"Müssen uns verausgaben"

Von Interview: Florian Regelmann
EM 2008, Österreich, Franz Wohlfahrt
© Getty

München - Gastgeber Österreich plagt vor dem Spiel gegen Kroatien (ab 17.45 Uhr im SPOX-TICKER) die Angst vor einer Blamage. Auch die Ex-Torwart-Ikone Franz Wohlfahrt schätzt die Chancen auf einen Viertelfinal-Einzug sehr gering ein. 

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Im Interview mit SPOX.com spricht der Ex-Stuttgarter über den größten Albtraum für die Alpenrepublik und nennt seinen deutschen Wunschspieler.

 

SPOX: Herr Wohlfahrt, was erwarten Sie von der österreichischen Mannschaft bei der EM im eigenen Land?

Wohlfahrt: Bei mir sieht es da nicht anders aus, als bei der Mehrheit in Österreich. Die Erwartungen sind nicht so hoch. Auf der anderen Seite bin ich ein ewiger Optimist und glaube schon, dass sich bei einem Teilerfolg im ersten Spiel gegen Kroatien eine Eigendynamik entwickeln kann. Dann wäre es möglich, dass man das zweite Spiel gegen Polen gewinnt.

SPOX: Wie realistisch ist für Sie ein Weiterkommen?

Wohlfahrt: Mehr als zehn Prozent würde ich nicht sagen. Es kommt sehr viel auf das erste Spiel an. Wenn wir das nicht verlieren, entsteht ein Glaube im ganzen Land und das wäre dann unsere Chance.    

SPOX: Wie beurteilen Sie die Leistungen in den Testspielen gegen Deutschland (0:3, Anm. d. Red.) oder die Niederlande (3:4, Anm. d. Red.)?

Wohlfahrt: Es war sowohl ermutigend als auch entmutigend. Wir haben über weite Phasen gut gespielt, aber es dann auch wieder geschafft, noch zu verlieren. Da hat man wieder gesehen, dass die Qualität anderer Nationen einfach höher ist als unsere. Wir brauchen einen Tag, an dem alles passt. Aber solche Glückstage gibt es nicht oft.

SPOX: Was wäre ihr persönlicher EM-Albtraum aus österreichischer Sicht?

Wohlfahrt: Wenn sich die Mannschaft unabhängig von den Ergebnissen nicht gut verkauft, wenn sie sich nicht völlig verausgabt. Wenn sie verlieren, wird man ihnen das in Österreich verzeihen, aber man muss sehen, dass sie bis zur letzten Sekunde fighten und sich wehren.

SPOX: Was würde ein Viertelfinal-Einzug für den österreichischen Fußball bedeuten?

Wohlfahrt: Extrem viel. Für den gesamten österreichischen Sport. Vor allem aber für die Spieler. Das negative Image, das sie sich über die letzten Jahre in Europa aufgebaut haben, wäre mit einem Schlag weg. Dann wäre der Weg frei für einige Spieler, wieder in die guten europäischen Ligen zu kommen, wo sie mehr Erfahrung sammeln könnten als in der österreichischen Liga.

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SPOX: Wer sind für Sie die Führungsspieler im ÖFB-Team?

Wohlfahrt: Das ist ja unser Problem, das wir nicht wirklich Führungsspieler haben. Genannt werden in dem Zusammenhang oft unser Kapitän Andreas Ivanschitz oder Martin Stranzl. Aber in den letzten Jahren hätte ich mir da mehr erwartet. Vielleicht passiert etwas ganz Neues und es etabliert sich ein anderer mit guten Leistungen als Leader. Das geht nur mit Leistung.

SPOX: Wer könnte denn so ein Geheimtipp sein?

Wohlfahrt: Es gibt einen Stürmer in Österreich, der ohne Zweifel ein ganz großes Talent ist. Erwin "Jimmy" Hoffer von Rapid Wien. Ein sehr gefährlicher Spieler, der international noch nicht bekannt ist, aber aufgrund seiner Einstellung und seiner Qualitäten eine hervorragende Zukunft vor sich hat.

SPOX: Was halten Sie von der deutschen Mannschaft?

Wohlfahrt: Die deutsche Mannschaft ist vor zwei Jahren bei der Weltmeisterschaft geboren worden. Vor der WM war auch nicht alles eitel Sonnenschein. Und plötzlich hat es funktioniert. Deutschland ist mit Sicherheit ein ganz großer Anwärter auf den Titel. In der Abwehr haben sie vielleicht momentan ein kleines Problem, aber die Spieler sind so gut, dass sie das bis zum Turnier lösen werden.

SPOX: Wer sind für Sie die anderen Favoriten?

Wohlfahrt: Eigentlich wie immer die üblichen Verdächtigen. Der internationale Fußball wird über die Defensive gewonnen und deshalb werden Italien und Frankreich wieder ganz vorne dabei sein.

SPOX: Wenn Sie sich einen deutschen Spieler für das österreichische Team aussuchen könnten, wen würden Sie wählen?  

Wohlfahrt: Sehr gute Frage, sehr schwierige Frage. Da gibt es mehrere. Michael Ballack wäre fein, aber er muss es nicht sein. Es gibt viele sehr gute Spieler, wir wären auch froh, wenn wir Lukas Podolski hätten und würden ihn nehmen.

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