EM

"Die Deutschen wollten uns häkeln"

Herbert Prohaska und Österreich besiegten 1978 in Cordoba Deutschland mit 3:2
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SPOX: Zwei Jahre später sind Sie als erster Ausländer nach einer 20-jährigen Legionärs-Sperre in die Serie A, zu Inter Mailand gewechselt. Später spielten Sie auch für AS Rom. Wie haben Sie die Zeit in Italien erlebt?

Prohaska: Als Ausländer wirst du in Italien extrem verehrt. Niemand steht über dir, kein Sänger, kein Schauspieler, kein Politiker. Wenn du ein bisschen was gewinnst, dann hast du sofort Legendenstatus. Bei der Austria war ich 18 Jahre und gelte als Legende, in Rom habe ich dafür nur ein Jahr gebraucht.

SPOX: Was hat Sie am Fußball in Italien überrascht?

Prohaska: Dort war alles viel, viel professioneller und organisierter. Die Italiener sind Meister im Kasernieren. Im Sommer war ich einmal von acht Wochen nur vier Tage daheim. Das war schon eine harte Zeit. Finanziell war es super, eine neue Sprache habe ich gelernt - es war großartig. Die Stadien waren auch immer voll. In Rom waren gegen Ascoli Calcio mal nur 54.000 Zuschauer im Olimpico. Da hat der Präsident gemeint, die Anhänger lassen die Mannschaft im Meisterschaftskampf im Stich. Wenn die heute auch nur einen Schnitt von 54.000 hätten, würden die drei Meter hoch springen.

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SPOX: Warum sind Sie nach nur drei Jahren zur Austria zurückgekehrt?

Prohaska: Das ist eine kuriose Geschichte. Als ich bei der Roma gespielt habe, waren zwei Ausländer erlaubt, das waren ich und der Falcao. Falcao wollte aber einen besser dotierten Vertrag und hat gedroht, ansonsten nach Hause nach Brasilien zu fahren und nicht mehr zurückzukommen - und das hat er auch wirklich gemacht. Unbeeindruckt hat die Roma dann als zweiten Ausländern neben mir Toninho Cerezo verpflichtet, woraufhin der Falcao gemerkt hat, dass die ernst machen. Er hat sich wieder gemeldet und gesagt, er respektiere seinen Vertrag.

SPOX: Dann waren es drei Ausländer ...

Prohaska: ... genau und einer musste deshalb gehen und ausbezahlt werden. Das war dann ich, weil ich nur mehr ein Jahr Vertrag hatte, die anderen beiden drei Jahre. Der Präsident hat sich gar nicht mehr getraut, mit mir zu reden. Er hat dem Manager nur gesagt: "Was der Herbert will, das kriegt er." Seine Frau hat beim Abschied vor Zorn sogar geweint. Kurz bevor ich gehen musste hat die Roma Francesco Graziani gekauft. Im Dezember 2015 habe ich ihn bei diesem Benefizspiel getroffen und da meinte er, dass ich schuld sei für drei verlorene Jahre in Rom.

SPOX: Warum das denn?

Prohaska: Er hat gesagt, er ist nur wegen mir zur Roma gegangen und, dass er mit mir dreimal Meister und nicht nur zweimal Cupsieger geworden wären. Natürlich ein bisschen im Spaß, aber schön ist es trotzdem.

SPOX: In den 1990er Jahren waren Sie Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft. Wie beurteilen Sie diese Zeit?

Prohaska: Am Anfang war es bärenschwer, weil ich auf den Ernst Happel gefolgt bin. Bei der ersten Pressekonferenz habe ich die Trainingszeit auf 10 Uhr festgelegt. Dann ist schon die erste Frage gekommen: 'Warum um 10 Uhr? Der Happel hat um 9 Uhr trainieren lassen.' Da habe ich schon gewusst, dass das ganz, ganz schlimm wird. Ich hatte aber mit Beppo Mauhart einen super Präsidenten, der nicht populistisch war, und so war ich sieben Jahre lang Nationaltrainer und habe mich für die WM 1998 qualifiziert.

