Löw streicht Marin, Jones und Helmes

SID
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© Getty

Palma de Mallorca (dpa) - Schweren Herzens hat Joachim Löw nach dem Rückschlag gegen Weißrussland den Schalker Jermaine Jones, den Kölner Patrick Helmes und überraschend auch den Gladbacher "Zauberlehrling" Marko Marin aus dem Kader für die Fußball-EM gestrichen.

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"Bis spät in die Nacht haben wir alle Fakten und Auswertungen diskutiert. Es war nur ein Sandkorn, das die Waage auf diese Seite ausschlagen ließ", erläuterte Löw, der zunächst das Trio und anschließend die gesamte Mannschaft erst kurz vor Ablauf der Meldefrist bei der UEFA unterrichtet hatte.

"Die Enttäuschung spürte man förmlich im Raum", berichtete Löw.

"Alle drei haben gekämpft"

Der Chefcoach verteidigte die verlängerte Kader-Auslese: "Es hat sich bewährt. Wir würden es wieder tun, 26 Spieler mitzunehmen." Er war nach der "Millimeter-Entscheidung" darum bemüht, Jones, Helmes und Marin keinesfalls als Verlierer des von ihm ausgerufenen Castings um die 23 Kader-Plätze darzustellen: "Wir müssen den Spielern unseren Dank aussprechen. Sie können sich keinen Vorwurf machen - und wir ihnen auch nicht. Alle drei haben verbissen gekämpft." Die Enttäuschung versuchte er dadurch zu mildern, dass er ihnen "gute Perspektiven" für die Zukunft bescheinigte: "Sie haben ihre Position bei uns verbessert. Man wird sie wiedersehen."

Beim "High Noon" im Teamhotel Son Vida dürften andere heiß gehandelte Streich-Kandidaten wie David Odonkor, Piotr Trochowski, Oliver Neuville oder auch Tim Borowski, der sich wegen eines grippalen Infektes gar nicht im Taining beweisen konnte, tief durchgeatmet haben.

Robustheit fehlt

Marin, Jones und Helmes reisten dagegen noch am Mittwoch ab, nach vom DFB verbreiteten Reaktionen ohne Groll. "Ich werde nach dem Urlaub wieder angreifen", erklärte Helmes.

"Ich habe alles gegeben und habe mir nichts vorzuwerfen", bemerkte Jones. Und Marin versuchte, sich spontan damit zu trösten, dass er beim 2:2 gegen die Weißrussen immerhin sein erstes Länderspiel bestreiten durfte: "Ich bin noch jung", sagte er und ergänzte: "Den Jungs drücke ich jetzt erstmal die Daumen bei der EM."

Die Ausmusterung des zuvor von Löw fast schon überschwänglich gelobten Talentes überraschte am meisten. Aber der Bundestrainer hatte in Kaiserslautern erkennen müssen, dass der nur 1,68 Meter große Marin körperlich noch nicht robust genug ist.

Borowski als Ballack-Ersatz

"Der Sprung von der 2. Liga zu einem EM-Turnier wäre noch zu groß", sagte Löw: "Aber die Zukunft wird ihm gehören." Diese beginnt nun frühestens in der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika.

Helmes verlor das Duell um den fünften Stürmerplatz gegen den turniererfahrenen Gladbacher Neuville (35), dem eine dritte EM-Ausmusterung nach 2000 und 2004 erspart blieb.

Auch gegen Jones sprach die fehlende Turniererfahrung, denn Löw berief gleich 15 WM-Spieler von 2006 ins Aufgebot.

"Die Spieler, die das Sommermärchen mitgestaltet haben, haben auch den Großteil der EM-Qualifikation gespielt und es verdient", bemerkte Abwehrchef Christoph Metzelder.

So sprach für Borowski, "dass er Michael Ballack ersetzen kann, wenn er mal ausfällt", wie Löw erläuterte. Und Odonkor habe eben eine außergewöhnliche "Waffe, seine Schnelligkeit".

Westermann wird zurück erwartet

Groß aufhalten konnte sich Löw nicht mehr mit den enttäuschten Akteuren, denn genug Sorgenkinder sind noch da. Insbesondere in der Abwehr um den flatterhaften Torhüter Jens Lehmann und den noch weit von der EM-Form entfernten Deckungschef Christoph Metzelder wurden gegen Weißrussland Baustellen sichtbar, die in der drängenden Zeit bis zum Ernstfall am 8. Juni gegen Polen seine ganze Kraft erfordern.

Zumal Bastian Schweinsteiger (Kapselverletzung am Sprunggelenk) und Marcell Jansen (muskuläre Probleme) noch eine Trainingspause einlegenmussten.

Aus freudigem Anlass betraf das auch den Schalker Heiko Westermann, der Vater einer Tochter geworden ist und erst am Mittwochabend aus Deutschland zurückerwartet wird.

Löw versuchte trotz allem, Ruhe und Zuversicht auszustrahlen. "Unser Ziel ist das erste Spiel gegen Polen. In einer Woche werden die Spieler in besserer Form sein, das kann ich versprechen."

Lehmann genervt

Die vielen Mängel im vorletzten Testspiel, die auch ein starker Lukas Podolski und ein zum 1:0 treffender Miroslav Klose nicht überdecken konnten, wurden kollektiv mit dem harten Training begründet. "Wir mussten uns körperlich durchquälen", meinte Metzelder.

 Insbesondere Lehmann machte aber nicht erst beim späten Ausgleichstor von Witali Bulyga eine schlechte Figur. Der Doppel-Torschütze hatte schon zuvor mit dem 1:2 Lehmanns Rekordjagd nach 681 Länderspiel-Minuten beendet.

"Ich bin doch an den meisten Toren irgendwie ein bisschen mitschuldig", meinte Lehmann leicht genervt.

Kapitän Ballack war direkt nach Spielende bemüht, die wieder entfachte Debatte um die Nummer 1 zu ersticken.

"Ich glaube nicht, dass wir eine Torhüterdiskussion haben." Löw gab Lehmann volle Rückendeckung und eine Einsatzgarantie auch für die EM-Generalprobe gegen Serbien am Samstag in Gelsenkirchen: "Wir vertrauen Jens. Wir sind von ihm überzeugt. Dazu stehen wir."