"Spanien hat die beste Einstellung"

Von Interview: Alexis Menuge
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München - Ein Punkt, ein Tor und das bittere Aus in der Vorrunde - so haben sich die Franzosen die EM sicher nicht vorgestellt. Ganz anders treten bisher die Spanier auf, deren Weg über Italien ins Halbfinale führte.

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Im Interview mit SPOX.com spricht Bixente Lizarazu (Steckbrief), ehemaliger Nationalspieler Frankreichs und Profi des FC Bayern, über die Equipe Tricolore, Trainer Raymond Domenech und seinen Favoriten auf den EM-Titel.

SPOX: Herr Lizarazu, was war der Hauptgrund für Frankreichs Aus bei dieser Europameisterschaft?

Bixente Lizarazu: Es gibt mehrere Gründe für das frühe Ausscheiden: Auf der einen Seite die erwartete Todesgruppe, auf der anderen die schlechte Chemie innerhalb der Mannschaft. Da war die ältere Generation mit Spielern wie Thuram, Makelele und Coupet, dann die Playstation-Generation mit Gallas, Abidal und Sagnol und schließlich die i-pod-Generation mit Benzema, Nasri und Lassana Diarra. Zwischen all diesen Spielern hat es einfach nicht gepasst. Die Mannschaft sah zwar auf dem Papier sehr gut aus, aber auf dem Platz wollte keiner für den Anderen laufen. Da muss sich in Zukunft einiges ändern, die Nationalmannschaft braucht mehr Solidarität und Zusammenhalt. Das Team ist völlig zu Recht so früh ausgeschieden.

SPOX: Muss Frankreichs Teamchef Raymond Domenech die Konsequenzen ziehen und zurücktreten?

Lizarazu: Raymond Domenech ist sicher nicht alleine schuld am schlechten Abschneiden, aber er ist nun mal für die Mannschaft verantwortlich. Das Team hat die Erwartungen nicht erfüllt, also sollte der Trainer zurücktreten. Zudem hat er in seiner Karriere ja noch keinen einzigen Titel gewonnen.

SPOX: Welche Bilanz ziehen Sie von seiner Zeit als Nationaltrainer?

Lizarazu: Frankreich hatte schon 2006 unter Domenech sehr viel Mühe, sich für die WM in Deutschland zu qualifizieren. Erst als er feste Größen wie Zinedine Zidane, Lilian Thuram und Claude Makelele zurückgeholt hat, lief es wieder rund. Es ist schon bezeichnend, dass ausgerechnet diese drei Spieler ihn damals gerettet haben. Immerhin war es Zidane, der Frankreich bis ins Finale geführt hat .

SPOX: Aber Domenech scheint nicht bereit zu sein, seinen Posten abzugeben, denn er hat nach dem EM-Aus von der WM 2010 gesprochen und seiner Freundin gleich einen Heiratsantrag via TV gemacht...

Lizarazu: Das hat mich ehrlich gesagt schockiert. Die Leute wollen über Fußball unterhalten werden und nicht über das Privatleben von Herrn Domenech. Es war einfach falsch, zu diesem Zeitpunkt darüber zu sprechen. Es ist uns doch allen egal, wen er heiratet. Außerdem hat mir nicht gefallen, dass er immer wieder betonte, nicht die WM 2010 als Projekt zu haben, sondern nur diese EM. Wenigstens hat er indirekt zugegeben, dass er nicht genügend auf die Jugend gesetzt hat.

SPOX: Waren Sie von den meisten Spielern enttäuscht?

Lizarazu: Das Problem war, dass viele Stammkräfte wie Thuram, Sagnol oder Henry eine schwere Saison hinter sich haben. Alle drei waren lange verletzt und saßen im Verein nur auf der Bank. Das hat sichtlich Spuren hinterlassen.

SPOX: Wen hätten Sie gerne als Nachfolger von Domenech?

Lizarazu: Ganz klar, Didier Deschamps. Nicht nur weil wir befreundet sind, sondern weil er als Spieler eine fantastische Karriere hingelegt hat. In der Nationalmannschaft und im Verein. Aber auch als Trainer hat er mit dem AS Monaco das Finale der Champions League erreicht und mit Juventus Turin auf Anhieb den Aufstieg in die Serie A geschafft. Der französische Verband sollte sich ein Beispiel an anderen Nationen nehmen und es mit einem jungen Trainer versuchen. Genau wie Deutschland damals mit Klinsmann oder Kroatien heute mit Bilic. Das ist meiner Meinung nach der einzig richtige Weg.                       

SPOX: Was sagen Sie zur deutschen Nationalmannschaft nach dem Sieg gegen Portugal im Viertelfinale?

Lizarazu: Ich habe schon vor der Partie gesagt, dass die DFB-Elf das Spiel machen und selbst die Initiative ergreifen soll, um weiter zu kommen. Es hat wirklich Spaß gemacht, den Deutschen zuzuschauen, besonders meinen ehemaligen Bayern-Kollegen Schweinsteiger, Podolski und Ballack. Für Deutschland ist jetzt alles drin.

SPOX: Ist dieser Erfolg der Verdienst von Bundestrainer Joachim Löw?

Lizarazu: Ich denke eher von Jürgen Klinsmann, denn er hat 2004 beim DFB eine neue Spielphilosophie eingeführt, die heute von Löw fortgesetzt wird. Mittlerweile macht es richtig Spaß, dem Spiel der Deutschen zuzuschauen, dass war nicht immer der Fall. Deutschland hat durch seine attraktive Spielweise viele Sympathien gewonnen. Es ist also kein Zufall, dass das Team nun wieder zu den Top-Nationen der Welt gehört.

SPOX: Was glauben Sie nun, wer wird Europameister?

Lizarazu: Deutschland hat zwar Chancen, aber ich würde eher auf Spanien tippen. Das Team scheint mir von den restlichen Mannschaften einfach die beste Einstellung zu haben. Das könnte in diesem Turnier den Ausschlag geben.

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