SPOX: Dort ist Österreich in der Vorrunde ausgeschieden.

Prohaska: Das Problem war, dass die Gruppe unterschätzt wurde. Chile hatte Marcelo Salas und Ivan Zamorano, die haben zusammen mehr gekostet als die ganze österreichische Liga. Kamerun hat vorher gar nicht in Europa gespielt, von denen haben wir nur eine einzige Videokassette bekommen. Die Italiener hatten zwar eine super Mannschaft, waren aber körperlich tot. Mit ihrer Klasse haben sie dann aber doch noch gegen uns gewonnen.

SPOX: Italien hat Österreich nicht nur das WM-Aus 1998 beschert, sondern wegen einer Wette Ihnen 2006 auch die Rasur Ihres legendären Schnauzers.

Prohaska: Die vom ORF haben gesagt: Tipp du den Weltmeister und wenn du ihn nicht errätst, dann kommt der Bart weg. Der Rainer Pariasek (ORF-Moderator), der mich zu der Wette getrieben hat, wollte bei einer Niederlage aber nichts machen. Und dann habe ich gewonnen, weil ich auf Italien getippt habe - und nichts ist passiert. Weil es ein schöner Gag wäre, haben die mich aber gebeten, den Bart trotzdem zu rasieren. Nach 30 Jahren mit Schnauzer habe ich dann gesagt, dass sie ihn mir halt abrasieren sollen.

SPOX: Sie sind die Vereins-Legende der Wiener Austria, waren Gerüchten zufolge als Kind aber Rapid-Fan. Stimmt das?

Prohaska: Nicht ganz. Mein Vater war fanatischer Vienna-Anhänger, alle 14 Tage waren wir bei den Heimspielen auf der Hohen Warte, aber die Vienna hat immer nur gegen den Abstieg gespielt. Als ich in die Schule gekommen bin, haben natürlich alle gefragt, was ich für ein Anhänger bin. Ich habe mich nicht getraut Vienna zu sagen, weil die mich dann alle gehäkelt hätten, und habe stattdessen halt Rapid gesagt.

SPOX: Einige Jahre später, als Teenager haben Sie Mal in einer Band gespielt. Wie ist es dazu gekommen?

Prohaska: Mein damaliger bester Freund, der mit mir im Verein gespielt hat und ähnlich gut war, wollte unbedingt eine Band gründen und mich dabei haben. Ich sollte Bass-Gitarre spielen, aber ich war schwerst untalentiert; unser Gitarrist musste mir immer zeigen, was ich genau machen soll. Ich bin dann auch nur einmal aufgetreten. Mein Freund aber öfter und der hat sich so seine Fußballer-Karriere ruiniert. Seit zehn Jahren trete ich als Sänger für eine Band namens The Real Holy Boys auf. Die machen das sehr professionell und das ist gut so, weil ich deshalb nicht viel verhauen kann.

SPOX: Seit einigen Jahren kursiert ein kurioses Video im Internet, bei dem Sie live auf Sendung etwas ausfällig werden, Zuschauer scheinbar als "Hurenkinder" beschimpfen. Wie ist das zustande gekommen?

Prohaska: Wir waren bei der U16-EM in Linz und ich hatte einen Moderator, der das zum ersten Mal gemacht hat und noch dazu ein Fan von mir und ziemlich nervös war. Im Vorlauf haben einige Kinder die ganze Zeit Papierkugeln und -flieger auf uns runter geschossen. Dann hat die Regie dem Moderator gesagt, dass wir gleich auf Sendung sind, aber der hat das nicht an mich weitergegeben. In dem Moment ist dem Kameramann gerade wieder ein Flieger auf den Kopf geflogen und dann habe ich das halt im Spaß gesagt - und wir waren live auf Sendung.

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