sich die deutschen Fußballer gegen Österreich mit 1:0 ins Viertelfinale zitterten.

Hinterher war die Kanzlerin "erleichtert" und meinte: "Ende gut, alles gut. Es ist effizient gespielt worden, das Resultat stimmt." An ihre Rolle als öffentlicher Fußballfan, dessen Jubelposen genau beobachtet werden, hat sich die Regierungschefin gewöhnt.

Kanzlerin keine Sportskanone 

Merkel als Medien-Profi würde sich davor hüten, vor den Kameras den Ball zu kicken, wie es ihre Vorgänger Helmut Kohl und Gerhard "Acker" Schröder getan haben. Die Kanzlerin ist keine Sportskanone, sie zieht den Garten dem Fitness-Studio vor. Aber: Ein Fußballfan sei sie schon immer gewesen, pflegt Merkel zu sagen.

Nur wurde sie früher nie beim Gucken beobachtet. Das hat sich geändert, seit sie Kanzlerin ist. Der Öffentlichkeit entgeht nicht, wenn ihr der Verteidigungsminister einen Zipfel vom schwarz-rot-goldenen Fanschal umhängt oder sie sich zum Verfolgen des Spiels die Brille aufsetzt.

Belege für Merkels Hang zum Leder gibt es einige. Sie ist Ehrenmitglied bei Energie Cottbus, 2006 hüpfte sie vor Freude beim WM-Spiel gegen Polen, Trainer Jürgen Klinsmann herzte sie innig - so hatte man die nüchterne Kanzlerin vorher noch nicht gesehen.

"Spannung bis zur letzten Minute" 

Und Torwart Jens Lehmann wird wohl nicht vergessen, wie er von der CDU- Chefin vor versammelter Mannschaft über das Elterngeld aufgeklärt wurde, eine denkwürdige Szene aus Sönke Wortmanns Film über das "Sommermärchen".

Merkel und Fußball, das ist laut Darstellung der Kanzlerin ein längeres Kapitel. Sie war früher ein Fan des niederländischen Fußballstars Johan Cruyff und hat schon 1974 als Studentin in Leipzig im Stadion gesessen, als die DDR gegen England spielte. So ist es in einem Interview zu lesen, das die Politikerin zur EM der "Süddeutschen Zeitung" gab.

Demnach fasziniert Merkel an dem Sport: "Die Spannung oft bis zur letzten Minute, dass sich immer wieder neue Möglichkeiten ergeben, dass man mit ganz unterschiedlichen Mannschaften gewinnen kann. Und dass sich sehr viel über den Kopf abspielt, über die innere Freiheit, das Selbstvertrauen." Ähnliches hätte die Kabinettschefin auch über das Regieren sagen können.

"Teile die Freude am Fußball" 

Volksnähe, aber bloß nicht lächerlich wirken - das scheint Merkels Credo zu sein. Sie versucht erst gar nicht, sich wie die Männer in markigen Sportposen ablichten zu lassen, wie Wladimir Putin beim Angeln oder Nicolas Sarkozy beim Paddeln. Sie setzt eher auf Selbstironie.

So erzählte die Kanzlerin bei einer Preisverleihung, dass ihr in Studienzeiten eine Laufprüfung Sorgen machte, die in der DDR noch Bestandteil des Physik-Diploms war. "Das war die einzige Prüfung, bei der ich je durchgefallen bin." Bei ihrer Nachprüfung habe man wohl ein Auge zugedrückt, vermutete sie.

Ein völliger Sportmuffel ist die 53-Jährige dennoch nicht, das Interesse ist da. "Die Freude am Fußball teile ich mit vielen Millionen Menschen in Deutschland", meint Merkel.

DFB-Elf steht für gute Integration 

"Aber ich bin der festen Überzeugung: Die Menschen würden es sofort durchschauen, wenn ich diese Freude instrumentalisieren würde." Die bunt gemischte Nationalmannschaft ist für die Kanzlerin auch ein Beispiel für gelungene Integration, wie sie bei einem Festakt sagte. "Ich lese Ihnen mal ein paar Namen von sehr erfolgreichen Mitbürgern vor: Mario Gomez, Oliver Neuville, Miroslav Klose, Kevin Kuranyi, Lukas Podolski."

Beim nächsten Deutschlandspiel wird Merkel auf der Tribüne fehlen. Am Donnerstag ist EU-Gipfel in Brüssel, wo ihr das Geschehen bei der Partie gegen Portugal aber sicher nicht entgehen wird - notfalls vielleicht per SMS.

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