Der Turnierspieler

Von Stefan Rommel
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© Imago

Kaiserslautern - Wie muss es wohl bei der WM 1986 in Mexiko im deutschen Mannschaftshotel zugegangen sein?

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So richtig Bescheid wissen wohl nur die Spieler und ein paar zufällig platzierte Funktionäre. Zumindest ist bis heute bis auf die herrliche Suppenkasper-Pointe und Gerüchte um die ein oder andere durchzockte Nacht wenig nach außen gedrungen.

Dass es die DFB-Elf damals tatsächlich bis ins Finale und beinahe sogar noch weiter geschafft hat, grenzt zwar an ein Wunder, hatte aber auch eine Ansage an all die anderen Nationen im Kontext: Das hier ist eine Turniermannschaft. Und wenn es was zu gewinnen gibt, dann ist sie verdammt noch mal auch da.

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Die Sache mit dem Laissez-faire hat der DFB dank Playstation, Billard, Kicker und dergleichen mittlerweile in einen überschaubaren Rahmen gezwängt. Das Synonym der Turniermannschaft hängt der 2008er Truppe aber immer noch an.

Ihr wahrer Kopf, ihr Bandenchef, ist aber nicht Michael Ballack oder etwa Jens Lehmann. Der Turnierspieler dieser Turniermannschaft ist Christoph Metzelder.

Deutschlands bester Rekonvaleszent

Kein anderer musste so viele Rückschläge hinnehmen, niemand hat sich schon so oft von ganz unten wieder ganz nach oben gekämpft.

Regelmäßig vor großen Turnieren verletzte sich Metzelder, schaffte bisher aber immer wieder die Punktlandung. Bis auf einmal, im Sommer 2004. Über anderthalb Jahre war er außer Gefecht, die EM in Portugal musste er absagen.

Damals stand die Karriere des 27-Jährigen kurz vor dem Aus. Metzelder kam zurück und spielte zwei Jahre später eine überragende WM. Aus dem Problemfall wurde eine Säule der Mannschaft. Er ist demnach nicht nur Deutschlands bester Turnierspieler, er muss auch Deutschlands bester Rekonvaleszent sein.

Noch keine EM

Wie sehr er sich fokussieren kann, zeigt ein Blick auf seine Länderspieleinsätze in den Jahren zwischen den Großereignissen. 2001, 2003, 2005 und 2007 kam er insgesamt auf läppische 14 Einsätze. Ohne das völlig verletzungsfreie 2007 wären es nur drei gewesen.

So steht die Zahl seiner Länderspiele bei 39, ein Drittel davon absolvierte er bei zwei Weltmeisterschaften. Zu einer EM-Teilnahme hat es bisher nicht gelangt. Der vier Jahre jüngere Bastian Schweinsteiger etwa feiert heute gegen Weißrussland (17.30 Uhr im SPOX-TICKER) seinen 50. Einsatz.

Als sich Metzelder im Februar wegen eines Teilabrisses der Plantar-Faszie am linken Fuß einer Operation unterziehen musste, hakten viele den Innenverteidiger schon ab. Jetzt steht er wieder auf dem Platz. Er ist wieder gesund. Aber gesund heißt eben nicht gleich fit.

"Es ist ja nicht so, dass ich einen Freifahrtschein habe und mich im rechtsfreien Raum bewege, in dem das Leistungsprinzip des Sports keine Gültigkeit besitzt. Es liegt an mir, inwieweit ich gewisse Dinge aufholen kann", sagte er.

Probleme mit der Stabilität

Neulich hat er in einem Interview mit dem "Kicker" zugegeben, dass ihm noch das Körpergefühl ein wenig fehle. An die Schuheinlage, die er zur Stabilisation tragen muss, hat er sich noch nicht gewöhnt.

Ob das ein echtes Handicap darstellt, kann trotz aller Leistungsdiagnostik, aller Computer und Zahlen und Auswertungen nur Metzelder selbst einschätzen.

"Ich glaube, dass ich schon bei den letzten Turnieren gezeigt habe, dass ich nach körperlichen Rückschlägen schnell in meinen Rhythmus komme", fügte er deshalb fast zum Trotz noch an.

Löw geht hohes Risiko ein

Im Test gegen die Weißrussen richten sich alle Augen auf die Verdächtigen, die die Experten als potenzielle Streichkandidaten ausgemacht haben und auf diejenigen, die dann morgen um 12 Uhr immer noch dabei sein dürfen.

Man darf aber nicht vergessen, dass es sich bei jenen in der Regel dann um Ergänzungsspieler handeln wird. Zwar mit Spezialaufgaben ausgestattet, aber eben nur für eine überschaubare Einsatzzeit.

Die wahre Erkenntnis des Abends wird darin liegen, ob das Prunkstück der EM-Qualifikation wieder funktionieren wird. Ob Christoph Metzelder neben Per Mertesacker funktionieren wird. Ob Deutschland zusammen mit Torhüter Lehmann wieder ein derart unüberwindbares Bollwerk hat wie vor zwei Jahren.

Bundestrainer Joachim Löw geht mit der Personalie Metzelder ein hohes Risiko. Einen weiteren gelernten Innenverteidiger hat er nicht nominiert. Nur Deutschlands besten Turnierspieler.

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