"Sag' dem Eierkopf Bescheid"

Von Interview: Harry Miltner
Josef Hickersberger
© Getty

Wien - Österreichs Ex-Teamchef Josef Hickersberger stand eigentlich schon als Nachfolger für sich selbst fest. Sein Ende 2008 auslaufender Vertrag hätte für die WM-Qualifikation verlängert werden sollen. Doch der 60-Jährige überraschte alle mit seinem Rücktrittsgesuch.

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Nun ist der ÖFB auf der Suche nach einem Nachfolger. Einer, der den Trainer-Job gerne übernehmen würde, ist Klaus Augenthaler. 

"Ich möchte wieder als Vereinstrainer arbeiten. Aber wenn ein Verband mit Perspektiven kommt, ist das etwas anderes. Und dieses österreichische Team hat Perspektiven. Große Perspektiven sogar", meinte der ehemalige Bundesliga-Coach in der Zeitung "Österreich".

Dabei würde der 50-jähgrige Niederbayer auch auf Gehalt verzichten: "Geld ist bei diesem Job zweitrangig. Manchmal sind Perspektiven wichtiger." Allerdings beteuerte Augenthaler auch, dass es noch keinen Kontakt mit dem österreichischen Verband gab.

"Es war kein Wortbruch" 

Für wen sich die Österreicher letztendlich entscheiden, ist noch ungewiss. Vorschläge von Hickersberger wird es aber keine geben. Dennoch nennt er im Gespräch mit SPOX.com seinen Wunschkandidaten sowie einen logischen Nachfolger.  

Zudem kritisiert er den Verband und spricht über die Rolle seiner Frau bei seinem Rücktritt.

SPOX: Herr Hickersberger, Ihr abrupter Rücktritt hat einige Wogen geschlagen. In seiner Stellungnahme wirkte Präsident Stickler aber so, als hätten Sie Wortbruch begangen...

Josef Hickersberger: Es war kein Wortbruch. Es war eine Interpretationsfrage. Für mich war die EM nicht gut genug. Ich bin auch nicht zurückgetreten, sondern wollte meinen Vertrag nicht verlängern. Ein halbes Jahr WM-Quali zu machen und dann aufzuhören wäre nicht im Sinne des österreichischen Fußballs.

SPOX: Hat Sie die Kritik also zermürbt? Immerhin hat Österreich vor der EURO nur zwei von 18 Spielen gewinnen können...

Hickersberger: Ich bin kein Sesselkleber und auch nicht gierig darauf, den Teamchef zu machen. Natürlich habe ich die "Hicke-Raus" Rufe noch in den Ohren, aber an der EM-Vorbereitung und meiner Philosophie würde ich nichts ändern. Da wir gegen die Besten der Welt spielen mussten, habe ich eine schlechte Bilanz in Kauf genommen. Allerdings wäre bei einem Ausbleiben eines Sieges gegen Frankreich (Anm. d. Red: WM-Quali-Auftakt am 6. September) der ganze Zirkus wieder von vorn losgegangen. Das ist mir diese Sache nicht wert.

SPOX: Ist es also die massive Kritik aus den Reihen der Bundesliga der wahre Grund für Ihren Rücktritt?

Hickersberger: Nein, meine Frau Renate! Ich habe ihr im Herbst versprechen müssen, dass ich nach der Europameisterschaft als Teamchef aufhöre.

SPOX: Unmittelbar nach dem EM-Ausscheiden klang das aber noch etwas anders...

Hickersberger: Leider, denn ich hatte mein Versprechen vergessen. Meine Frau hat mich daran erinnert und mir somit keine Wahl gelassen. Sie ist unberechenbar und hätte mir das sicher nicht verziehen. Da kann sie sehr unangenehm werden.

SPOX: Sie müssen zugeben, dass das alles etwas dubios wirkt, oder?

Hickersberger: Ich habe mich in Stegersbach beim EURO-Teamcamp von den Emotionen leiten lassen. Jetzt hat der Verstand wieder über das Herz gesiegt.

SPOX: Sie haben sich kurz nach dem EURO-Aus auch mit Scheichs getroffen. Gibt es vielleicht wieder ein Angebot, aus dem Ihnen so liegenden arabischen Raum?

Hickersberger: Nein, überhaupt nicht. Das war ein rein privates Treffen. Der Scheich hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, ganz nach Bahrain zu übersiedeln.

SPOX: Die "Bild"-Zeitung nannte Sie den "charmantesten EM-Verlierer". Was können Sie mit diesem Terminus anfangen?

Hickersberger: Mir wäre lieber, ich wäre uncharamant und dafür mein Team weiter. Aber ein Teamchef muss sich eben daran messen, ob er Ziele erreicht hat oder nicht. Und das haben wir nicht.

