Bloß keine weltmeisterliche Arroganz

SID
Italien, Training, EM
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Bern - Jetzt erst recht! Trotz des Ausfalls von Abwehrchef Fabio Cannavaro startet Italien bei der Europameisterschaft gegen die Niederländer mit viel Selbstbewusstsein (Mo., ab 20.30 Uhr im SPOX-TICKER).

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"Die Niederländer sind stark. Das wird ein ganz schweres Spiel. Mein Team ist gelassen, aber hochmotiviert. Alle Spieler wissen, was zu tun ist",  versprach Trainer Roberto Donadoni.

Nach dem WM-Triumph von Berlin vor zwei Jahren wollen die Azzurri gegen die ebenfalls geschwächte Elftal in der Hammer-Gruppe C für ihren frisch operierten Kapitän gewinnen und den Grundstein für den EM-Titel legen.

Das Trauma überwinden

"Dafür müssen wir die Niederlande unbedingt schlagen", betonte Spielmacher Andrea Pirlo vor der Neuauflage des EM-Halbfinals von 2000, das die Italiener mit 3:1 im Elfmeterschießen gewannen. Ein Trauma, das Oranje im neuen Berner Wankdorfstadion gerne überwinden würde.

"Dies ist die schlimmste Erinnerung meiner Karriere", gab der niederländische Torwart Edwin van der Sar zu. Von "Rache" aber ist nicht die Rede. Vielleicht auch, weil die Chancen des Europameisters von 1988 nach den Ausfällen von Ryan Babel und Arjen Robben etwas gesunken sind.

"Italien ist Favorit", betonte Giovanni van Bronckhorst, neben Champions-League- Sieger van der Sar der zweite Übriggebliebene von 2000.

Wer spielt für Robben?

Unklar ist noch, wie Marco van Basten vor den Augen von Kronprinz Willem Alexander den fest eingeplanten Real-Stürmer Robben ersetzt, der sich an der Leiste verletzte. Möglicherweise geht der Bondscoach nun doch das Risiko mit Robin van Persie ein, den er wegen Trainingsrückstand eigentlich noch schonen wollte.

Vermutlich aber rückt Dirk Kuyt in die Startelf, und Wesley Sneijder wechselt nach links. "Wir haben mehrere Möglichkeiten", sagte van Basten, der zwei HSV-Profis vertraut: Rafael van der Vaart soll das Spiel lenken, Joris Mathijsen Bayern-Star Luca Toni stoppen.

Immerhin meldete sich Verteidiger Mario Melchiot einsatzbereit. "Wir haben großen Respekt vor der Weltmeister. Italien ist schwer zu schlagen, aber wir haben auch einiges zu bieten", sagte van Basten auf der Pressekonferenz nach dem Abschlusstraining am Sonntagabend.

Der viermalige Weltmeister Italien, der von 15 Spielen gegen die Niederlande bislang nur zwei verlor, hat zwar wenig Verletzte. "Aber Cannavaros Ausfall wiegt schon schwer", räumte Donadoni ein. Gleichwohl jammert der unter Erfolgsdruck stehende Coach nicht.

Tagelang experimentierte er und kürte dann Marco Materazzi zum Vertreter des Weltfußballers von 2006, der nach seiner Bänder-Operation zumindest als moralische Stütze auf der Bank sitzen und dirigierte sein Team beim Training am Sonntagabend sogar mit seinen Krücken vom Spielfeldrand aus.

WM-Held Materazzi warnte vor den Holländern: "Sie sind stark und gut organisiert. Und van Nistelrooy kann jeden Moment zuschlagen."

Flucht nach vorne

Frei nach dem Motto "Wer hinten nicht sicher sein kann, muss vorne mehr Tore machen" tritt Donadoni die Flucht nach vorn an und setzt mutig auf drei Spitzen. Mauro Camoranesi und Antonio Di Natale sollen Toptorjäger Toni flankieren. Der Serie-A-Torschützenkönig Alessandro Del Piero sitzt zunächst auf der Bank, Cannavaros Kapitänsbinde trägt Torwart Gianluigi Buffon.

Große Hoffnungen ruhen auf dem Bayern-Star. "Toni lass uns träumen", schrieben die Tifosi in Bern auf ein Spruchband. Und Toni ist bereit, mit Italien nach der WM auch die EM zu gewinnen, um damit "in die Geschichte einzugehen".

Selbstvertrauen ist gut, "weltmeisterliche Arroganz" aber könnte tödlich sein, warnte Gennaro Gattuso, neben Künstler Pirlo im Mittelfeld der Mann fürs Grobe. Ihm ist die Favoritenrolle unangenehm, war Italien doch bislang stets am stärksten, wenn es wie vor der WM 2006 wegen des Ligaskandals am Boden lag.

Dennoch sieht auch Weltmeister-Trainer Marcello Lippi die Elf schon so gut wie im Finale: "Kein Team ist so stark wie wir", sagte Lippi und legte Donadoni damit eine tonnenschwere Last auf die Schultern. Ganz Italien erwartet nun einen Auftaktsieg und bei der EM die Fortsetzung des italo-deutschen Sommermärchens von 2006.

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