26 Mann im Recall

Von Stefan Rommel
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© Getty

München - Die Ankündigungen der Verantwortlichen waren ja relativ großspurig, für DFB-Verhältnisse zumindest.

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Eine tolle Überraschung hatte Oliver Bierhoff prophezeit, er meinte damit den feierlichen Rahmen rund um die Nominierung der 26 Auserwählten.

Nach den aktionsgeladenen Einspielern bei der WM-Nominierung vor zwei Jahren durfte man also mindestens wieder etwas Multimedia erwarten, vielleicht mit einem jener gröhlenden Stadionsprecher aus der Bundesliga geschmückt, der dann die Vor- und Zunamen ins Mikrofon plärrt. Mindestens aber eine schicke Powerpoint-Präsentation.

Die Show blieb aus

Ein Segen, dass dem dann doch nicht so war. Der DFB hielt das Drumherum möglichst klein, orderte Familie Neureuther auf den Berg und steckte ein paar Kinder mit Maskottchen Paule auf dem Arm in die Jerseys der glücklichen Kandidaten und Ende. Zur Sicherheit trug Pressesprecher Harald Stenger die Namen gewohnt sachlich vor. Von einer großen Show war also nichts zu sehen.

Dafür enttäuschten Löw, Flick, Köpke und Bierhoff - alle im selben, eintönig-dunklen Anzug -  aber inhaltlich nicht. Es waren einige personelle Überraschungen angekündigt. Und das Führungs-Quartett hielt Wort.

"Es wird Härtefälle geben", wurde Löw in den letzten Wochen und Monaten nicht müde zu betonen. Einige davon hat es also jetzt schon erwischt, in der ersten Runde dieses furchtbar gnadenlosen Castings. Der vorläufige Kader in der Diashow

Adler sogar die Nummer zwei?

Oder hätte im Ernst jemand damit gerechnet, dass Timo Hildebrand, seit gefühlten zehn Jahren bei jedem Länderspiel mit dabei, aus Platzgründen einfach mal wegrationalisiert wird?

Valencias Nummer eins muss seinen Platz räumen. Sein Problem im Gegensatz zu Konkurrent Robert Enke war die Tatsache, dass sich Hildebrand mit seinem Wechsel nach Valencia grob verspekulierte. Und gegen Adler hatte Hildebrand offenbar schon länger keine Chance mehr.

"Aufgrund der Leistung und der Altersstruktur wollten wir Rene mitnehmen. Und dann mussten wir uns zwischen Timo und Robert entscheiden", erklärte Torwarttrainer Köpke. Zwischen den Zeilen konnte man sogar leise heraushören, dass Adler und nicht Enke bei der EM die Nummer zwei sein wird.

Geschockt und irritiert

"Ich bin überrascht, geschockt, auch irritiert. Klar bleibt mir jetzt nichts anderes übrig, als diese Entscheidung so hinzunehmen, wie sie ist. Und selbstverständlich muss ich sie auch akzeptieren. Aber verstehen oder gar nachvollziehen kann ich sie nicht", meinte der ausgebootete Hildebrand auf seiner Homepage.

Die Art und Weise hinterlässt einen faden Beigeschmack. Zu keinem Zeitpunkt wurde Hildebrand darauf hingewiesen, dass es für ihn nicht reichen könnte. Drei Wochen vor der EM ist dann aber plötzlich für ihn Schluss.

Drei Spieler aus der zweiten Liga

Hätte jemand damit gerechnet, dass der Bundestrainer sich erdreistet, gleich drei Spieler aus der zweiten Liga mit zu nehmen?

Mit Oliver Neuville war schwer zu rechnen. Mit dem Gladbacher hatten Löw und Bierhoff schon bei der WM gute Erfahrungen gemacht, zuletzt machte sich auch Kapitän Michael Ballack für ihn stark ("Wir wissen, was wir an ihm haben").

Patrick Helmes und auch Marko Marin dagegen gehen durchaus als Überraschung durch. Wobei es von den sechs vorläufig nominierten Stürmern noch einen treffen wird - Helmes oder Neuville.

Nur ein "echter" Innenverteidiger

Hätte jemand damit gerechnet, dass Löw mit Per Mertesacker nur einen gelernten und auch fitten Innenverteidiger mitnehmen will?

Christoph Metzelder ist zwar gesund, aber noch lange nicht fit. Arne Friedrich und Heiko Westermann sind im Zentrum für ein Turnier solcher Qualität nicht mehr als Verlegenheitslösungen. Wo ist Manuel Friedrich geblieben?

Zwölf Tage bis zum Recall

Hätte jemand gedacht, dass von der Leverkusener Armada - vor ein paar Wochen träumten noch sechs Bayer-Spieler von der EM (Adler, Castro, Manuel Friedrich, Rolfes, Schneider, Kießling) - nur noch eine Nussschale übrig blieb (Adler und Rolfes).

Zwölf Tage sind es noch bis zum finalen Recall, dann muss sich Joachim Löw von drei weiteren Mitstreitern trennen.

"Am 28. Mai endet das Casting, dann müssen wir den endgültigen Kader benennen. Wir haben nun zwei Jahre lang an einem Drehbuch geschrieben - und wir sind von diesen Spielern absolut überzeugt", gab Löw seinen Akteuren noch mit auf den Weg.

In zwölf Tagen muss er seine Worte aber zum Teil wieder revidieren.

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