SPOX: Das Viertelfinale haben Sie bei der EM nicht erreicht. Allerdings haben Sie das ÖFB-Team verjüngt. Ist das ein Teilerfolg?

Hickersberger: Ich habe die Aufgabe, die Nationalmannschaft zu verjüngen, mit sehr viel Engagement angetreten und diese Aufgabe erfüllt. Daher ist nun der richtige Zeitpunkt, diese Mannschaft einem neuen Mann mit neuen Ideen zur Weiterentwicklung weiterzugeben.

SPOX: In einem jüngeren Radio-Interview sprachen Sie aber noch von Blutdruckproblemen.

Hickersberger: Das war Schmäh. Noch brauche ich keine Beta-Blocker gegen hohen Blutdruck.

SPOX: Tut Ihnen Ihr Abschied nicht leid?

Hickersberger: In diesem Geschäft ist kein Platz für Gefühlsduselei. Ich kann dem ÖFB nur raten, dass man die Anstrengungen verdoppelt, dass man meinen Nachfolger als Teamchef viel mehr unterstützt als mich. Sonst bleibt die WM-Qualifikation ein Traum.

SPOX: Die Mannschaft hatte sich aber durch Kapitän Andreas Ivanschitz für Sie ausgesprochen. Lassen Sie die Spieler nun nicht im Stich?

Hickersberger: Ich habe mich persönlich bei der Mannschaft bedankt, denn die Spieler waren für mich wie ein Lebensabschnittspartner. Sie haben alles gegeben und sich immer voll eingesetzt. Aber ich bin müde und leer, und brauche eine Auszeit. Ich kann kein Tanzbär mehr sein.

SPOX: Wie fällt nun eigentlich Ihr sportliches Fazit aus?

Hickersberger: Wir haben in unseren ersten beiden Spielen die Punkte, die wir uns erhofft haben, nicht gemacht. Wir hofften auf vier Punkte und holten nur einen. Gegen Polen hätte es ein Sieg sein müssen, gegen Kroatien zumindest ein Remis. Wir haben beide Spiele großteils dominiert.

SPOX: Ihr Ausschluss gemeinsam mit Bundestrainer Joachim Löw während der Partie gegen Deutschland wird wohl in die EURO-Annalen eingehen. Was ging wirklich vor?

Hickersberger: Zunächst ist es überhaupt nicht wahr, dass Jogi Löw und ich uns angepöbelt hätten. Wir haben auch den vierten Schiedsrichter nicht angefahren. Beide Trainer waren viel unterwegs und das ging ihm wohl auf den Sack. Auf meine Worte ging er nicht ein und da habe ich dem Jogi gesagt: 'Kannst Du dem Eierkopf mal sagen, dass er uns coachen lassen soll.' Das hat er wohl falsch verstanden.

SPOX: Nachdem Ihr Posten nun vakant ist, wen würden Sie als Nachfolger vorschlagen?

Hickersberger: Guus Hiddink wäre mir der liebste, aber dessen Interesse an Österreich ist wohl nicht so groß. Herbert Prohaska wäre der Beste, aber er ist klug genug, es nicht mehr zu machen. Ich mache keine Vorschläge, aber Andreas Herzog hat die Qualifikation, ein guter Nachfolger zu sein. Er ist mehr für den österreichischen Fußball, als es Jürgen Klinsmann vor der WM 2006 für Deutschland war, hat unglaubliche internationale Erfahrung und eine Reputation wie kein anderer. Wer auch immer kommt, dieser Mann braucht mehr Kredit, mehr Unterstützung als ich in den letzten Monaten gehabt habe.

SPOX: Blicken wir voraus. Auch wenn Sie nicht mehr auf der Bank sitzen. Wie schätzen Sie die Chancen des ÖFB-Teams in der WM-Quali ein?

Hickersberger: Wir haben uns erst die letzten Monate stark verbessert. Wären wir nicht als Gastgeber fix qualifiziert gewesen, hätten wir die Quali nicht geschafft. Für die WM hat unser Team aber das Potenzial und die Qualität trotz der schweren Gruppe einen Schritt nach vorne zu machen. Nur: Unsere Spieler müssen noch härter an sich arbeiten, noch mehr tun, dann erzwingen sie das Glück.

SPOX: Was machen Sie also nun nach der Kündigung?

Hickersberger: Meine Zukunft ist völlig offen. Ich fahre jetzt mal mit meiner Frau drei Wochen auf Urlaub und spiele den Tauchlehrer für meine Enkelkinder.
Interviews gibt's keine mehr.

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