Löw: DFB-Team steht in der Pflicht der Fans

SID
Fußball, EM 2008, Löw
© DPA

Wien - Der Ton ist rauer geworden, aber entladen soll sich der aufgestaute Frust im deutschen Nationalteam im brisanten K.o.-Spiel gegen Österreich (Mo., 20.30 Uhr im SPOX-TICKER).

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Nachdem sich Michael Ballack & Co. intern "mal laut die Meinung gesagt haben" und auch Bundestrainer Joachim Löw die Tonlage deutlich verschärft hat, rechnet keiner mit einem neuen Cordoba.

"Ich hoffe, dass wir am Montag eine Reaktion zeigen. Das Spiel ist jetzt wie ein Achtelfinale für uns", erklärte Kapitän Ballack, der am Sonntag aber auch offen das Risiko des Gruppen-Endspiels gegen das vor Turnierbeginn selbst im eigenen Land belächelte Hickersberger-Ensemble ansprach: "Die Gefahr ist, dass man ausscheiden kann. Die Österreicher haben nichts zu verlieren."

Es gibt keinen Plan B 

Den dritten Vorrunden-K.o. bei einer Europameisterschaft in Serie kann und will sich vor den 90 wichtigsten Minuten in der Amtszeit von Löw niemand im DFB-Lager ausmalen.

"Einen Plan B gibt es bei uns definitiv nicht", antwortete Löws Assistent Hans-Dieter Flick fassungslos auf die Frage, wie die Abläufe im Falle der ersten Niederlage seit 22 Jahren gegen den Weltranglisten-92. wären.

Löw erklärte den Einzug ins Viertelfinale gegen Portugal nach dem Abschlusstraining im Wiener Happel-Stadion sogar zu einer nationalen Verpflichtung. "Uns muss allen bewusst sein, dass in Deutschland 30 Millionen Fans zuschauen und auf uns hoffen. Darum stehen wir in der Pflicht", sagte er.

Es zählt nur der Sieg 

Dazu passt, dass auf der Tribüne neben Bundeskanzlerin Angela Merkel auch noch sechs Bundesminister mitfiebern werden. Nicht einmal ein Unentschieden, das schon für Platz zwei in Gruppe B reicht, kommt im eigenen "Gedankengut" vor, wie Löw-Gehilfe Flick hervorhob: "Für uns zählt nur ein Sieg und das Weiterkommen."

Ein schmachvolles Aus gegen die Skifahrer-Nation Österreich ist für die Fußball-Macht Deutschland undenkbar. "Wir werden an unsere eigenen Stärken appellieren", betonte Löw, der das Prestigeduell vor einem euphorisierten österreichischen Heimpublikum zur Charakterfrage erklärt hat: "Es wird ein Tag der Extreme."

In der Tat: Eine Pleite könnte Löw den Job kosten, ein Sieg Flügel für die folgenden K.o.- Runden verleihen. "Das ist ein Super-Spiel. Du kannst den Gastgeber rausschmeißen. Das gibt Selbstvertrauen für den weiteren Verlauf des Turniers", erklärte Mittelfeldspieler Torsten Frings.

Reizklima im Wohlfühl-Quartier 

Bevor das österreichische Team die Überlegenheit des WM-Dritten erleben soll, wurde intern Klartext geredet. Auf Initiative von Löw hatten sich die Akteure am Tag nach dem 1:2 gegen Kroatien ohne die Trainer getroffen und in "Fußballersprache" die Meinung gegeigt, wie Ballack berichtete.

Ein "Krisengespräch" sei es nicht gewesen, aber ein sehr offenes. "Wenn man verliert, wird die Sprache rauer", betonte Ballack: "Da muss der Ton nicht immer getroffen werden."

"Das hat der Mannschaft gut getan", kommentierte Löw die Aussprache. Es ist im bislang so kuscheligen deutschen Wohlfühl-Quartier am malerischen Lago Maggiore augenscheinlich ein Reizklima entstanden, das aber laut Ballack nichts mit den regelmäßigen Besuchen einiger Spielerfrauen zu tun habe.

"Wir müssen Vollgas geben" 

Vielmehr fühlen sich einige Akteure wohl als Sündenböcke abgestempelt, wie der neben seinem Sturmpartner Miroslav Klose heftig in der Kritik stehende Mario Gomez im ARD-Hörfunk erkennen ließ: "Wenn du zwei, drei Mal nicht triffst als Stürmer und das Spiel verlierst, dann bist du gleich der Depp, der Vollidiot", schimpfte der Stuttgarter.

Zu Deppen der Nation will aber keiner werden, der im EM-Final-Stadion von Löw auf den Platz geschickt wird. "Wir müssen Vollgas geben", forderte Ballack, der nach dem reinigenden internen Gewitter nun zur Ruhe mahnte: "Man muss jetzt nicht alles verdammen."

So sieht es auch Löw, der einen Radikal-Umbau nicht auf der Agenda hat. Die personellen Überlegungen hatte er ungewöhnlich früh abgeschlossen. "Ich bin mir über meine Aufstellung im Klaren", bestätigte er in Wien.

Neuauflage der WM-Abwehr 

Philipp Lahm wird auf der linken Seite bleiben, zumal der gegen Kroatien ausgewechselte Marcell Jansen ohnehin wegen einer Schulterverletzung ausfällt. Vieles deutet zudem darauf hin, dass mit der Hereinnahme von Arne Friedrich als rechtem Verteidiger die hochgelobte WM-Abwehr eine Neuauflage erlebt.

Umstellungen im Mittelfeld, in dem der gesperrte Rotsünder Bastian Schweinsteiger dafür die erste Option gewesen wäre, erscheinen unwahrscheinlich. Der dreifache Turnier-Torschütze Lukas Podolski wird wohl nicht in den Sturm vorrücken, sondern erneut links im Mittelfeld beginnen.

Reine Kopfsache 

"Lukas hat gezeigt, dass er sich auf der Position wohlfühlt und Tore macht", hob Ballack hervor. Auch das 4-4- 2-System mit Ballack und Frings nebeneinander im Zentrum wird nicht geändert, wie Flick bekräftigte: "Nein, wir gehen davon nicht ab."

Ohnehin wird die Einstellung für wichtiger als die Aufstellung erachtet. "Jeder brennt. Der Druck, gewinnen zu müssen, kitzelt ein paar Prozent mehr raus", glaubt Ballack.

Zur reinen "Kopfsache" hat Teammanager Oliver Bierhoff das Spiel erklärt: "Wenn wir hundert Prozent abrufen und hundertprozentig umsetzen, was die Trainer von den Spielern fordern, kann es nur einen Sieger geben - Deutschland!"