Russland stürmt ins Viertelfinale

Von Stefan Moser / Torsten Adams
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© Getty

München/Innsbruck - Russland hat sich durch ein hoch verdientes 2:0 (1:0) gegen Schweden am letzten Spieltag der Gruppe D das letzte Viertelfinalticket gesichert.

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Vor 30.000 Zuschauern im ausverkauften Tivoli Neu in Innsbruck brachte Roman Pawljutschenko die Russen nach Vorarbeit von Alexander Anyukow in Führung (24.). Den Endstand besorgte Andrej Arschawin bei seinem ersten EM-Einsatz in der 50. Minute.

Damit zog die Sbornaja erstmals seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion bei einer Welt- oder Europameisterschaft in die K.o.-Runde ein. 1988 stand die Sowjetunion im Finale.

Als Zweiter der Gruppe D trifft das Team von Trainer Guus Hiddink im Viertelfinale am Samstag in Basel auf die Niederlande, der man vor 20 Jahren im Finale in München mit 0:2 unterlegen war.

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Spiel: Der in den ersten beiden Spielen noch gesperrte Arschawin steht in der Start-Elf der Russen, auch Schwedens Star Ibrahimovic wird beginnen. Sein lädiertes Knie bereitet ihm aber offenbar Probleme: Noch während des Aufwärmens verlangte er vom Team-Arzt Schmerzmittel.

7.: Biljaletdinow spielt auf Semschow, der gefährlich in den Strafraum zieht. Problem: Teamkollege Syrjanow steht im Weg und stochert ihm den Ball vom Fuß.

22.: Syrjanow tritt eine Ecke von rechts. Schirkow nimmt den Ball aus 15 Metern in halblinker Position volley. Die Kugel zischt nur knapp am rechten Pfosten vorbei.

24., 1:0, Pawljutschenko: Toller Angriff der Sbornaja über rechts. Semschow bekommt den Ball und spielt Anyukow in den Lauf. Der Rechtsverteidiger legt quer und Pawljutschenko schiebt aus elf Metern links unten ein.

36.: Doppelchance für Russland! Pawljuschenko hämmert die Kugel aus 13 Metern an die Latte. Den Nachschuss von Syrjanow pariert Isaksson klasse zur Ecke.

43.: Erstmals kontern die Schweden schnell. Ljungberg spielt Doppelpass mit Ibrahimovic und schießt aus 16 Metern flach aufs linke Eck. Aber Akinfejew ist schnell unten und pariert stark.

50., 2:0, Arschawin: Wieder ein perfekter Angriff! Schirkow erkämpft sich an der Mittellinie den Ball. Über Arschawin kommt der Ball zu Biljaletdinow, der sofort Schirkow in die Tiefe schickt. Schirkow legt im Strafraum quer auf Arschawin und der schiebt aus sechs Metern ein.

80.: Syrjanow wird nicht angegriffen und zieht aus 19 Metern ab. Hansson fälscht die Kugel ab, der Ball klatscht an den linken Pfosten.

82.: Saenko legt im Strafraum quer, allerdings so schlampig, dass Pawljutschenko die Kugel nicht richtig trifft.

84.: Russland und die Chancenverwertung: Diesmal scheitert Arschawin frei vor Isaksson. Dickes Kompliment aber auch an den schwedischen Keeper.

So lief das Spiel: Russland übernahm von Beginn an das Kommando und spielte phasenweise brillanten Tempofußball mit schnellen und präzisen Kurzpässen. Die Schweden liefen im Mittelfeld fast immer hinterher und kassierten folgerichtig das 0:1. Auch nach dem Rückstand stand die Lagerbäck-Elf weiter tief und agierte fast ausschließlich mit langen Bällen. Russland gönnte sich erst kurz vor der Pause eine erste Auszeit, dann allerdings kamen die Schweden prompt zu Torchancen.

Auch nach dem Seitenwechsel war die Sbornaja spielerisch haushoch überlegen. Erst nach dem 2:0 schaltete die Hiddink-Elf einen Gang zurück. Die Schweden zwar bemüht, aber ohne jede Durchschlagskraft. Hätten die Russen am Ende ihre Konterchancen nicht derart kläglich vergeben, hätte das Ergebnis auch deutlich höher ausfallen können.

Der Star des Spiels: Andrej Arschawin. Mangelnde Spielpraxis? Fehlende Fitness? Von wegen! Arschawin war bei seinem EM-Debüt sofort der Chef in der russischen Offensive. Sehr quirlig und beweglich, enorm laufstark, mit guter Übersicht und Zug zum Tor. Alleine in der ersten Hälfte schoss Arschawin fünf Mal aufs Tor - einmal mehr als die gesamte schwedische Mannschaft. Mit dem 27-Jährigen ist das ohnehin schwer auszurechnende Angriffsspiel der Sbornaja noch flexibler und variantenreicher. Arschawin krönte seine Leistung mit dem Treffer zum 2:0.

Die Gurke des Spiels: Das komplette schwedische Mittelfeld. Die Doppelsechs mit Svensson und Andersson kam weder vorne noch hinten in die Zweikämpfe und sah im Aufbau letztlich nur zu, wie die Bälle von hinten über ihre Köpfe segelten. Ljungberg auf links war zwar bemüht, aber merklich über seinem Zenit. Elmander auf links war ziemlich limitiert und leistete sich zudem doch die eine oder andere lustlos anmutende Szene.

Die Lehren des Spiels: Niederlande gegen Russland, van Basten gegen Hiddink, zwei holländische Trainer im direkten Duell: Das könnte ein richtig nettes Viertelfinale geben - und ist keinesfalls ein Selbstläufer für die Holländer. Russland hat mit seinem temporeichen Kurzpassspiel offensiv enormes Potential. Beide Außenverteidiger schalten sich permanent mit in den Angriff ein, das Mittelfeld rückt schnell und geschlossen nach. Bei Ballbesitz für die Sbornaja denken praktisch acht Spieler offensiv.

Problem 1: Bleiben nur zwei Feldspieler, die defensiv denken - und ausgerechnet die denken nicht besonders schnell. Wie schon gegen Spanien hatten beide Innenverteidiger Probleme mit der Abseitsfalle. Außerdem haben sowohl Kolodin als auch Ignaschewitsch Defizite in Sachen Spritzigkeit und Beweglichkeit. Die Niederlande wird bemüht sein, die Finger immer wieder genau in diese Wunde zu legen.

Problem 2: Vorne fehlt der Killer-Instinkt. Die Sbornaja berauschte sich teilweise am eigenen Spiel, ließ dabei aber, gerade in der Schlussphase, hochkarätige Chancen kläglich liegen. Gegen stärkere Gegner kann sich sowas rächen.

Nebenbei: Schweden hat ein massives Nachwuchsproblem. Abgesehen von Mellberg und Ibrahimovic hat kaum ein Spieler internationales Format. Und für Ljungberg und Larsson ist die Zeit nun endgültig abgelaufen.

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