Odonkor 2.0 gesucht

Von Stefan Rommel
Marin
© Getty

München - Joachim Löw hat ja viel von seinem Vorgänger übernommen. Der Jürgen, der hat ihm damals gezeigt, wie man aus einer simplen Kadernominierung ein prima Event basteln kann.

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So richtig modern, mit feixendem Publikum, mit Spielern als Papp-Attrappen und einem knackigen Filmchen, das die Sieger des nationalen Castings kurz und prägnant vorstellt.

Der Jürgen wählte als Veranstaltungsort Berlin, was angesichts der damals kurz bevorstehenden WM im eigenen Land als durchaus brauchbare Idee galt.

Jetzt, exakt zwei Jahre und einen neuen Bundestrainer später, ist Berlin out und der DFB-Tross müht sich hinauf auf den höchsten Berg Deutschlands. Die "Panorama-Lounge 2962", ein Saal fast nur aus Glas, bei schönem Wetter mit ungetrübtem Blick rüber in die Schweiz und nach Österreich, wurde als Ort der Präsentation (ab 13 Uhr im SPOX-TICKER und im LIVESTREAM) erkoren.

Haupt- und Nebenrollen schon besetzt

Einige "Überraschungen im Ablauf" kündigte der DFB schon großspurig an. Und wer die Macher aus der Otto-Fleck-Schneise kennt, darf sich auf so manch extravagante Zauberei freuen.

Dem eigentlichen Anlass der Veranstaltung kann dies nur förderlich sein. Löw hat gut dreiviertel seines Kaders schon längst vollste Planungssicherheit erteilt. Die Führungsspieler aus dem Sommermärchen sind darunter, die Lehmanns, Ballacks, Frings, Kloses.

Auch die meisten Nebenrollen sind schon besetzt. Für Spieler wie Thomas Hitzlsperger oder Kevin Kuranyi wird die Nominierung längst nicht mehr zur  Nervenprobe.

Gibt's den nächsten Odonkor?

Aber hinter den 1A-Bankspielern lauern einige darauf, ihren Namen auf der Liste der 23 - oder vielleicht auch ein paar mehr - vorläufig Auserwählten wiederzufinden. Gemeinhin werden diese Spieler Wackelkandidaten geschimpft. Am Freitag verwandeln sie sich dann in entweder EM-Teilnehmer oder aber gewöhnliche Urlauber.

Die Liste derer ist lang. Sie reicht von Rene Adler (Tor) über Gonzalo Castro (Abwehr) und Roberto Hilbert (Mittelfeld) bis hin zu Patrick Helmes (Angriff).

Vor allem im Mittelfeld und Angriff aber dürfen sich neben den üblichen Verdächtigen auch jene eine kleine Chance ausrechnen, an die bisher noch niemand denkt. Außer Jogi Löw natürlich.

Vor zwei Jahren beschied Jürgen Klinsmann seinem Überraschungsgast David Odonkor ein paar Stunden vor der Präsentation via Telefon von dessen Glück. Klinsi forderte damals etwas ein, "was wir dringend benötigen: Schnelligkeit, Überraschungsmomente und Flanken von der Grundlinie".

Löw fordert Spezialfähigkeiten

Joachim Löw fordert für die EM Spieler mit Spezialfähigkeiten. Bei Odonkor war und ist das sein Sprinter-Gen. Die schnellste Maus von Sevilla darf - durchwachsene Leistungen bei Real Betis hin oder her - auch dieses Mal wieder träumen.

"An der Stelle von Jogi Löw würde ich sagen: 'Der Odonkor muss mit'", meinte er jüngst recht optimistisch.

Aber als echter Geheimtipp taugt Odonkor nicht mehr. Dafür umso mehr Marko Marin (im Bild). Der Gladbacher hat sich unter Coach Jos Luhukay beim designierten Zweitligameister etabliert und besonders im Endspurt aufgedrängt.

Marin hat alle Jugendmannschaften des DFB durchlaufen, rückte schon mit 18 Jahren zur U 21 von Dieter Eilts auf. Vor allem bringt Marin etwas ganz Entscheidendes mit: die Spezialfähigkeit des Tempodribblings.

Deutschland hat keinen Dribbelkönig

Frankreich hat einen solchen Typ Spieler (Ribery), ebenso die Holländer (Robben), auch Portugal (Cristiano Ronaldo) und Russland (Arschawin). Deutschland nicht. Wenn ein Spiel aber festgefahren ist, wenn sich beide Mannschaften neutralisieren oder einfach die Ideen fehlen, macht ein Dribbler wie Marin durchaus Sinn.

Selbst Rudi Völler rang sich vor vier Jahren dazu durch, die relativ unbekannten und unerfahrenen Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger mit zur EURO nach Portugal zu nehmen.

Die EM käme für Marin zu früh, sagen Kritiker. Allerdings profitierte Klinsmann im Hinblick auf die Welttitelkämpfe 2006 sehr von Völlers mutiger Entscheidung. Zuletzt saß Löw in Mönchengladbach auf der Tribüne. Offiziell, um Oliver Neuville zu beobachten...

In Wolfsburg schlummern Kandidaten

Und noch zwei heiße Eisen: Marcel Schäfer und Ashkan Dejagah vom VfL Wolfsburg. Nach der Absage von Robert Huth dürfte die Nominierung von Heiko Westermann als Backup für die Innenverteidiger Christoph Metzelder und Per Mertesacker nur noch reine Formsache sein.

Also benötigt Löw noch einen Außenverteidiger. Christian Panders langwierige Verletzung dürfte dem Schalker dabei alle Chancen rauben. Schäfer dagegen ist topfit, spielt mit den Wölfen eine tolle Saison und ist mindestens ebenso torgefährlich wie Pander (5 Saisontreffer). Seine Spezialfähigkeit: grandioser Fernschuss, starke Standards von der rechten Seite.

Teamkollege Dejagah (35 Pflichtspiele, 9 Tore) spielt ebenfalls eine überdurchschnittliche Saison und hat unter Felix Magath eine enorme Entwicklung genommen. In seiner Art ist er mit Gerald Asamoah ("Ich weiß, dass ich lange nicht mehr dabei war. Deshalb wird es schwer für mich.") zu vergleichen. Nur besser und torgefährlicher.

Spezialfähigkeit: Kann den tödlichen Pass spielen, aber auch selbst abschließen. Für den Juni hat sich der U-21-Nationalspieler bisher mal nichts vorgenommen.

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