Hiddink und die russische Revolution

SID
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Moskau - Diese russische Revolution hat Guus Hiddink angezettelt. Bei nahezu jeder Gelegenheit muss der polyglotte Coach seine Gründe für das wiedererstarkte Russland erklären, das unter seiner Regie im EM-Viertelfinale am Samstag die Niederlande frustrieren will.

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Dass die Sbornaja nach zwei berauschenden EM-Auftritten von der Weltpresse inzwischen gar als Holland-Kopie gefeiert wird, macht Hiddink besonders stolz - vor allem, weil ihm bei seinem Amtsantritt 2006 Ablehnung auf breiter Front entgegengeströmt war.

"Skepsis hat mich schon immer motiviert in meinem Leben", sagt Hiddink, "ich habe immer gesagt, Russland ist ein schlafender Riese".

Skeptiker überzeugt, Talente gefördert

Der Riese scheint aufgewacht. Europameister von 1960, dazu immerhin dreimal EM-Zweiter, aber die Erfolge liegen den mächtigen Geldgebern des russischen Verbandes viel zu lange zurück. Hiddink nahm den Großauftrag lächelnd an und hat seine Skeptiker wieder einmal mit einer Mischung aus Ergebnis- und Erlebnisfußball überzeugt.

Der 61-Jährige forderte das Fördern von vielversprechenden Talenten und sagte "njet" zum Festhalten an alten Strukturen und Spielern.

Mutig und rigoros. So hatte er es auch bei früheren Arbeitgebern (Real Madrid, Fenerbahce Istanbul, Valencia, Eindhoven, Südkorea, Australien) gehalten und damit Erfolg gehabt. Russlands EM-Viertelfinalgegner hatte der Niederländer bei der WM 1998 noch selbst ins Halbfinale geführt.

Ohne Worte zum Erfolg

Hiddink spricht kaum Russisch, hält sich nicht immer in Russland auf und tritt trotzdem mit einer kompetenten Autorität auf, die den fußballverrückten Oligarchen Respekt abnötigt. Der Disziplinfanatiker weiß, was er will: Offensiv-Fußball, einen Ausbau der Leistungszentren für Nachwuchskräfte, eine veränderte Trainer- Ausbildung - und Erfolg.

Ein Großteil des Geldes für die Nationalmannschaft kommt aus einer Nationalen Fußball-Akademie, von der auch sein geschätztes Jahresgehalt in Höhe von zwei Millionen Euro gezahlt wird.

In die nicht völlig transparente Institution zahlen Sponsoren wie Gazprom oder FC-Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch viel Geld ein. Auch Ministerpräsident Wladimir Putin gilt als Hiddink-Freund. Ausgestattet mit vielen einflussreichen Kontakten, kann der weitgereiste Fußball-Lehrer seine Vorstellungen kompromisslos formulieren. "In Russlands Fußball muss vieles moderner und erfolgreicher werden", hatte er im Sommer 2006 gesagt, "und ich habe das Gefühl, die entscheidenden Leute sind bereit dazu."

Spitzenspiele bald im Ausland?

Der UEFA-Cup-Triumph von ZSKA Moskau 2005 galt noch als Zufallsprodukt, doch inzwischen werden fast alle Änderungen in der russischen Liga als Hiddink-Effekt verkauft. Nach dem überlegenen UEFA-Pokal-Sieg von Zenit St. Petersburg in diesem Jahr gibt es Überlegungen, Spitzenspiele der russischen Eliteklasse auch einmal im Ausland auszutragen.

Zudem sollen von der Saison 2010 an nur noch vier ausländische Spieler pro Verein aufgeboten werden dürfen. Manipulationsvorwürfen will der Verband in Zukunft mit dem Einsatz von ausländischen Schiedsrichtern bei "sensiblen Spielen" entgegentreten.

Trainingszentrum & Nationalstadion geplant

Hiddink sieht die positive Entwicklung mit Freude. Im Moment entsteht zum Beispiel ein mehr als 20 Millionen Euro teures Trainingszentrums in Swenigorod, rund 60 Kilometer von Moskau, mit Hotels, Turnhallen und Trainingsplätzen.

Der Bau eines Nationalstadions für mehr als 100 Millionen Euro ist ebenfalls geplant. Ob der gefeierte Holländer die Fertigstellung noch erleben wird, ist unklar. Die versprochene Vertragsverlängerung bis 2010 ist noch nicht geklärt.