Elf Hungrige und ein kleiner Heimvorteil

Von Florian Bogner / Andreas Lehner
Türkei
© Getty

München - Denkt man an die Türkei und die Schweiz, kommen einem sofort die wilden Jagdszenen aus dem November 2005 ins Gedächtnis.

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Damals waren Spielern und Funktionären beim Playoff-Spiel zur WM 2006 in Istanbul auf beiden Seiten die Sicherungen durchgebrannt. Die Schweiz fuhr zur WM, die Türkei wartete seit dem dritten Platz bei der WM 2002 weiter auf den Einzug in eine Endrunde.

Nun gibt es in der Gruppe A der EM ein Wiedersehen mit den Eidgenossen. Glaubt man Türkei-Experte Berkant Göktan, dann sind die Szenen von 2005 Vergangenheit und werden nicht wieder aufleben.

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"Klar, die Schweiz hat ein Heimspiel und das Stadion wird kochen", meint der Stürmer von 1860 München gegenüber SPOX.com. "Das ist für unser Team aber kein Problem. In der Türkei geht es auf der Tribüne ja oft drunter und drüber."

Zusammen mit dem 40-fachen Junioren-Nationalspieler der Türkei stellt SPOX.com die Türkei vor.

Die Stärken:

Technisch gehören die Türken zu den stärksten Teams, die Offensive ist mit den Legionären Hamit Altintop (Bayern München), Emre (Newcastle United), Tuncay Sanli (FC Middlesbrough) und Nihat Kahveci (FC Villarreal) das Prunkstück.

"Es herrscht ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl. Es ein sehr junges, dynamisches Team, die Spieler sind hungrig", meint Göktan.

So würde Berkant Göktan spielen lassen...

Und dann gibt es ja noch so eine Art Heimvorteil: "In Österreich, der Schweiz und Deutschland leben viele Türken, die unsere Mannschaft mit Sicherheit unterstützen werden. Wenn dann das ganze Stadion anfängt zu singen, hat man echt Gänsehaut. Das spornt einen unheimlich an."

Die Schwächen:

Besonders in der Verteidigung haben die Türken große Defizite. Abwehrchef Serven Cetin von Galatasaray spielte in der Quali keine zwei Spiele in Folge mit demselben Nebenmann. Im Tor patzten die Schlussmänner um die Wette. Im Moment hat Volkan Demirel die Nase vorn, doch auch er ist alles andere als ein Muster an Beständigkeit.

Das eigentliche Problem der Türken ist allerdings die Psyche: Unter Druck macht die junge Mannschaft zu viele Fehler. "In manchen Situationen fehlt einfach noch die Cleverness und die nötige Abgebrühtheit", sagt Göktan.

Der Trainer:

Fatih Terim ist schon zu Lebzeiten eine Trainer-Legende in der Türkei. Mit Galatasaray Istanbul holte er von 1997 bis 2000 vier Meisterschaften in Folge, 2000 gewann er den UEFA-Cup. "Der Trainer ist eine absolute Persönlichkeit und positiv fußballverrückt. Man kann viel von ihm lernen", meint Göktan, der einst bei Galatasaray unter Terim spielte.

Taktisch bevorzugt der "Imperator", wie Terim von den Medien genannt wird, ein 4-4-2 mit offensiven Außenverteidigern. "Er legt Wert darauf, dass die Mannschaft den Gegner durch ein aggressives Mittelfeld schon früh unter Druck setzt. Nach dem Ballgewinn wird dann sofort der schnelle Pass in die Spitze gespielt ", so sein ehemaliger Zögling.

Einen echten Zehner hinter den Spitzen gibt es bei den Türken nicht mehr. Eher agieren Gökdeniz Karadeniz oder der Stuttgarter Yildiray Bastürk als hängende Spitze hinter Nihat.

Der Spieler im Fokus:

Nihat Kahveci. Der 28-Jährige vom FC Villarreal schoss das gelbe U-Boot mit 18 Treffern in die Champions League. "Er hat eine bärenstarke Rückrunde gespielt", meint Göktan. "Er hat eine super Schusstechnik, ist schnell und technisch stark."

Nach sechs Jahren in Spanien - von 2002 bis 2006 spielte Nihat bereits für San Sebastian - bringt er genügend Abgeklärtheit mit. Früher noch im Schatten seiner Nebenmänner Hakan Sükür (Nationalmannschaft) und Savo Milosevic (Real Sociedad), weiß sich der wendige Stürmer mittlerweile auch alleine zu behaupten.

Die Prognose:

"Seit der WM 2002 ist die Erwartungshaltung natürlich sehr groß. Fußball ist alles für die Menschen in der Türkei", weiß Göktan. Die Gruppe A ist ausgeglichen, ein echtes Überteam ist aber nicht dabei.

Wenn die Spieler ihre Nerven im Griff haben und taktisch diszipliniert bleiben, ist das Viertelfinale drin. Für Göktan ist der erste Eindruck schon entscheidend: "Wichtig ist, dass das Team mit einer positiven Einstellung in die erste Partie gegen Portugal geht. Der Rest kommt von alleine."

 

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