"Zu viel Angst vorm Verlieren"

Von Daniel Börlein
EM, Donadoni, Pirlo, Cannavaro, Italien, Spanien
© Imago

München/Wien - Es war Zeit für den Kapitän loszuziehen. Hin zum Trainer. Eine kurze Umarmung. Ein paar Meter weiter. Tröstende Worte für die Kollegen hier, Glückwünsche an die Gegenüber da.

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Fabio Cannavaro, Spielführer der italienischen Nationalmannschaft, nahm das Viertelfinal-Aus der Squaddra Azzurra gefasst hin. Denn Cannavaro konnte an der Niederlage gegen Spanien nichts ändern.

Der 34-Jährige konnte seine Mannen nicht 120 Minuten auf dem Platz nach vorne treiben, oder den entscheidenden Treffer selbst erzielen. Der Abwehrchef der Tifosi konnte auch nicht selbst zum Elfmeter antreten, oder seinen Teamkameraden vor dem Gang zum Punkt wenigstens noch Mut zusprechen. Cannavaro konnte nur zusehen.

Was hat sich getan?

Ganz anders, als zwei Jahre zuvor. Damals war Cannavaro nicht kurz vor dem Turnier durch eine Verletzung aus Italiens Kader geflogen. Damals war Cannavaro vielmehr der Garant für den Titelgewinn der Tifosi bei der WM in Deutschland.

Damals allerdings, ist eben auch längst Vergangenheit. Die Frage deshalb: Was hat sich seitdem beim Weltmeister getan? Oder besser, betrachtet man die Auftritte der Italiener bei dieser Europameisterschaft: Hat sich beim Weltmeister überhaupt etwas getan?

Donadoni zufrieden

Zu bieder war das, was die Elf von Roberto Donadoni über weite Strecken der EM präsentierte. Zu einfallslos und deshalb harmlos im Spiel nach vorne, ungewohnt unsicher in der Defensive.

Donadoni war dennoch zufrieden: "Ich bin sehr traurig über das Ergebnis, aber sportlich bin ich mit der Mannschaft sehr zufrieden, das Ergebnis ist nicht so wichtig. Wir können erhobenen Hauptes dieses Turnier verlassen."

"Zu viel Angst vor dem Verlieren"

Nach Gründen fürs Ausscheiden mochte der 44-Jährige nicht suchen. In der Heimat dagegen erkannte die "La Republica" trefflich: "Italien hatte zu viel Angst vor dem Verlieren." Denn Donadoni ließ sein Team gegen Spanien von Beginn an eigentlich nur verteidigen.

Zehn Mann hinter den Ball bringen, gerne auch mit der Viererkette bis in den eigenen Strafraum zurückziehen und vorne, ja vorne, wird es dann Luca Toni schon irgendwie richten, lautete die offensichtliche Marschroute Donadonis.

Ohne Konzept

Doch Toni richtete vorne gar nichts. Durch die Sperre von Andrea Pirlo wartete der Bayern-Angreifer im Sturmzentrum vergeblich auf brauchbare Anspiele in den Fuß oder auf die Brust. Das Mittelfeld rückte selten und wenn, dann nur zögerlich nach.

Vielmehr wurden die Bälle hoch nach vorne geschlagen. Von den Außenbahnen stets aus dem Halbfeld, aus der Abwehr einfach irgendwie. Wenig ideenreich, ohne Konzept und schon überhaupt nicht weltmeisterlich.

Donadoni denkt nicht an Rücktritt

"Es ist mir egal, ob die Mannschaft in der ersten Runde ausscheidet, im Viertelfinale oder später. Entscheidend ist, dass wir alles versucht haben. Ich kann den Spielern keinen Vorwurf machen", so Donadoni, dessen Zukunft noch offen ist.

An Rücktritt denkt er allerdings nicht: "Ich denke nicht mal im Traum daran mein Amt niederzulegen", sagte der 44-Jährige auf einer Pressekonferenz am Montag. "Ich wäre dumm, wenn ich aufgrund eines verschossenen Elfmeters meine Meinung zur EM ändern würde."

Donadoni hat in seinem Vertrag allerdings eine Klausel, die es dem italienischen Fußballverband (FIGC) ermöglicht, den Vertrag bei Nicht-Erreichen des EM-Halbfinals innerhalb von zehn Tagen zu kündigen.

Spieler pro Donadoni 

Verbandspräsident Giancarlo Abete sagte nach dem Aus: "In den nächsten Tagen werden wir uns in Ruhe mit Donadoni zusammensetzen und gemeinsam über die Zukunft sprechen."

Donadonis Spieler machten sich für einen Verbleib ihres Trainers stark. "Ich hoffe nicht, dass er wegen der Niederlage im Elfmeterschießen jetzt gehen muss", sagte Daniele De Rossi.

"Wir waren mit dem Teamchef immer im selben Boot, egal ob wir verloren oder gewonnen haben. Aus meiner Sicht waren es jedenfalls zwei gute Jahre", so Toni.

Fluch gebrochen

Während in Italien noch offen ist, was mit Donadoni wird, ist bei den Spaniern längst klar, dass sich Coach Luis Aragones nach der EM verabschiedet, nun womöglich sogar mit dem Titel.

Im Halbfinale am Donnerstag treffen die Iberer erneut auf Russland, nachdem gegen Italien der erste Pflichtspielsieg seit 88 Jahren gelang.

"Endlich bricht Spanien den Fluch", titelte die "As" und feierte einen "heldenhaften Casillas", der die Strafstöße von De Rossi und Antonio Di Natale parierte. Spaniens Kapitän war damit der Garant des Erfolgs, ehe er loszog, um ein paar tröstende Worte zu finden - für Cannavaro.

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