Eigenbrötler mit totaler Kontrolle

Von Thomas Gaber
Spanien, Team, EM 2008
© Getty

München - Tausend Mal probiert, tausend Mal ist nichts passiert. Spanien wartet seit 1964 auf einen internationalen Titel. 2008 soll in Österreich und der Schweiz mal wieder alles besser werden.

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Die Qualifikation lief gut, keine Mannschaft war im Jahr 2007 so erfolgreich wie die Furia Roja (die besten Bilder in der SPOX-Diashow).

Das Team von Trainer Luis Aragones hat eigentlich keine Schwächen und ein großer Titel scheint nur eine Frage der Zeit zu sein. Wären da nicht ständig diese hausgemachten Probleme...

Stärken:

Beginnen wir hinten. Torhüter Iker Casillas ist erst 26 Jahre alt, absolvierte aber beim 3:1 gegen Racing Santander bereits sein 400.(!) Spiel für Real Madrid. In ganz jungen Jahren galt Casillas als großes Talent, das sich aber in entscheidenden Momenten nicht konzentrieren kann.

Für Real-Coach Bernd Schuster zählt Casillas mittlerweile zu den besten drei Torhütern der Welt. Schuster steht mit dieser Meinung nicht alleine da. Auf der Linie gehörte der reaktionsschnelle Casillas schon immer zur Elite. Zudem hat er seine Strafraumbeherrschung deutlich verbessert. Sowohl bei Schuster als auch bei Aragones ist Casillas Führungsspieler.

Aragones hat lange nach einer optimalen Mittelfeldbesetzung geforscht. Mit Xavi, Andres Iniesta (beide FC Barcelona) und Cesc Fabregas (Arsenal) hat er sie gefunden. Dieses überaus kreative Dreigestirn ist bei Aragones gesetzt. Spaniens Mittelfeld gelang bei den Siegen in Dänemark (3:1) und gegen Schweden (3:0) die perfekte Symbiose zwischen Ballhalten mit vielen Kontakten und dem schnellen geradlinigen Spiel in die Spitze.

Der Angriff mit wahlweise Fernando Torres, David Villa, Daniel Guiza oder Raul Tamudo genügt internationalen Ansprüchen.

Schwächen:

Abgesehen von den Niederlagen in Schweden (0:2) und Nordirland (2:3) zu Beginn spielte  Spanien eine überzeugende EM-Qualifikation. Für Schweden-Ass Zlatan Ibrahimovic ist Spanien sogar Topfavorit auf den EM-Titel. Doch damit fangen die Probleme an.

Ob EM oder WM - Spanien wird immer als Favorit genannt. Außer 1964 wurde die Furia Roja diesem Anspruch aber nie gerecht. Die Finalteilnahme bei der EM 1984 (0:2 gegen Frankreich) ausgenommen, war spätestens im Viertelfinale Schluss. Wenn's darauf ankam, hat Spanien jedes Mal versagt.

Spaniens größter Gegner schlummert in den eigenen Reihen. Die Grüppchenbildung in der Nationalmannschaft hat Tradition und auch Aragones ist es nicht gelungen, aus Basken, Katalanen, Andalusiern und den Spielern von Real Madrid eine Einheit zu formen. Immerhin: Iker Casillas verriet der Zeitung "El Mundo Deportivo", dass er lieber Europameister mit Spanien werden würde als Meister oder Champions-League-Sieger mit Real Madrid.

Ein weiteres Problem ist die Nichtberücksichtigung von Nationalheiligtum Raul. Der bei Medien und Fans chronisch unbeliebte Aragones will sich dem öffentlichen Druck aber nicht beugen und gewinnt dadurch keine neuen Freunde. 

Taktik:

Lange Zeit ließ Aragones das klassische 4-4-2-System mit den beiden Stürmern Torres und Villa spielen. Weil beide abwechselnd verletzt waren, stellte der Coach auf ein 4-1-4-1-System um - und hatte Erfolg. Beim 3:1-Sieg in Dänemark machte Spanien das beste Länderspiel seit Jahren.

Spaniens Spiel basiert auf viel Ballbesitz und totaler Kontrolle im Mittelfeld. Das Angriffspiel ist sehr variabel. Xavi, Iniesta und Fabregas wechseln oft die Positionen und schalten sich abwechselnd mit in die Spitze ein. David Albelda sichert nach hinten ab.

Die Innenverteidigung mit Carles Puyol und Carlos Marchena beteiligt sich am Spielaufbau, der kopfballstarke Puyol geht wie die Außenverteidiger Sergio Ramos (rechts) und Joan Capdevila (links) bei eigenen Standardsituationen mit nach vorne. Sergio Ramos ist offensiv ausgerichtet und erzielte in den letzten drei Spielen zwei Tore.

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