Kein Verständnis für Löw-Sperre

SID
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Wien - Die UEFA-Disziplinarkommission hat Bundestrainer Joachim Löw für ein Spiel gesperrt. Damit wird er das Viertelfinale gegen Portugal von der Tribüne aus beobachten müssen.

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"Ich muss die UEFA-Entscheidung zur Kenntnis nehmen und möchte sie nicht kommentieren. Natürlich bin ich maßlos enttäuscht", sagte Löw, der am Montag im Gruppenspiel der Europameisterschaft gegen Österreich (1:0) von Schiedsrichter Manuel Enrique Mejuto Gonzalez wie sein österreichischer Kollege Josef Hickersberger auf die Tribüne verwiesen worden war. Auch Hickersberger erhält ein Spiel Sperre.

Beide Trainer wurden mit einem Innenraumverbot belegt, das es Löw verbietet, in der Halbzeit in der Kabine zur Mannschaft zu sprechen.

Zudem bekommt Löw auf der Tribüne einen UEFA-Delegierten als Aufpasser an die Seite gestellt, damit der Bundestrainer weder per Walkie-Talkie noch mit einem Handy oder per SMS mit einem deutschen Verantwortlichen an der Seitenlinie Kontakt aufnehmen kann. 

Die Mannschaft darf somit allein von Löw-Assistent Hansi Flick gecoacht werden.

Begründung der UEFA 

Als Begründung für die Bestrafung von Löw führte die UEFA in ihrem schriftlichen Urteil aus: "Gemäß den im Bericht des Schiedsrichters wiedergegebenen Ausführungen des Vierten Offiziellen verhielten sich die beiden Trainer sehr nervös. In der 35. Minute kam es zu einem Wortgefecht zwischen den beiden Teamverantwortlichen, in dessen Verlauf sie sich gegenseitig anschrien. Als der Vierte Offizielle die Situation beruhigen wollte, wurde er von den beiden Teamverantwortlichen angeschrien."

Eine Begründung, die auf breites Unverständnis stößt. Selbst Luiz Felipe Scolari, der Trainer von Deutschlands Gegner Portugal, macht sich für Löw stark: "Wenn ich die UEFA beeinflussen könnte, würde ich ihr sagen, sie soll die Entscheidung zurücknehmen", sagte Scolari. "Für uns ist es kein Vorteil, wenn er nicht auf der Bank ist. Ich würde applaudieren, wenn er dort sitzen würde. Joachim hat nichts Böses getan."

"Kein Anlass am Schiedsrichterbericht zu zweifeln"

Auch durch eine schriftliche Stellungnahme von Löw ließ sich die UEFA nicht umstimmen.

Im Urteil heißt es weiter: "Es besteht kein Anlass, an der Richtigkeit des Schiedsrichterberichtes zu zweifeln, in dem ein unkorrektes Verhalten von Löw beschrieben wird. Dieses bestand darin, dass der fehlbare Trainer in Richtung seines österreichischen Kollegen beziehungsweise des vierten Kollegen schrie. Die Intensität dieses Verhaltens war offensichtlich derart, dass der mit der Erfahrung aus zahlreichen Spielen einer europäischen Profiliga bestückte Schiedsrichter keinen Augenblick zögerte, Joachim Löw aus der technischen Zone zu verweisen. Für den im Schiedsrichterbericht dargestellten Sachverhalt spricht auch der Umstand, dass sich beide Trainer beim Verlassen der technischen Zone die Hand reichten." 

Keine Berufung möglich

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) kann gegen das Urteil keine Berufung einlegen. Die UEFA-Statuten sehen Widerspruchsmöglichkeiten nur gegen Sperren ab zwei Partien und Geldbußen über 5000 Euro vor.

Teammanager Oliver Bierhoff hat kein Verständnis für die Strafe. "Für den Fußball ist diese Entscheidung eine schwere Niederlage. Wir Aktive können die von der UEFA ausgesprochene Sperre für Joachim Löw für das Spiel gegen Portugal nicht nachvollziehen und haben absolut kein Verständnis dafür, denn unser Bundestrainer wollte einfach nur seinen Job ausüben", meinte Bierhoff.

Allerdings glaubt er nicht, dass die Entscheidung eine negative Wirkung auf das Team haben wird. "Ich bin jedoch optimistisch, dass die UEFA-Sperre für Löw unsere Mannschaft nur noch zusätzlich motiviert und wir die richtige Antwort auf dem Platz geben werden", so Bierhoff.

Auch DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger zeigte sich enttäuscht: "Ich kann sehr wohl verstehen, dass sich unser Bundestrainer ungerecht behandelt fühlt. Als Mitglied der UEFA sind wir jedoch gehalten, deren Disziplinarhoheit anzuerkennen und die Entscheidung letztlich zu akzeptieren. Ich bin ganz sicher, dass für die Mannschaft damit ein zusätzlicher Motivationsschub gegen Portugal verbunden sein wird und sie ihren Trainer im EM-Halbfinale wieder auf der Bank haben wollen." 

Ärger mit dem vierten Offiziellen 

So war es zum Platzverweis gekommen: Löw und  Hickersberger hatten ständig Zoff mit dem vierten Offiziellen - Damir Skomina aus Slowenien. Er soll die beiden ständig laut angebrüllt haben: "Go Back!"

Löw dazu auf der Pressekonferenz vom Dienstag: "Er kam im Minutentakt zu mir und hat mich aufgefordert, zurück auf die Bank zu gehen. Das hat mich abgelenkt. Ich habe ihm nur in verschiedenen Sprachen gesagt: Mein Kollege und ich wollen unseren Job machen."

Am Tag nach dem Spiel rechnete der Bundestrainer noch fest mit einer Begnadigung: "Ich gehe davon aus, dass es einen Freispruch geben kann." Jetzt aber die bittere Entscheidung.

In der Halbzeit aus der Kabine gezerrt

Während des Spiels gegen Österreich geriet Löw mit der UEFA noch einmal aneinander. In der Pause eilte er in den Innenraum und sprach in der Kabine zur Mannschaft - als ihn plötzlich Mediendirektor Harald Stenger und der Leiter für elektronische Medien, Uli Vogt, auf Geheiß der UEFA aus der Kabine zerrten.

"Ich wurde in der Mitte meiner Ansprache unterbrochen", so Löw fassungslos.

Für seine Intervention beim vierten Offiziellen hatte Löw zuvor Applaus von Bayern Münchens Manager Uli Hoeneß erhalten. "Joachim Löw ist ein guter, ein loyaler, ein rücksichtsvoller Trainer. Doch er muss sich auch wehren können, und am Montag hat er sich gewehrt", schrieb Hoeneß in einer Kolumne im Schweizer "Tages-Anzeiger". "Das hat ihm Respekt bei der Mannschaft eingebracht. Aus Jogi ist vielleicht Herr Löw geworden."

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