Aufbruch zum EM-Gipfelsturm

SID
em 2008, deutschland, team
© Getty

München - Nach intensivem Videostudium daheim im Schwarzwald packt Joachim Löw frohen Mutes den "Feinschliff" für den Ernstfall gegen Polen an - Zeit vergeuden will der Bundestrainer dabei keine.

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Gleich nach dem zweitägigen Kurzurlaub der 23 Nationalspieler und der Anreise ins Luxus-Quartier am Lago Maggiore im Tessin hat der Bundestrainer für den 3. Juni das erste Training angesetzt und startet damit den 100-Stunden-Countdown bis zum Auftaktspiel am 8. Juni in Klagenfurt. "Die Anspannung wird von Tag zu Tag steigen. Das brauchen wir, um Höchstleistungen zu bringen", sagte Löw.

"Wir werden noch einiges tun. In allen Mannschaftsteilen fehlt es noch an der Feinabstimmung. Auch Standards stehen auf dem Programm", berichtete Löw, der in den intensiven Übungseinheiten auch noch einen heißen Kampf um die letzten offenen Positionen in der Startelf sehen möchte: "Die frischen Trainings-Eindrücke sind sehr wichtig für die Aufstellung. Ich habe da noch zwei, drei Möglichkeiten."

Der Bundestrainer bestätigte, dass gerade die couragierten Auftritte von Lukas Podolski seine Überlegungen zur Startelf noch einmal neu angeregt haben. "Die Option haben wir ja schon lange."

Zwanziger warnt

Alle Maßnahmen sind ausgerichtet auf das Polen-Spiel, das zur Nagelprobe wird. "Da muss das richtige Zeichen kommen", betonte der mit Macht in die Startelf drängende Podolski: "Unser Ziel ist es, Europameister zu werden."

Die Fans haben überall in Deutschland an den Autos schon wieder die schwarz-rot-goldenen Fähnchen geflaggt, die Erwartungshaltung ist riesig.

Präsident Theo Zwanziger, der die DFB-Delegation anführt, die um 11.05 Uhr mit einer Lufthansa-Sondermaschine von Frankfurt nach Lugano abheben soll, warnte allerdings vor einem bösen Erwachen.

Bierhoff wehrt sich

"Das erste Spiel ist eine Standortbestimmung: Wenn du das vergeigst, wird es sehr schwer weiterzukommen." Oliver Neuville ist schon in seiner alten Heimat, auch die anderen 22 Spieler sind fit für den letzten Schliff.

Auch im Tessin ist vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) alles getan worden, um die Basis für den großen Wurf zu schaffen. Im schon abgesperrten Fünf-Sterne-Hotel "Giardino" in Ascona ist die rund 60-köpfige DFB-Gruppe in 54 Doppelzimmern zur Einzelnutzung, 16 Suiten und zwei Juniorsuiten ganz unter sich.

Und im elf Kilometer entfernten Trainingszentrum in Tenero fehlt es ebenfalls an nichts. "Wir werden optimale Bedingungen vorfinden und den Spielern auch viele Freiräume verschaffen. Wir haben in Ascona ein ruhiges Ambiente und in Tenero ein hervorragendes Trainingszentrum", schwärmte Teammanager Oliver Bierhoff, der sich heftig gegen Vorwürfe wehrte, es würden "Unsummen" für die Nationalmannschaft ausgegeben.

Kein öffentliches Training geplant

Auch Zwanziger rechtfertigte den bis zu 20 Millionen Euro hohen EM-Etat. Der DFB-Chef rechnet unter dem Strich mit schwarzen Zahlen: "Es wird, gleich wie wir abschneiden, ein Betrag von einer bis drei Millionen Euro übrig bleiben."

Die besten Bilder aus dem EM-Quartier der Deutschen

Mit Lounge, Freiluft-Physio-Bereich, Schlaf-Matratzen mit Fernbedienung und dem teameigenen Sternekoch Holger Stromberg ist das Luxus-Hotel "Giardino" sogar noch vom Verband im Komfort aufgestockt worden. "Wir freuen uns auf die deutsche Mannschaft", erklärte Hoteldirektor Philippe Frutiger.

Im nationalen Jugend-Sportzentrum der Schweiz stehen dem Team gleich drei der sechs maßgerechten Fußballplätze exklusiv zur Verfügung. 2,5 Meter hohe Sichtblenden ermöglichen das beliebte Geheimtraining. Öffentliche Übungseinheiten sind - wie schon auf Mallorca - nicht geplant.

Keine Änderungen in der Abwehr

"Ich habe schon viele Trainingsanlagen in der Welt gesehen, aber so perfekte Bedingungen sind mir noch nicht untergekommen", schwärmte DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach über das direkt am See gelegene Areal in Tenero.

Die Rahmenbedingungen sind geschaffen, nun muss Löw schleunigst die Baustellen in der Mannschaft beseitigen. Löw will die "richtigen Schlüsse" aus der Video-Analyse der Generalprobe gegen Serbien (2:1) ziehen - eine personelle Veränderung im Abwehrzentrum gehört nicht dazu.

Obwohl Christoph Metzelder beim letzten Test keine EM-Form nachweisen konnte, bescheinigte der Bundestrainer seinem Abwehrchef am Montag im "kicker" nach nochmaligem Studium der 90 Minuten sogar Fortschritte: "Dieses Spiel hat ihn nach vorn gebracht."

Ballack spricht Klartext

Als Problemzone Nummer 1 betrachtet die sportliche Leitung die rechte Außenbahn. Der Ausfall des verletzten Bernd Schneider wird als "gravierend" bewertet. Clemens Fritz, Bastian Schweinsteiger und David Odonkor könnten den Routinier "nicht eins zu eins ersetzen", bemerkte Löw.

Und Tim Borowski, womöglich eine Notlösung rechts, hat nach seinem grippalen Infekt körperlich Nachholbedarf und war bislang vor allem als möglicher Ersatzmann für Michael Ballack vorgesehen, falls der einmal ausfällt.

Der schon gegen Serbien in EM-Form agierende Kapitän stellte für den Vorbereitungs-Endspurt eine klare Forderung: "Der eine oder andere muss noch einen Zahn zulegen."

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