Aus der Tiefe des Raums

Von Daniel Paczulla
Heiko Westermann
© Getty

München - Wenn ihm der ganze Trubel mal wieder zu viel wird, dann schnappt sich Heiko Westermann einfach seinen Nero und marschiert los.

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Zwar gibt sich Nero etwas einsilbig, aber das stört Westermann nicht weiter. Nero lässt ihn Ruhe finden, Nero ist ihm treu.

Nero ist sein Hund und sein bester Kumpel. Der Rhodesian Ridgeback gibt ihm dann wieder Kraft. Kraft, die Heiko Westermann bald immer öfter brauchen wird. So langsam wird es nämlich richtig stressig.

Seit seinem Wechsel von Arminia Bielefeld zum FC Schalke 04 im Sommer hat sich einiges geändert für den 24-Jährigen. Vom kuscheligen Provinz-Klub aus Ostwestfalen kam er zu einem hektischen Top-Klub in der Bundesliga. Vom Abstiegskampf direkt auf die große Bühne in der Champions League.

Sein rasanter Aufstieg innerhalb der letzten neun Monaten wurde jetzt mit der Einladung zur Nationalmannschaft gekrönt. Beim 3:0 der deutschen Mannschaft in Wien gegen EM-Gastgeber spielte er auf der rechten Abwehrseite gleich über 90 Minuten.

"Länger auf unserem Zettel"

"Das ist eine Anerkennung für die Leistungen in der Vorrunde", freut sich Westermann. Die Empfehlung an Bundestrainer Joachim Löw kam von seinem Trainer Mirko Slomka: "Ich habe ihm von Heikos sehr positiver Entwicklung berichtet." 

Laut Teammanager Oliver Bierhoff ist seine Berufung aber nicht aus der Not geboren: "Er steht schon länger auf dem Zettel von Joachim Löw und hat sich die Berufung durch hervorragende Leistungen im Verein verdient."

Westermann hat sich auf Schalke innerhalb kurzer Zeit zum unverzichtbaren Akteur gemausert und durch seine Vielseitigkeit in den Fokus gespielt. "Ich habe nicht erwartet, dass ich im ersten halben Jahr Stammspieler werde", ist er selbst verblüfft.

Unverzichtbare Größe 

Dabei wollte er zunächst nur lernen, "vom Stellungsspiel und von der Körpersprache" eines Marcelo Bordon und Mladen Krstajic. Jedoch stellte er auch damals schon klar: "Ich werde mich nicht freiwillig auf die Bank setzen."

Am Anfang winkte dennoch die harte Wahrheit draußen an der Seitenlinie. Bis zum 3. Spieltag. Seither absolvierte er alle Spiele. Egal ob auf seiner Lieblingsposition in der Innenverteidigung, als Rechts- oder als Linksverteidiger: Mittlerweile ist Westermann unverzichtbar.

"Diese Vielfalt spricht für mich", sagt er. Mike Büskens, Trainer der Schalker Amateure, lobt ihn im Gespräch mit SPOX: "Er ist dynamisch, kann 90 Minuten hohes Tempo gehen und hat als Linksverteidiger den Vorteil, dass er nach innen ziehen kann."

Seine Dribblings auf der Außenbahn sind bisweilen atmeberaubend, seine Dynamik besticht. Von ganz hinten zieht er durch bis zum Strafraum. Aus der Tiefe des Raums bis in den Brandherd des Gegners.

"Absolutes Highlight"

Auch Joachim Löw ist das alles nicht verborgen geblieben. Mit all seinen fußballerischen Fähig- und Fertigkeiten passt er ins Anforderungsprofil. Der Bundestrainer mag es nämlich gar nicht, wenn seine Abwehrspieler grätschen und so unnötige Standardsituationen entstehen. "Heiko benötigt kaum Fouls, um einen Gegenspieler zu stoppen", weiß auch Slomka. 

Zu seinen Stärken zählen seine Schnelligkeit, sein Kopfballspiel und seine Beidfüssigkeit. "Seit ich Christian Pander vertrete, habe ich Sonderschichten eingelegt und Flanken mit links geübt", erklärte Westermann nach dem Champions-League-Heimspiel gegen den FC Chelsea.

Gegen die Engländer setzte er das absolute Highlight. Selbst die englische Presse zollte ihm Respekt. Im Live-Übertragung des britischen TV-Senders "ITV" attestierte ihm Kommentator Clive Tydesley eine "outstanding performance" auf der linken Seite.

Er bereitete Chelseas Rechtsverteidiger Juliano Belletti (im Bild links) solche Schwierigkeiten, dass der Brasilianer nach 64 Minuten entnervt ausgewechselt wurde.

Fast in Dormund gelandet

Während Westermann auf dem Feld regelrecht explodiert, gilt der gebürtige Franke privat als ruhiger Typ. In seiner alten Heimat hatte er auch den Durchbruch im Profigeschäft geschafft.

Bei der SpVgg Greuther Fürth hatte er als 19-Jähriger Ende Januar 2003 in der Zweiten Liga debütiert. 2005 folgte der Wechsel nach Bielefeld, nun ist er in Gelsenkirchen.

Dabei wäre er fast beim großen Revier-Rivalen in Dortmund gelandet. "Das Interesse der Borussia war schon sehr konkret. Doch bei Schalke hatte ich ein besseres Gefühl", betonte Westermann damals.

"Absolut richtige Entscheidung" 

Sein Bauchgefühl hat ihn nicht getäuscht. "Die Berufung für die Nationalmannschaft ist wieder einmal die Bestätigung, dass es die absolut richtige Entscheidung war", sagte er. Damit erklimmt Westermann die nächste Stufe.

Lange Reisen mag er nicht, er unternimmt viel lieber spontane Kurztrips. Der Ausflug zur Nationalmannschaft darf dabei aber ruhig etwas länger dauern. Österreich und die Schweiz sollen ja tolle Ziele sein, oder Südafrika.

Die spärliche Zeit dazwischen wird er sicherlich bewusst nutzen. Mit Nero, seinem Kumpel, der nie spricht.

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