"Das Stadion wird kochen"

Von Interview: Florian Bogner
tuerkei, schweiz
© Imago

München - Für die Schweiz und die Türkei geht es heute abend (20.45 Uhr im SPOX-TICKER) schon um Sein oder Nichtsein. Wer verliert, ist so gut wie draußen. 

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Ein Skandalspiel wie bei der WM-Quali im November 2005, als sich Türken und Schweizer nach Schlusspfiff auf dem Platz und im Kabinengang prügelten (im Bild), wird nicht erwartet. "Klar geht es um viel, aber beide Teams werden sich diesmal ausschließlich auf Fußball konzentrieren", sagt Tranquillo Barnetta.

Auch Berkant Göktan von 1860 München glaubt, dass sich die Geschichte nicht wiederholen wird. Bei SPOX.com spricht der türkische Angreifer über die schwache Leistung seiner Landsleute im Spiel gegen Portugal und ergreift Partei für den in der Heimat heftig kritisierten Trainer Fatih Terim.

 

SPOX: Schweiz gegen die Türkei - da denkt man natürlich sofort an die üblen Jagdszenen aus dem November 2005. Sie auch?

Göktan: Natürlich. So was vergisst man nicht so schnell. Es war schlimm, was damals passiert ist, aber das kommt sicher nicht noch mal vor. Die Betroffenen haben ihre Strafen erhalten, die Sache ist Geschichte.

SPOX: Aber trotzdem wird die Vorgeschichte heute eine Rolle spielen.

Göktan: Klar spielt das noch eine Rolle. Das Stadion wird kochen, die Schweizer haben ja schließlich ein Heimspiel. Und wer verliert, ist draußen. Die aufgeladene Atmosphäre wird für unser Team aber kein Problem sein. In der Türkei geht es ja oft drunter und drüber auf der Tribüne.

SPOX: In der Schweiz gibt es ja auch viele Türken, die sicherlich zum Spiel gehen werden...

Göktan: Ja, und wenn dann das ganze Stadion nach der Hymne anfängt zu singen und zu hüpfen, gibt das bestimmt Gänsehaut. Das wird die Jungs unheimlich anspornen.

SPOX: Wie groß ist die Erwartungshaltung in der Heimat?

Göktan: Nach dem dritten Platz bei der WM 2002 hat man gedacht, das geht so weiter. Die Erwartungshaltung war nach den verpassten Turnieren 2004 und 2006 riesig. In der Türkei ist der Fußball alles für die Menschen.

SPOX: Was hat sich im Vergleich zu 2002 geändert? Welche Entwicklung hat der Fußball in der Türkei genommen?

Göktan: Eine Entwicklung in die Breite, würde ich sagen. Es gibt mittlerweile viele gute Profi-Manschaften in der Türkei, nicht mehr nur die drei großen Klubs. Und Nationaltrainer Fatih Terim legt Wert auf die Zusammenarbeit mit allen Klubs. Es ist viel professioneller als noch vor ein paar Jahren.

SPOX: Terim selbst wird 'der Imperator' genannt, ist eine absolute Respektperson. Welche Erfahrungen haben Sie unter ihm beio Galatasaray gesammelt?

Göktan: Man kann unheimlich viel von ihm lernen. Er gibt seine Erfahrungen an die Spieler weiter, ist für die Jüngeren fast schon eine Art Vaterfigur.

SPOX: Gibt es eine Anekdote, die ihn besonders gut beschreibt?

Göktan: Da habe ich so einiges erlebt, positive wie auch negative Dinge. Bei Galatasaray war er Tag ein, Tag aus für den Verein da. So war er beispielsweise schon morgens um sechs Uhr auf dem Trainingsgelände und hat die Blumen gegossen. Auf der anderen Seite hat er aber auch nach einer 0:6-Niederlage gegen Fenerbahce sein Hemd zerrissen und drei Koffer kaputt getreten.

SPOX: Wie sieht seine Spielphilosophie aus?

Göktan: Er legt Wert darauf, dass die Mannschaft den Gegner durch ein aggressives Mittelfeld schon früh unter Druck setzt. Nach dem Ballgewinn soll sofort der schnelle Pass in die Spitze gespielt werden. Die grundsätzliche Ausrichtung ist offensiv.

SPOX: Das hat gegen Portugal noch nicht so gut geklappt.

Göktan: Man muss bedenken, dass die Mannschaft noch jung ist und auf der europäischen Bühne gegen große Mannschaften erst noch ihre Erfahrungen sammeln muss. In manchen Situationen fehlt einfach noch die Cleverness und die nötige Abgebrühtheit.

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